Im sächsischen Pulsnitz gibt‘s die Pfefferküchler. Es sind die Letzten ihrer Zunft. Acht Handwerksbetriebe führen die jahrhundertealte Tradition in dem 8.000-Seelen-Ort fort. Sie backen Pfefferkuchen, die anderswo Lebkuchen oder Honigkuchen heißen.
In der Backstube von Lutz Tenne, dem Obermeister der Innung des Pfefferküchlerhandwerks, duftet es jetzt überall nach Nelken, Zimt und Honig. Den Grundteig aus Sirup, Honig und Mehl hat er schon vor Monaten gemacht. Während der langen Lagerzeit bildet der Pfefferkuchenteig Milch- und Essigsäuren, die wichtig sind für den Geschmack. Vor dem Backen gibt Tenne Hirschhornsalz dazu. Das traditionelle Backtriebmittel mit dem seltsamen Namen ist ideal für flache Gebäcke, weil es den Teig eher in die Breite als in die Höhe treibt. Christstollen, Spekulatius oder Printen brauchen andere Mittel, damit sie später schmecken, wie wir sie gerne mögen.
Was sind Backtriebmittel?
Backtriebmittel lockern den Teig, sodass Gebäck, Kuchen oder Brot luftig und locker werden. Ohne sie könnten wir zahlreiche Backwaren gar nicht ordentlich verspeisen, geschweige denn genießen. Denn der Speichel, der seinen Teil zur Verdauung beiträgt, dringt am besten durch locker-luftiges Gebäck. Diese Vorverdauung erleichtert dann Enzymen im Darm ihre Arbeit, so können sie die Nährstoffe besser herauslösen und verarbeiten. Insbesondere schwere Teige wie die von Lebkuchen und Stollen werden so überhaupt erst bekömmlich.
Prinzipiell funktioniert das Lockern zwar auch mit Luft – wenn man etwa Eischnee (geschlagenes Eiweiß) unterhebt beziehungsweise den Teig so kräftig und lange rührt, bis sich Blasen bilden. Im warmen Ofen dehnen sich dann die Luftblasen aus und lockern so das Gebäck. Nur, für die meisten schweren Teige mit Fett, Zucker und Gewürzen ist es mit Luft nicht getan. Sie brauchen stärkere Mittel, die genug Kraft haben, die Masse auseinanderzutreiben.
Wie funktionieren Backtriebmittel?
Hefen sind einzellige Pilze, also Lebewesen, die Zucker in Alkohol und Kohlendioxid spalten. Das Kohlendioxid treibt den Teig auf, der Alkohol verdunstet beim Backen. Diese chemische Reaktion lockert den Teig. Damit sich die Mikroorganismen vermehren und fleißig arbeiten, brauchen sie Wärme, Wasser, Nahrung, Sauerstoff und Zeit. Hefeteig muss daher eine Weile ruhen, damit er aufgeht.
Das „Gehen lassen“ entfällt bei Backpulver, Pottasche und Hirschhornsalz, was die Zubereitungszeit verkürzt. Auch hier lockert eine chemische Reaktion den Teig. Wenn Wasser und/oder Säure zugefügt werden und die Form in den warmen Backofen kommt, entstehen auch hier Gasbläschen. Bei Bio-Backpulver, das aus Natron und einer Säure – etwa Zitronen- oder Weinsäure – gebildet wird, entweicht Kohlendioxid. In ammoniumhaltigen Verbindungen (Pottasche, Hirschhornsalz) wird zusätzlich zur Kohlensäure auch Ammoniak frei.
Auch Sauerteig und Backferment sind Backtriebmittel. Lest hier mehr zu Backferment und lernt hier, wie ihr Sauerteig selbst herstellt:
Worauf achten bei Backtriebmitteln?
Wer sie einsetzen möchte, muss bei alternativen und konventionellen Backmitteln auf keine Unterschiede achten.
Backen mit Bio-Hefe
Hefe wird für Christ- oder Butterstollen angesetzt. Auch für Früchtebrot oder einen Hefezopf ist sie das ideale Triebmittel. Dabei kann Trockenhefe genauso verwendet werden wie Frischhefe. Der Begriff Bio-Hefe darf erst seit 1. Januar 2009 als solcher deklariert werden. Deren Verwendung ist in Bio-Backwaren nicht zwingend vorgeschrieben.
In Geschmack und Handhabung hat sich Bio-Hefe seit den Anfängen sehr vorteilhaft entwickelt. „Der Geschmack von Bio-Hefe ist im Vergleich zu konventioneller Hefe besonders aromatisch, mehr getreidig“, sagt Ute Keilhofer von Rapunzel. Für manche mag das bedeuten, dass sie sich an den andersartigen Geschmack erst gewöhnen müssen.
Wann nutze ich Backpulver?
Backpulver eignet sich gut für Kuchen und alle Backwaren, die ein großes Volumen haben sollen. Eine zusätzliche Prise reines Natron lässt Teige besonders hoch aufgehen, denn bereits ab 65 Grad Celsius zerfällt es sofort und setzt das Kohlendioxid frei.
Bio-Hersteller verwenden in ihren Backpulvern anstelle von Phosphaten verschiedene natürliche Säuren, zum Beispiel Zitronensäure, Weinsteinsäure oder Weinstein. Der Weinstein wird zum Teil aus Rohweinstein gewonnen, der sich in Weinfässern ablagert. Die EU-Öko-Verordnung schreibt diese Art der Gewinnung jedoch nicht vor. Weinstein ist im Übrigen genauso triebstark wie Backpulver aus konventioneller Herstellung.
Wann greife ich zu Hirschhornsalz?
Hirschhornsalz arbeitet eher in die Horizontale. Es eignet sich für flache Backwaren wie Spekulatius und Lebkuchen. „Sie sollen nach dem Ausbacken nicht höher als acht Millimeter sein, so kann das freiwerdende Ammoniak restlos entweichen“, sagt Bäckermeister Helmut Ewers von Biovita. Das ist wichtig, denn Ammoniak hat einen etwas unangenehmen Geruch und Geschmack.
Übrigens: „Hirschhornsalz hat nichts mit den Geweihen von Hirschen zu tun“, sagt Helmut Ewers von Biovita. „Geweihe bestehen auch nicht aus Horn, sondern aus Knochensubstanz. Das Pulver wurde früher durch trockenes Erhitzen von Horn, Leder, Klauen und Hufen gewonnen. Heute wird es durch Erhitzen aus einer Mischung von Ammoniumchlorid, Kalziumkarbonat und Holzkohle hergestellt. Es unterliegt nicht der EU-Öko-Verordnung.“
Was kann Pottasche?
Pottasche treibt den Teig ebenfalls in die Breite. Das weiße Pulver wird besonders in Honigteigen verwendet, also bei Honig- oder Lebkuchen. Die weiße Pottasche wird wie Hirschhornsalz mit etwas Wasser vermengt, damit sie sich im Teig besser verteilt. „Für Lebkuchenteig nimmt man am besten beides“, rät Biovita-Bäcker Ewers.
Alles Bio? Wie werden Bio-Backtriebmittel hergestellt?
Hirschhornsalz und Pottasche unterliegen nicht der EU-Öko-Verordnung. Bio-Backpulver enthält Natron, genauso wie konventionelles Backpulver. Alle anderen Bestandteile sind Bio-Rohstoffe. Bio-Hersteller, darunter Biothek (Lecker’s), Werz, Biovegan, Pural oder Biovita Naturkost, nehmen als Trennmittel Maisstärke, sodass Menschen mit einer Gluten-Unverträglichkeit deren Produkte verwenden können.
Für die Herstellung von Bio-Hefe werden nur Rohstoffe aus biologischem Anbau genommen. Auf synthetische Öle als Entschäumer sowie Schwefelsäure, Ammoniak und Phosphate als Hilfsstoffe wird verzichtet. Der Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen ist gänzlich verboten.
Die Fermentation des Getreides, auf dem die Hefe-Stämme gezüchtet werden, erfolgt in drei Stufen: Als Rohstoffe werden Getreideprodukte aus Bio-Anbau und Bierhefe/Bierhefeextrakt eingesetzt. Nach 16 Stunden Fermentationszeit wird die Masse auf vier Grad Celsius gekühlt, danach werden die Getreidebestandteile abgetrennt. Das erfolgt in sogenannten Klär-Separatoren. Die entstehende Hefecreme kann danach zu Presshefe oder zu Trockenhefe beziehungsweise Hefeextrakt weiterverarbeitet werden. Im gesamten Prozess werden keine Chemikalien zugesetzt.
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