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Phytoöstrogene: Pflanzliche Hormone essen

Zuerst wurden sie als Wundermittel für die Menopause und Brustkrebsprophylaxe gepriesen. Später gab's Kritik, sie seien giftig. Was können pflanzliche Hormone wirklich?

Wechseljahre ade! Und das auch noch rein pflanzlich! Dieses Versprechen kursierte lange Zeit in den Medien. „Phytoöstrogene“ hieß das neue Zauberwort. Und die Hoffnung war groß, ganz natürlich Beschwerden der Wechseljahre in den Griff zu bekommen. Denn die damals gängige Östrogen-Ersatztherapie war gerade in Verruf geraten: Bei einem Teil der Frauen, die in und nach der Menopause Östrogene erhielten, entwickelte sich offenbar gerade aufgrund der Hormongabe Brustkrebs. Eine Alternative wurde dringend gesucht.

In asiatischen Bevölkerungsgruppen mit hohem Sojaverzehr fiel die niedrige Rate an Brust- und Prostatakrebs-Erkrankungen auf. Diese begründete man mit dem hohen Gehalt an Phytoöstrogenen von Tofu & Co. Auch Wechseljahrsbeschwerden wurden bei Frauen in Japan seltener beobachtet. Bei etwa 80 Prozent der Frauen in westlichen Industriestaaten ist hingegen die Menopause mit unangenehmen Nebenerscheinungen verbunden: Hitzewallungen, gestresste Psyche, wenig oder schlechter Schlaf und Gewichtszunahme sind die hauptsächlichen Beschwerden, die Frauen ab dem Alter von 40 bis 50 Jahren den Alltag erschweren.

Isoflavone und Lignane

Phytoöstrogene sind pflanzliche Stoffe, die denen des menschlichen Geschlechtshormons Östrogen stark ähneln und im Körper teils ebenso wirken können. Die pflanzlichen Östrogen-Analoga könnten dann einspringen, wenn in den Wechseljahren die Eigensynthese der weiblichen Geschlechtshormone versiegt, hoffen die Forscher. Sie könnten Wechseljahrsbeschwerden lindern und eine Rolle im Kampf gegen Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen. Denn Östrogene hemmen den Knochenabbau und erhöhen die Konzentration des sogenannten guten HDL-Cholesterins.

Mehr als zwei Jahrzehnte forschen Mediziner, Pharmakologen und Ernährungswissenschaftler nun an Phytoöstrogenen. Die interessantesten Verbindungen in diesem Zusammenhang sind Isoflavone aus Soja oder die sogenannten Lignane aus Leinsamen und Getreide. Sehr schnell bekamen Isoflavone aus Soja und Rotklee den Ruf des „Wundermittels“ gegen Wechseljahrsbeschwerden, Osteoporose und Herz-Kreislaufleiden. Das Angebot phytoöstrogenhaltiger Nahrungsergänzungsmittel wuchs rapide. Mit gutem Zuspruch: Immerhin 16 Prozent der Frauen in den Wechseljahren greifen nach Angaben des Deutschen Krebsforschungsinstituts in Heidelberg hier zu.

Phytoöstrogene essen: Worin sind Phytoöstrogene enthalten?

  1. Asiaten essen Phytoöstrogene mit Sojaprodukten. Fermentiertes wie Tempeh oder Miso machen Isoflavone besser verwertbar. Die mikrobiellen Umbauprozesse fördern die Aufnahme.
  2. Europäische Top-Lieferanten für Phytoöstrogene: Getreide, vor allem Roggen, Ölsaaten wie Leinsamen, Sesam, Kürbiskerne, Nüsse, Gemüse wie Bohnen, Brokkoli und Spargel.
  3. Lignane sitzen unter der Schale, weshalb Vollkornprodukte reichhaltiger sind. Aus Leinsamen & Co. lässt sich die Aufnahme erhöhen, indem man die Kerne quetscht.

Kritik an isolierten Phytoöstrogenen

Dabei werden kritische Stimmen häufig überhört: „Sehr viele andere Lebensstil-Faktoren können ebenfalls für die unterschiedlichen Krebsrisiken verantwortlich sein“, gab Experte Professor Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Ins-titut (MRI) aus Karlsruhe recht früh zu bedenken. Obwohl zahlreiche Studien, sowohl an Tieren als auch an Zellkulturen, Hinweise auf die östrogene Aktivität von Isoflavonen und Lignanen und ihre krebs- und herzschützenden Effekte belegten, zeigte sich in ebenso vielen keine Wirkung, allenfalls ein Placeboeffekt. Schlimmer noch, es mehren sich Hinweise, dass isolierte Phytoöstrogene aus Soja und anderen Pflanzen sogar die Entwicklung von Krebs fördern könnten.

Zusätzlich zum fehlenden Wirkungsnachweis kam weitere Kritik auf den Tisch: Der hohe Gehalt an Genistein, das mengenmäßig wichtigste Soja-isoflavon, könne die Funktion der Schilddrüse erniedrigen, bei Jugendlichen könne der zusätzliche hormonelle Impuls zu einer verzögerten oder veränderten Geschlechtsreife führen: Männer hätten eine schlechtere Spermienproduktion. Und die Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern würde beeinträchtigt. Die Welle kippte: „Soja, Phytoöstrogene – ein Gift?“, Aussagen wie diese sorgen seither für Verunsicherung.

Bei derartiger Kritik wird nicht sauber getrennt zwischen Soja, Tofu und isolierten Isoflavonen aus Nahrungsergänzungsmitteln, bemängeln Experten wie Bernhard Watzl vom MRI. Das jedoch wäre notwendig. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, Berlin) warnt zum Beispiel in einer Stellungnahme: „Die längerfristige Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit einem hohen Gehalt an Isoflavonen ist für Frauen in und nach der Menopause nicht ohne Risiko“, relativiert aber, dass die Aufnahme von Isoflavonen im Rahmen einer normalen Sojakost bei üblichen Verzehrmengen, das heißt etwa zwei Portionen Soja pro Tag, unbedenklich ist. Säuglinge sollten jedoch nur, wenn unbedingt notwendig, und in Rücksprache mit dem Arzt auf Basis von Soja gefüttert werden.

Das Gesamte zählt

Mittlerweile gilt als gesichert, dass Equol, ein Abbauprodukt der Isoflavonoide, die eigentliche östrogene Wirkung ausmacht. „Nur etwa 25 Prozent der Frauen in Europa besitzen das Enzym für diesen Abbau. Deshalb ist Soja bei uns nicht so wirkungsvoll wie bei Asiatinnen“, erklärt Professor Ingrid Gerhard, Frauenheilkundlerin und Naturheilexpertin aus Heidelberg. „Außerdem gibt es Pflanzenhormone, zum Beispiel die Lignane aus Leinsamen und Roggen, die nicht über die Rezeptoren, sondern auf anderem Weg die Aktivität der körpereigenen Hormone verändern“, so Ingrid Gerhard. Sie empfiehlt daher den Blick auf das gesamte Lebensmittel: „Nehmen Frauen die Pflanzenhormone mit normaler Ernährung auf, konnte nicht nur ein guter Effekt auf Wechseljahrsbeschwerden nachgewiesen werden, sondern sie verbessern den gesamten Stoffwechsel.“ So würden durch sie tatsächlich die Hoffnungen erfüllt: die Blutfette gesenkt, die Glukoseverwertung verbessert, der Knochenabbau verringert und die Leistungsfähigkeit des Gehirns gesteigert. Ein eindeutiges Plädoyer also für das große Ganze: nicht der einzelne Wirkstoff zählt, sondern die Vielfalt vollwertiger Lebensmittel. Eigentlich einfach, oder?

Hormone

Sie arbeiten im Verborgenen und steuern uns: Hormone lassen uns wachsen, schlafen, wachen und halten alles im Gleichgewicht.

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