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Schlachtet Bio besser?

Bio-Tiere werden artgerechter gehalten als konventionelle. Doch auch sie sterben. Nicht an Altersschwäche, sondern im bio-zertifizierten Schlachthof. Stirbt es sich dort anders?

Schlachten ist das Töten von Nutztieren, um Fleisch für den menschlichen Verzehr zu gewinnen. So definiert es das Gesetz. Die gängige Methode: betäuben, stechen, ausbluten. Wer das konsequent ablehnt, ernährt sich vegan. Doch noch isst die Mehrzahl der Bio-Kunden Fleisch. Und auch die Milch für Bio-Butter und -käse fließt nur, solange jemand die Bullenkälbchen und die alt gewordenen Milchkühe verzehrt. Vorher müssen sie geschlachtet werden. Aber wo? Und wie?

Endet Bio beim Schlachten?

Auch Bio-Tiere enden in einem normalen Schlachthof. Dieser braucht eine Bio-Zertifizierung. Sie besagt allerdings nur, dass die Bio-Tiere in einem eigenen Arbeitsgang, getrennt von konventionellen Tieren, geschlachtet und verarbeitet werden müssen.

Diese Getrennthaltung muss der Betrieb sauber dokumentieren. Mehr ist nicht notwendig. Denn die EU-Öko-Verordnung enthält zum Thema Schlachten nur einen einzigen unbestimmten Satz: „Ein Leiden der Tiere ist während der gesamten Lebensdauer der Tiere sowie bei der Schlachtung so gering wie möglich zu halten.“ Anders gesagt: Für das Schlachten von Bio-Tieren gelten die selben EU-weit einheitlichen Regelungen wie für konventionell gehaltene Tiere.

Diese Vorschriften sind unzureichend, sagt der Deutsche Tierschutzbund, der regelmäßig Schlachthöfe inspiziert: „Es kommt immer noch zu Missständen bei Anlieferung, Abladen, Umgang mit verletzten oder kranken Tieren, Betäubung und Entblutung“, heißt es in einem Positionspapier der Organisation. Viele Probleme würden durch bauliche oder personelle Mängel verursacht. Andere durch die Missachtung der bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Doch auch die Vorschriften seien problematisch, weil die vorgeschriebenen Betäubungs- und Entblutungsmethoden nicht hundertprozentig funktionieren. „So gehört es auch zur Realität, dass nach wie vor Tiere in die weitere Verarbeitung, wie den Brühvorgang gelangen, bevor sie tatsächlich tot sind.“ Dabei sei nicht sichergestellt, dass Tiere in kleinen Betrieben besser behandelt werden als in Großanlagen.

Konventionell: Schlachten am Fließband

In Deutschland wurden 2013 laut Statistischem Bundesamt 3,5 Millionen Rinder, 58 Millionen Schweine und 700 Millionen Stück Geflügel geschlachtet. Bei Schweinen und Geflügel liegt der Bio-Anteil weit unter 1 Prozent, bei Rindern sind es gut 3 Prozent. Das große Geschäft mit dem Fleisch machen einige wenige Konzerne. Beim Schweinefleisch schlachten die Firmen Tönnies, Vion und Westfleisch gut die Hälfte aller Tiere. Bei den Rindern liegt ihr Anteil bei fast 50 Prozent. Den Geflügelmarkt teilen sich vier Unternehmen. Eines davon, Rothkötter, hat im niedersächsischen Wietze den größten Geflügelschlachthof Europas gebaut. Er tötet 430.000 Hähnchen – jeden Tag. Tönnies schlachtet allein in seinem Stammwerk in Rheda 28.000 Schweine – ebenfalls täglich.

Hier muss Schlachten vor allem billig sein. „In deutschen Schlachtbetrieben stehen überwiegend aus Osteuropa kommende und zu sklavenähnlichen Bedingungen arbeitende Werkvertragsarbeiter an den Fließbändern“, beklagt Matthias Brümmer von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten in der aktuellen Ausgabe des Kritischen Agrarberichts. Skandalös seien nicht nur die Löhne, sondern auch die Arbeits- und Sozialbedingungen.

Bio: überschaubare Strukturen

Für diese großen Fließbandschlachthöfe sind die kleinen Mengen an Bio-Tieren nicht interessant. Sie stören da nur die Abläufe. Es sind eher kleine bis mittelgroße Schlachthöfe, die an ein, zwei Tagen Bio-Tiere schlachten. Manche gehören den großen Konzernen, andere sind eigenständige Unternehmen, wenige noch in kommunalem Besitz. Als „größte Bio-Metzgerei“ Deutschlands bezeichnet sich die Kurhessische Fleischwaren GmbH (kff) in Fulda. Dem Unternehmen gehört die Mehrheit am dortigen Schlachthof. Es macht über die Hälfte seines Umsatzes mit Bio-Fleisch. Das geht an große Supermärkte ebenso wie an Bio-Filialisten. 400 bis 500 Schweine und 30 bis 40 Rinder verarbeitet die kff jede Woche. Weitere wichtige Partner für Bio-Bauern sind Thönes Natur mit zwei Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg und der Schlachthof von Unna am Rande des Ruhrgebiets. Dorthin bringen Landwirte der Genossenschaft Biofleisch NRW ihre Tiere. Größter Bio-Schlachter im Südwesten ist die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, die den dortigen kommunalen Schlachthof übernommen hat. In Bayern gehört Chiemgauer Naturfleisch zu den wichtigsten Herstellern von Bio-Fleischwaren. Die Betriebe schlachten pro Woche einige Hundert Bio-Tiere.

Daneben gibt es kleine Bio-Schlachtbetriebe, die zumeist den Naturkostfachhandel beliefern oder ihre Produkte regional vermarkten. Bakenhus gehört dazu, die Biomanufaktur Havelland, der Packlhof und die Herrmannsdorfer Landwerkstätten. Zahlreiche Bio-Bauern arbeiten auch mit Metzgereien, die selbst schlachten. Deren Zahl ist allerdings in den letzten Jahren gesunken. Die hohen Anforderungen der EU-Hygieneverordnung haben viele kleine Schlachter und kommunale Schlachthöfe zum Aufhören gezwungen. In manchen Bundesländern gibt es nur noch eine Handvoll zertifizierter Bio-Schlachter.

Das bedeutet wenig Auswahl für die Bio-Bauern. Denn sie versuchen, den Transport zum Schlachthof möglichst kurz zu halten, um den Tieren Stress zu ersparen. Die meisten Anbauverbände begrenzen die Transporte zum Schlachthof auf vier Stunden oder 200 Kilometer. Konventionell sind acht Stunden ohne Pause erlaubt. Verboten sind bei den Bio-Verbänden elektrische Treiber und Beruhigungsmittel, vorgegeben ist Einstreu für Wiederkäuer und Schweine beim Transport und in den Ruhebuchten am Schlachthof. Manche Verbände wie Naturland regeln Details wie die maximale Tierzahl je Transportfahrzeug oder den Freiraum über den Köpfen der Tiere. Lediglich Demeter macht in seinen Richtlinien keine konkreten Vorgaben, sondern beschränkt sich auf einen Appell: „Man muss sich bewusst machen, dass zu Beginn der Fleischverarbeitung der Tod eines beseelten Wesens steht.“

Tiertransport begrenzt

Einige Verbände gehen in ihren Richtlinien auch auf das Schlachten ein. Ihre Regelungen entsprechen dabei im Wesentlichen den tierschutzrechtlichen Vorgaben. Doch die jährliche Verbandskontrolle liefere nur eine Punktaufnahme, sagt Bioland-Sprecher Gerald Wehde. „Wir schauen, ob die Abläufe passen, das Personal geschult ist. Im Alltag müssen wir uns auf den amtlichen Veterinär verlassen, der den Betrieb und das Schlachten ja täglich kontrolliert. So muss sichergestellt sein, dass keine Tiere ohne Betäubung in die Schlachtung gehen.“ Auf das Problem der Fehlbetäubungen habe das bundeseigene Max Rubner-Institut in Veröffentlichungen hingewiesen. „Diese Untersuchungen haben uns zusätzlich sensibilisiert“, sagt Wehde.

Bei Naturland betreut – zusätzlich zu den vorgeschriebenen amtlichen Kontrollen – seit Anfang 2013 die Qualitätssicherung Tier die Schlachthöfe. Die Tierärztin Frigga Wirths hat lange für den Deutschen Tierschutzbund gearbeitet und kennt die tierschutzrelevanten Probleme bei der Schlachtung. „Wir besuchen die Betriebe regelmäßig, schlagen ihnen, wenn nötig, weitere, freiwillige Verbesserungen vor und stehen ihnen beratend zur Seite“, sagt sie. Im Arbeitsalltag bewirken manchmal bereits kleine Veränderungen erhebliche Vorteile für die Tiere. „Die Aufgeschlossenheit dafür wächst – auch durch die zunehmende gesellschaftliche Diskussion über das Töten von Tieren.“

Kugelschuss vor Ort

Für Tiere auf der Weide gäbe es eine besonders stressarme Tötungsmethode: Viele Bio-Rinder leben das Jahr über in Mutterkuhherden auf der Weide. Die Tiere sind scheuer als Milchkühe, die der Bauer jeden Tag melkt. Weiderinder einfangen und zum Schlachter bringen ist Stress – für die Tiere und für die Bauern. Werden die Tiere durch einen Schuss in den Kopf dort betäubt und getötet, wo sie leben, fällt dieser Stress weg.

Als Beispiel für diese Tötungsmethode haben wir den Uria-Hof in der Schwäbischen Alb besucht. Lest selbst:

Alternatives Schlachten auf dem Uria-Hof

Die Tierschutzschlachtverordnung der EU lässt den Kugelschuss als Betäubungs- und Tötungsmethode für alle Tierarten ohne Einschränkung zu. Die EU-Hygieneverordnung allerdings verbietet die Anlieferung bereits toter Tiere in den Schlachthof. Andererseits muss das Ausweiden in einem von der EU zugelassenen Schlachtbetrieb erledigt werden.

Um diesen EU-Widerspruch halbwegs aufzulösen, steht seit 2011 in der deutschen Durchführungsverordnung, dass einzelne Rinder, die ganzjährig im Freien leben, mit Genehmigung der zuständigen Behörde auf der Weide geschossen und dann in den Schlachthof gebracht werden dürfen. „Doch nicht alle Behörden erlauben das“, weiß Lea Trampenau. Die Agraringenieurin hat sich in ihrer Diplomarbeit mit dem Kugelschuss auf der Weide befasst und berät Landwirte, die diese Methode anwenden wollen. „Bei Behörden, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben oder in den früheren Detailvorgaben gefangen sind, ist Überzeugungsarbeit notwendig.“ Andererseits würden viele Landwirte den Kugelschuss praktizieren. „Ich habe für meine Status quo-Analyse 100 Rückantworten von Landwirten bekommen und schätze, dass es noch eine deutlich größere Zahl gibt.“

Für Wildtiere wie Damhirsche, die manche Landwirte im Gatter halten, ist der Kugelschuss als Tötungsmethode übrigens vorgeschrieben. Dort gilt er als waidgerecht.

Bauckhof: „Der Tod ist ein Bestandteil des Lebens“

Bei den Hühnern beginnt die letzte Reise am späten Abend, wenn sie ruhig geworden sind. Die Tiere werden in Transportkisten gepackt und in den dunklen Ruheraum der Schlachterei gebracht. Dort schlafen sie weiter, bis um sechs Uhr morgens das Töten beginnt. Carsten Bauck legt Wert darauf, dass die Hühner und Puten nicht von einer Maschine sondern von Hand gestochen werden. Und dass dies Menschen tun, die die Tiere zuvor betreuten, sie auch lebend kannten. „Wer nur schlachtet, verroht.“ Im letzten Herbst ist die Fleischmanufaktur auf dem Bauckhof abgebrannt, gerade geht sie neu aufgebaut wieder in Betrieb. Carsten Bauck hat das genutzt und die Kapazität erweitert, auf 600 Hühner die Stunde.

Er will nicht mehr schlachten, sondern schneller. „Je länger es dauert, desto größer werden Stress und Angst bei den Tieren, die noch warten.“ Für Carsten Bauck gehört der Tod zum Leben dazu und das will er auch den Verbrauchern vermitteln, die den Hof besuchen. „Wer zu uns kommt zum Kücken gucken, der muss auch in die Schlachterei. Anders geht das nicht.“

Chiemgauer Naturfleisch: „Wir sind uns der Verantwortung bewusst“

Rund 20 Rinder und 100 bis 150 Schweine schlachtet Chiemgauer Naturfleisch jede Woche. Viele Tiere liefern die Landwirte selbst an. Die Schweine am Abend vorher, damit sie sich über Nacht beruhigen können. „Bei Rindern bringt eine Ruhephase nichts, die werden möglichst gleich geschlachtet und die Anlieferung so getaktet, dass die Tiere nicht warten müssen“, erklärt Geschäftsführer Tom Reiter. Beim Schlachten selbst soll eine möglichst ruhige und konzentrierte Atmosphäre herrschen. „Im Gegensatz zu einer industriellen Schlachtung ist bei uns der Prozess nicht so zergliedert, sondern handwerklicher. Ein Schlachter betreut den ganzen Ablauf: Betäuben, Stechen, Ausbluten.

Dadurch kann er auf das einzelne Tier eingehen und reagieren.“ Dazu brauche es geeignetes Personal, das selber ruhig und gelassen ist und mit dem Thema vernünftig umgehen könne. „Und wir nehmen uns die notwendige Zeit, auch wenn es ein Kostenfaktor ist.“ Vor dem Schlachthaus stehen zwei Holzstelen mit Rinderschädeln darauf, als Symbol für das Tor zwischen Leben und Tod.

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