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Sonnentor: „Plastik“ für den Kompost

Die Bio-Firma Sonnentor will weg vom Plastik. Wie sie das schaffen will, hat sich Schrot&Korn-Redakteur Manfred Loosen an Ort und Stelle angesehen.

Nicole May aus Mannheim ist es leid: Wenn sie ihre Bio-Laden-Einkäufe auf dem Küchentisch ausgebreitet und dann in Kühlschrank und Vorratsraum verstaut hat, türmt sich der Verpackungsmüll vor ihr. „Können die Bio-Hersteller bei der Verpackung nicht mehr auf die Umwelt achten?“, hat sie an Schrot&Korn geschrieben.

„Spannende Frage“, dachte sich die Redaktion von Schrot&Korn und hat mich losgeschickt. Gelandet bin ich im Waldviertel in Österreich. Dort hat der Tee- und Kräuterspezialist Sonnentor mit Philipp Korntner extra einen Chemiker eingestellt, der einen großen Teil seiner Arbeitszeit damit zubringt, perfekte Verpackungen für die Sonnentor-Produkte zu finden. Philipp Korntner erwartet mich in seinem Büro. Vor sich auf dem Tisch hat er viele Sonnentor-Päckchen aufgebaut. Damit will er mir seine „Müllvermeidungsphilosophie“ erklären: „Ich arbeite daran, für die vielen verschiedenen Produkte von Sonnentor die jeweils aromaschonendste und umweltfreundlichste Verpackung zu finden.“

Ich nehme mir eine der durchsichtigen Packungen, die vor ihm stehen: „Und warum verpackt Sonnentor dann seinen Pfeffer in Plastik-Tütchen?“ Korntner winkt lächelnd ab: „Das ist kein Plastik, sondern Cellulose“, sagt er. Schon seit zehn Jahren setze Sonnentor darauf. Cellulose-Folie ist zwar durchsichtig wie Kunststoff, wird aber aus einem nachwachsenden Rohstoff, nämlich Holz hergestellt. Das Holz stamme aus nachhaltiger Produktion: Die Wälder sind FSC- oder PEFC-zertifiziert, erzählt Korntner, werden also nachhaltig bewirtschaftet.

Sonnentor verpackt die meisten Tees und Gewürze in Cellulose. Als Kunde erkennt man das daran, dass außen auf der Verpackung steht: „Folie aus nachwachsendem Rohstoff/kompostierbar“.

In drei Monaten alles weg

Im Hauskompost löst sich eine Cellulose-Verpackung innerhalb von 45 bis 90 Tagen auf, erklärt Korntner. Je mehr Würmer und Wärme im Kompost seien, desto besser sei das für den Verrottungsprozess. Sonnentor hat viele Versuche mit Hauskompostern und Wurmkisten gemacht (siehe Fotos auf dieser Seite): Sie alle zeigten, dass nach drei Monaten von den Cellulose-Verpackungen nichts mehr zu sehen war. „Natürlich klappt das nicht, wenn Sie ausschließlich Cellulose-Tütchen in den Kompost werfen“, gibt Korntner zu bedenken. Die schnelle, rückstandslose Kompostierung sei nur möglich, wenn – wie in normalen Komposthaufen üblich – auch Obst- und Gemüsereste vorhanden seien, „eben alles, was Regenwürmer und andere Insekten gerne fressen.“

Diese Drei-Monats-Frist, nach der sich Cellulose-Tütchen aufgelöst haben, ist den meisten Müllentsorgern aber zu lang. Denn bei ihnen lagert der Kompost meist nur vier bis sechs Wochen. Dann ist Cellulose meist aber noch nicht ganz aufgelöst und müsste aufwendig ausgesiebt werden. Deshalb sind kommunale Abfallentsorger von Celluloseverpackungen in der Komposttonne nicht begeistert.

Philipp Korntner kennt das Problem. „Das ändert aber nichts daran, dass Cellulose ein Naturprodukt ist und kompostiert werden kann. Im Hauskomposter ist die Verpackung oft sogar in acht Wochen verschwunden, auf jeden Fall aber nach drei Monaten!“ Korntner sieht jetzt die Gesetzgeber, Verpackungshersteller und Abfallentsorger gemeinsam am Zug. Sie müssten einen Weg finden, Kompost mehr Zeit zu geben. „Das wäre ein großer Schritt für diese umweltgerechte Verpackung.“

Bis dahin können im Moment leider nur Menschen mit eigenem Komposter das Potenzial der Cellulose-Verpackung ausschöpfen. Alle anderen müssen die Verpackung in den „Gelben Sack“ oder die „Gelbe Tonne“ werfen – also zum Verpackungsmüll geben. Denn die Cellulose-Verpackungen von Sonnentor tragen den „Grünen Punkt“.

Wenn Cellulose verbrennt, entstehe zwar wie bei erdölbasierten Plastikverpackungen CO2, so Korntner. Der Vorteil bei Cellulose sei aber, dass die Bäume, aus denen sie hergestellt wurde, jahrelang CO2 aus der Luft gefiltert hätten. Öl, aus dem Plastik gemacht wird, könne nichts Ähnliches vorweisen.

Ungebleichte Teebeutel

In jedem Fall in die Komposttonne können die eigentlichen Teebeutel geworfen werden; sie bestehen aus Papier. Dieses wird von Korntner gerade umgestellt von gebleicht auf ungebleicht. „Auch wenn das Bleichen nicht giftig war, wir sparen damit wieder Chemie!“, freut sich Korntner. Aber so eine Umstellung sei nicht von heute auf morgen möglich. Zunächst müsse das neue Material getestet werden: Wie strapazierfähig ist es? Hält es kochendes Wasser aus? Verändert es den Geschmack des Tees? Das sind nur einige Fragen, die sich der Chemiker – und die Qualitätsprüfung – stellen. Dann müsse noch geklärt werden, ob das ungebleichte Papier langfristig in ausreichender Menge zur Verfügung stehe.

Einige wenige Tees werden bei Sonnentor noch in Polypropylen-, also „Plastik“-Tütchen verpackt. „Wir können nicht alle Produkte gleichzeitig auf kompostierbare Verpackungen umstellen“, erzählt Philipp Korntner. Doch in spätestens zwei Jahren soll es nur noch kompostierbare Tee-Tütchen geben.

Cellulose ist aber nicht das einzige Verpackungsmaterial, mit dem sich Korntner auseinandersetzt. Vor allem bei neuen Produkten ist sein Know-how gefragt: Wie muss die Verpackung aussehen, damit die Ware möglichst frisch den Kunden erreicht, aber die Umwelt geschont wird?

Dafür liest er viele Studien und Untersuchungen, die mit diesem Thema zu tun haben, entwickelt Konzepte, hinterfragt, prüft, verwirft – und fängt wieder von vorne an. „Das ist notwendig“, sagt er, „um immer auf dem neusten Stand der Forschung und der Technik zu sein.“ Und auch bei bewährten Verpackungen entwickelt Korntner Verbesserungen. Ein Beispiel: „Das Papier, in das wir Teebeutel verpacken, wird bald 20 Prozent dünner sein als jetzt, das spart Rohstoffe und Platz beim Transport.“ Daran merkt man: DasThema Verpackung endet für Sonnentor nicht bei den einzelnen Produkten, sondern es schließt auch den Versand mit ein. Weil es seit diesem Jahr auch dank Korntner und dem Logistik-Team neue, platzsparender zu befüllende Transportkartons gibt, könnten nun 30 Prozent mehr Produkte auf eine Palette gestellt werden. „Damit sparen wir viele Transportwege und damit eine Menge CO2.“

Altpapier nicht immer gut

Korntner muss auch darauf achten, dass aus der Verpackung keine – womöglich giftigen – Stoffe in das Produkt übergehen. Sind Papier und Karton für die Verpackung nötig, bestehen diese deshalb bei Sonnentor in der Regel aus sogenanntem Frischfaserkarton. Der wird aus nachhaltig angebautem Holz hergestellt. „Recyclingpapier und -karton benutzen wir nicht, wenn Tees und Kräuter mit dem Papier Kontakt haben könnten. Denn in Recyclingpapier stecken oft Rückstände von mineralölhaltigen Farben. Die gehen leicht auf die Ware über“, so Philipp Korntner. Wenn Sonnentor Verpackungen selbst bedruckt, dann nur mit Farben, die nicht auf Mineralöl-, sondern auf Pflanzenölbasis hergestellt wurden.

Schließlich ist da noch der Kaffee. Der steckt aus Aromaschutzgründen noch immer in einer Verbundverpackung aus Polypropylen (PP) und Polyethylen (PE). „Das möchten wir natürlich gerne ändern, aber eine endgültige Lösung habe ich noch nicht gefunden“, sagt Philipp Korntner. „Ich habe schon eine Menge ausprobiert und wieder verworfen. Auch andere Hersteller haben hier noch nicht die perfekte Lösung. Aber ich probier’s weiter!“, verspricht er.

Und was kann ich Schrot&Korn-Leserin Nicole May für den abfallsparenden Einkauf raten? Achten Sie darauf, aus welchem Material die Verpackung besteht. Trennen Sie, so viel es geht: Papier, Glas, Metall, Korken, „Grüner Punkt“. Wenn Sie zu Hause kompostieren, das geht auch auf dem Balkon, dann werfen Sie Ihre Cellulose-Verpackungen rein; die Würmer freuen sich; ansonsten ab in den „Grünen-Punkt“-Müll damit.

www.sonnentor.com

Hintergrund

Sonnentor: Erfolg mit Fairness, Bio und Handarbeit

Im Jahr 1988 hatte Johannes Gutmann zwei Möglichkeiten: Seine Heimat, das Waldviertel, verlassen, weil es keine Arbeit gab, oder etwas Neues machen. Er gründete „sein“ Sonnentor: Mit einer handvoll Bauern begann Gutmann, Bio-Kräuter anzubauen und zu vermarkten. Heute umfasst das Sonnentor-Sortiment mehr als 900 Produkte, die zum großen Teil noch immer aus Österreich stammen. Viele Produkte werden direkt auf den Höfen oder bei Sonnentor mit der Hand abgefüllt. „Das mag etwas teurer sein“, sagt Johannes Gutmann, „aber uns ist es wichtig, hier im Waldviertel Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern!“ Es gibt aber mittlerweile auch Lieferanten in aller Welt: zum Beispiel in Nicaragua, Albanien, Rumänien, Tansania, China. Dabei ist Gutmann partnerschaftliches, faires Wirtschaften ganz wichtig. Der kleine Ort Sprögnitz, nordwestlich von Wien, besteht gefühlt fast nur aus Sonnentor. Neben den vielen Lagerhallen sind da noch viele Brachflächen, ein Kinderspielplatz, ein Naturlehrpfad und ein Erlebnis-Bauernhof, den man besichtigen kann, der aber auch richtig bewirtschaftet wird. 50 000 Menschen kommen jedes Jahr nach Sprögnitz, um sich die Firma anzusehen. Sonnentor beschäftigt 320 Mitarbeiter.

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