Sein Teint ist goldgelb. Wie frisch gepudert sieht er aus, wenn eine zarte Schicht Edelschimmel darüber lagert. Seine Oberfläche fühlt sich rauh an. Er ist berühmt-berüchtigt für seinen kräftigen Geruch. Der deftige Geschmack macht ihn zum idealen Begleiterfür eine herzhafte Zwischenmahlzeit. Sauermilchkäse gilt als typisch deutsch und ist vor allemin der Küche Hessens und Niedersachsens zuhause.
Das Sortiment an Handkäse in Bio-Qualität ist klein, aber fein. Der wichtigste Unterschied zu den Erzeugnissen aus konventioneller Produktion liegt im Rohmaterial. Die Milch für den Bio-Sauermilchkäse stammt von kontrolliert ökologischen Bauernhöfen, die ihre Rinder artgerecht aufziehen.
Bei der Weiterverarbeitung verwenden die Öko-Käsereien Speisesalz. Es enthält weder Jod noch Rieselhilfsstoffe, die das Verklumpen der Salzkristalle verhindern sollen. Im Reifungssalz, das den ph-Wert des Käses neutralisiert, sind lediglich Kalzium- und Magnesiumcarbonat erlaubt. Ebenfalls als Tabu gilt bei der kbA-Ware, zusätzlich Casein beizumengen. Im konventionellen Bereich wird das für die Milch charakteristische Protein oft nachträglich aus der Molke extrahiert, um die Trockenmasse zu steigern. Dies geht jedoch auf Kosten von Geschmack und Qualität, meinen Käseexperten.
Ein Käse ohne Lab
Ausgangsstoff für den Handkäser ist der Sauermilchquark. Die Molkereien liefern dieses Produkt, das aussieht wie Pop Corn. Die körnige Struktur entsteht dadurch, daß der Bruch gesiebt wird, bevor er in die 50-Kilogramm-Säcke gelangt. Im Unterschied zu Speisequark wird dem Sauermilchquark kein Lab untergemischt. Allein zugesetzte Milchsäurebakterien sorgen dafür, daß die pasteurisierte Magermilch gerinnt.
Dabei geht der Hersteller folgendermaßen vor: Die Milch wird auf 42 Grad erhitzt. Dann gibt der Molkereitechniker thermophile Kulturen dazu, die die Milch ein bis zwei Stunden säuern. In einer Siebtrommel wird anschließend der Bruch von der Molke getrennt, bis er einen Trockenmassegehalt von 32 Prozent erreicht hat. Zum Vergleich: Speisequark wird mit Hilfe einer Zentrifuge gewonnen und hat einen Trockenmassegehalt von 18 Prozent.
Bio-Sauermilchkäse produziert zum Beispiel die hessische Handkäserei Birkenstock. Vor vier Jahren hat der Betrieb sein konventionelles Sortiment um die kbA-Ware erweitert. Im April wurde das Unternehmen mit der Upländer Bauernmolkerei handelseinig. Einmal pro Woche liefern seither die nordhessischen Milchverarbeiter, unter deren Namen das Produkt verkauft wird, Sauermilchquark in Bioland-Qualität an den Käser. "Die Öko-Chargen werden streng von den konventionellen getrennt", versichert Inhaber Heinrich Birkenstock.
Salz steuert den Reifungsprozeß
Das Herstellungsverfahren für Handkäse ist denkbar einfach: Zunächst zermahlt ein riesiger Quirl den Sauermilchquark zu einer teigigen Masse. Hinzugefügt werden manchmal Kümmel und immer Speise- sowie Reifesalze, die konservieren, den Geschmack verfeinern und den Reifeprozeß steuern. Eine Stanzmaschine preßt die Masse in die gewünschte Form. Es gibt Roller, Stangen oder auch die klassische Camembert-Form. "Früher ist das alles auch mit weniger Technik gegangen", erinnert sich Senior-Chef Heinrich Birkenstock. Eine Käseklappe aus Eisen reichte unseren Vorfahren aus, um die weiße Masse von Hand zu formen. Daher kommt auch der Name Handkäse. Schon vor 200 Jahren haben Harzer Bauern Sauermilchkäse auf gewerblicher Basis hergestellt.
In einen Roller oder eine Stange verwandelt, ist die nächste Station des Sauermilchkäses der Trockenraum. Hier haben seine Vorgänger bereits einen leicht säuerlichen Geruch hinterlassen. Vier Tage schwitzt der Frischling bei wohligen 30 Grad. "Wichtig ist, daß die Temperatur konstant bleibt", macht Birkenstock aufmerksam. Denn wenn es zu warm wird, gerät der Käse aus der Form und schmilzt.
Danach entscheidet sich, ob das getrocknete Produkt als Gelbkäse oder als Weißschimmelkäse aus der Produktion hervorgeht. Gelbkäse wird lediglich mit abgekochtem Wasser abgespritzt und reift bei rund zehn Grad 24 Stunden im Kühlraum. Dabei setzen sich Bakterien auf seiner Oberfläche ab, die der Käse aus der Flora der Reifungsräume zieht. Einige Hersteller besprühen den Rohling auch mit einer Mikroorganismenkultur. Sie schützt ihn vor Fremdbakterien und Schimmelpilzen. Edelschimmelkäse wird mit Camembertschimmelkulturen versehen und reift sieben Tage lang. Er schmeckt wesentlich milder als sein goldgelber Bruder. Halbschimmelkäse entsteht, wenn Gelbkäse nicht mit Wasser bespritzt wird. Denn auf diese Weise kann sich Milchschimmel entwickeln.
Proteine für Trennköstler
Trennköstler schätzen Handkäse wegen seines hohen Eiweißgehaltes. 29 Gramm Eiweiß stecken in 100 Gramm Sauermilchkäse, der damit andere Sorten wie Camembert (20 Prozent) und Emmentaler (27 Prozent) in den Schatten stellt. Kalorienbewußte können sich über den niedrigen Fettanteil freuen. Er liegt in der Regel unter einem Prozent, läßt sich jedoch auch auf bis zu zehn Prozent erhöhen, wenn der Magermilch, nachdem sie von der Sahne getrennt wurde, wieder Fett zugeführt wird. Der Wasseranteil beträgt 60 bis 73 Prozent.
Neben der Upländer Bauernmolkerei stellt auch der sachsen-anhaltinische Käser Rusack Sauermilchkäse aus Bio-Milch her. Seit Anfang des Jahres bietet der Betrieb zwei Sorten Öko-Harzer an: Doppelstangen als Gelbkäse und als Edelschimmelkäse. Der Sauermilchquark hierfür stammt von Betrieben aus dem Erzgebirge. Sie gehören dem ostdeutschen Verband für biologischen Landbau, Gäa, an. Die Upländer Bauernmolkerei hat vier Handkäsearten in ihrem Sortiment: Bauernhandkäse, Olmützer Quargel, Hausmacher Handkäse und Landkorbkäse mit Edelschimmel.
Verwirrende Namensvielfalt
So einfach und bodenständig Sauermilchkäse auch ist, so verwirrend erscheint die Bezeichnungsvielfalt. Was unterscheidet Harzer von Mainzer, oder Olmützer Quargel von Korbkäse? Grundsätzlich läßt sich Handkäse in drei Gruppen einteilen und zwar in den mit Gelb- oder Rotkulturbakterien gereiften Gelbkäse, den Edelschimmel- und den Halbschimmelkäse. Harzer und Mainzer Käse sowie Olmützer Quargel gehören zur Gruppe der Gelbkäse. Sie gleichen sich alle in ihren runden Form, bringen jedoch unterschiedliche Gewichte auf die Waage. Der Mainzer wiegt 50 Gramm, ein Harzer 30 Gramm und ein Quargel lediglich 21 Gramm.
Zum Edelschimmelkäse zählen Stangen-, Bauernhand- und Korbkäse. Letzterer wurde auf diesen Namen getauft, weil ihn die Händler früher unverpackt in Weidenkörben feilboten. Kochkäse entsteht, wenn man Sauermilchkäse aufkocht.
Astrid MöslingerPioniere bei der Produktion von Öko-Handkäse
Den Chef sieht man ihm überhaupt nicht an: In Blaumann und Karohemd gekleidet, mischt sich Heinrich Birkenstock ganz unaufällig unter seine Belegschaft.- Hin und wieder schaut der grauhaarige Senior einem seiner Mitarbeiter über die Schulter oder packt selbst mit an.
- Dabei ist Heinrich Birkenstock Geschäftsführer eines erfolgreichen mittelständischen Unternehmens. 32 Tonnen Sauermilchkäse verlassen wöchentlich den Betrieb im hessischen Hüttenberg. Zwei Tonnen davon haben kbA-Qualität. Und auf diesem Gebiet gilt der Hesse als Pionier. Bereits 1993 hat er als erster Handkäser das ökologisch hergestellte Produkt in sein Sortiment aufgenommen. "Wir haben nach Nischen gesucht, um uns von der Massenware abzuheben", erklärt Schwiegersohn Lothar Weber, der Mitgeschäftsführer ist.
- Auch heute noch, 37 Jahre nach der Gründung des Unternehmens, liegen die Zügel in den Händen von Familienmit-gliedern. Vor einigen Jahren sind Filius Klaus Birkenstock und Schwiegersohn Lothar Weber in die Geschäftsführung aufgerückt.
- Die Tradition, Handkäse herzustellen, wird in Hüttenberg seit Generationen gepflegt. Bauernsohn Heinrich Birkenstock bezog zunächst von den umliegenden Käsereien das geformte Sauermilchprodukt, um es zu verfeinern und im Keller reifen zu lassen. Dabei galt es, das handgefertige Erzeugnis einmal täglich zu wenden. Auf dem Hanauer Wochenmarkt bot der Kleinhändler seinen Handkäse neben anderen landwirtschaftlichen Produkten an.
- 1960 entschloß sich Birkenstock, Nägel mit Köpfen zu machen. Er gründete gemeinsam mit seiner Frau und seiner Schwester eine Firma in Hüttenberg, um den Käse selbst herzustellen. Die drei haben damals klein angefangen: 50 bis 100 Kilogramm pro Woche wurden produziert.
- Schritt für Schritt ging es danach mit dem Unternehmen aufwärts. Ende der 60er Jahren stellte Birkenstock zum ersten Mal Arbeiter ein, die nicht zur Familie gehörten. 1990 wurde aus der Einzelfirma eine GmbH. Und: Vor vier Jahren ist die Käserei schließlich in größere Räume umgezogen. Für rund fünf Millionen Mark ist am Ortsrand von Hüttenberg eine Produktionsanlage mit moderner Technik entstanden. Dort arbeiten heute 22 Angestellte
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