- Regenerative Landwirtschaft: Nachhaltig oder Greenwashing
- Was heißt regenerativ?
- Glyphosat und Gentechnik in der regenerativen Landwirtschaft: Ein Widerspruch
- Bio-Betriebe setzen auf den Pflug – hier ist noch Entwicklungsmöglichkeit
- Warum Bio die Grundlage für regenerative Landwirtschaft sein sollte
- Im Überblick: Was Öko-Landbau und regenerative Landwirtschaft leisten
Regenerativ klingt gut. Da regeneriert sich was, blüht auf, wird besser. Kein Wunder, dass große Unternehmen gerne damit werben, regenerativ zu arbeiten. So wie der weltweit größte Lebensmittelhersteller Nestlé. Er will immer mehr seiner wichtigsten Rohstoffe für Mayo von Thomi, Veggie-Bällchen von Garden Gourmet oder Suppen von Maggi aus regenerativer Landwirtschaft beziehen. 50 Prozent sollen es bis 2030 sein. 2023 seien es schon 15 Prozent gewesen, verkündete der Konzern im vergangenen April und fügte hinzu, was die regenerativen Maßnahmen alles bewirken: „Die Methoden sollen insbesondere den Boden schützen und verbessern, die biologische Vielfalt fördern, Vieh und Land wieder miteinander verbinden, den Wasserkreislauf schützen und das Wohlergehen von Gemeinschaften fördern.“ Klingt gut. Ist es das auch?
Regenerative Landwirtschaft: Nachhaltig oder Greenwashing
Aus Sicht der multinationalen Konzerne hat die regenerative Landwirtschaft einen großen Vorteil: „Der Begriff ist bisher weder geschützt, noch gibt es eine international oder national eindeutige Definition“, erklärt die Agrarwissenschaftlerin Andrea Beste in einem Beitrag für die Fachzeitschrift „Ökologie&Landbau“. Die meisten Konzerne verstünden darunter „nur eine konservierende Bodenbearbeitung mit Pestizid- und Mineraldüngereinsatz, garniert mit Zwischenfrüchten und Blühstreifen“.
Das könne ja einige Vorteile für den Boden bringen, heißt es in einem Positionspapier des europäischen Bio-Dachverbandes IFOAM Organics Europe. Doch dies als die beste landwirtschaftliche Lösung zur Bekämpfung der Klima- und Umweltkrise und des fortschreitenden Verlusts der biologischen Vielfalt zu präsentieren, sei eine Form von Greenwashing. Und zwar eine gefährliche. Eine Kritik, die immer wieder laut wird: Die Agrarindustrie versuche, den schillernden Begriff „regenerativ“ zu kapern, um die notwendige Transformation der Landwirtschaft zu bremsen und ihr konventionelles Geschäftsmodell zu retten.
Gleichzeitig bringe sie den Begriff gezielt gegen Bio in Stellung. Frei nach dem Motto: Wer braucht noch Bio, wenn Nestlé, Bayer & Co. Böden fruchtbar machen und die Artenvielfalt retten? Dazu ist wichtig zu wissen, wo die Wurzeln der regenerativen Landwirtschaft eigentlich liegen.
Was heißt regenerativ?
Ursprünge und Entwicklung des Begriffs regenerative Landwirtschaft
Der Begriff wurde in den 1980er-Jahren von dem Bio-Pionier Robert Rodale in den USA geprägt. Regenerativ war für ihn ein Bio-Landbau, der den Boden in den Mittelpunkt stellt und sich dadurch auch positiv auf andere Umweltbereiche und die Gesellschaft auswirkt.
Lange Zeit galt regenerativ als eine Art Bio-Plus und genoss wenig Aufmerksamkeit. Das änderte sich, als mit dem Pariser Klimagipfel von 2015 der Humusaufbau in der Landwirtschaft in den Mittelpunkt der Debatte rückte und zu einer Geschäftsidee wurde. Multinationale Konzerne kamen auf die Idee, sich den Humusaufbau bestätigen zu lassen und sogenannte Carbon-Farming-Zertifikate zu verkaufen. Damit können dann andere Unternehmen ihre klimaschädlichen Emissionen ausgleichen. 2019 gründeten 19 Weltkonzerne eine Koalition für alternative Landwirtschaftspraktiken und nannten sie „One Planet Business for Biodiversity“ (OP2B). Sie vermieden das Wort Öko-Landbau und führten stattdessen „regenerative Landwirtschaft“ als Basisbegriff ein. Seither hat sich die regenerative Zweiteilung in eine weitgehend im Öko-Landbau verankerte Graswurzelbewegung und eine von der Agrar- und Ernährungsindustrie getriebene Instrumentalisierung des Begriffs entwickelt.
Glyphosat und Gentechnik in der regenerativen Landwirtschaft: Ein Widerspruch
Knackpunkt in der aktuellen Diskussion um die regenerative Landwirtschaft ist die Frage: Können gentechnisch verändertes Saatgut, synthetische Stickstoffdünger und der Einsatz von Glyphosat als Unkrautvernichtungsmittel regenerativ sein? Aus Sicht der großen Konzerne, deren Rohstoffe aus dieser Art von Landwirtschaft stammen oder die Pestizide und Gentech-Saatgut dafür liefern, lautet die Antwort „Ja!“. So spricht etwa Nestlé in seinen regenerativen Rahmenrichtlinien von integriertem Pflanzenschutz. Dieses Prinzip ist in der EU seit 2009 für die konventionelle Landwirtschaft verbindlich – und wird kaum beachtet. Es bedeutet, dass vorbeugende und nicht-chemische Pflanzenschutzmaßnahmen kombiniert und vorrangig genutzt werden sollen. Feststeht: Nur der Öko-Landbau verzichtet auf Kunstdünger sowie synthetische Pestizide und ist gentechnikfrei.
Mehr Gemeinsamkeiten zwischen Regenerativ und Bio gibt es bei den Maßnahmen, die Humus aufbauen können und deshalb als regenerativ bezeichnet werden: den Boden minimal, also ohne Pflug bearbeiten, Zwischenfrüchte und Untersaaten anbauen, damit der Boden möglichst oft bedeckt ist, vielseitige und diverse Fruchtfolgen inklusive Leguminosen wie Ackerbohnen oder Luzerne anbauen, Hecken oder Agroforstflächen anlegen, die Tierhaltung in den Pflanzenbau integrieren. Während sich konventionelle Betriebe da oft erst auf den Weg machen, ist vieles im Bio-Landbau übliche Methode. Deshalb sind die Humusgehalte auf Bio-Flächen im Schnitt auch höher als auf konventionell bewirtschafteten.
Bio-Betriebe setzen auf den Pflug – hier ist noch Entwicklungsmöglichkeit
Bei einigen dieser Maßnahmen ist jedoch im Bio-Landbau noch Luft nach oben. So gilt etwa das Pflügen immer noch als bestes Mittel gegen mehrjährige Unkräuter wie Disteln. Beim Pflügen werden Unkrautsamen und die Wurzeln mehrjähriger Unkräuter wie Disteln in tiefere Bodenschichten vergraben, sodass sie im nächsten Jahr nicht austreiben können. Ein Nachteil des Pflügens ist, dass das Bodengefüge und das Bodenleben in den oberen Schichten, der sogenannten Ackerkrume, gestört wird. Wer auf den Pflug verzichtet, hat auf seinem Acker einen höheren Unkrautdruck. Konventionell arbeitende pfluglose Betriebe verwenden Herbizide wie Glyphosat, um diese Unkräuter abzutöten.
Bio-Betriebe bekämpfen Unkräuter mechanisch mit Egge, Hacke oder Striegel, was viel Arbeit macht, weshalb sie eher am Pflügen festhalten. Hinzu kommt, dass Ziele „wie der Erhalt der Artenvielfalt, der Bodenschutz oder das Schließen regionaler Kreisläufe auch im Öko-Landbau zugunsten ökonomischer Interessen immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden“, konstatieren die Öko-Landbau-Professoren Jürgen Heß und Christian R. Vogl in Ökologie&Landbau 2/24. Ihr Fazit: Die Debatte um die regenerative Landwirtschaft „sollte Anstoß für Bio-Betriebe sein, ihr Bewirtschaftungssystem weiterzuentwickeln“, was in zahlreichen Fällen bereits geschehe.
Warum Bio die Grundlage für regenerative Landwirtschaft sein sollte
Allerdings kosten solche regenerativen Maßnahmen – konventionell wie bio – die Landwirtinnen und Landwirte erst einmal Geld. Ein Weg, um Verbraucherinnen und Verbrauchern den Mehraufwand und damit einen höheren Preis zu kommunizieren, wäre eine Zertifizierung mit entsprechendem Label. Erste Zertifikate gibt es bereits – für Produkte aus konventioneller regenerativer Landwirtschaft mit Pestiziden, Mineraldünger und Gentechnik. Als Antwort haben in den USA der Naturkosmetikhersteller Dr. Bronner‘s, das Outdoorunternehmen Patagonia und das Rodale Institut einen bio-regenerativen Standard samt Zertifizierung ins Leben gerufen. Und Kalifornien ist dabei, regenerative Landwirtschaft für Förderprogramme rechtlich verbindlich zu definieren.
IFOAM Organics Europe hat für die anstehenden Diskussionen in Europa eine klare Position: „Regenerative Praktiken in der konventionellen Landwirtschaft zu fördern, ist löblich. Für die Verwendung von regenerativ in Markennamen oder als Zertifizierung sollten zumindest die derzeitigen gesetzlichen Anforderungen für den ökologischen Landbau als Grundlage dienen.“ Kurz gesagt: Bio muss die Grundlage für
Regenerativ sein.
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