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Gentechnik ohne Kontrolle?

Jetzt wird es ernst. Die Verhandlungen über ein neues Gentechnikgesetz sind gestartet. Wird es künftig für die neuen Gentechniken keine Kennzeichnungspflichten und Risikoprüfungen mehr geben?

Stand 7. Mai 2025

Neue Gentechniken: Jetzt wird verhandelt!

Am 6. Mai haben in Brüssel die Trilogverhandlungen zur möglichen Reform des EU-Gentechnikrechts begonnen. Die EU-Kommission, das EU-Parlament und der EU-Rat beraten darüber, ob und wie die Regelungen für sogenannte Neue Gentechniken (NGT) wie CRISPR/Cas gelockert werden sollen. Die aktuellen Vorschläge deuten auf eine weitgehende Deregulierung der NGT hin.

Der Bio-Anbauverband Bioland warnt vor weitreichenden Folgen für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucher:innen. „Gentechnik, auch die Neue, hat das Potenzial, tiefgreifende Veränderungen in Organismen und Ökosystemen zu bewirken“, sagt Sabine Kabath, Vizepräsidentin des Verbandes. Sie fordert weiterhin Risikoprüfungen und Kennzeichnungspflichten. Nur so könne Wahlfreiheit für Verbraucher.innen, Bauern und Bäuerinnen gesichert werden. Kabath verweist zudem auf ungelöste Fragen beim Patentrecht: „Die Patentwelle rollt bereits. Tausende Patente auf Pflanzeneigenschaften wurden von den Agrochemie-Konzernen schon gestellt. Sie warten nur auf die Deregulierung, um Kasse machen zu können. Daher muss nun schnellstmöglich das Patentrecht angepasst werden, denn sonst wird die geplante Gentechnik-Deregulierung zusätzlich den Effekt haben, dass zahlreiche Zuchtbetriebe in Existenznot geraten und bäuerliche Betriebe noch abhängiger von Agrarkonzernen werden.“

Was sind Trilogverhandlungen?

Trilogverhandlungen sind ein informelles Verfahren im Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union. Dabei verhandeln Vertreter der drei wichtigsten EU-Institutionen – Europäische Kommission, Rat der Europäischen Union (also die Regierungen der Mitgliedstaaten) und das Europäische Parlament – über die endgültige Fassung eines Gesetzesvorschlags. Ziel ist es, einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Positionen von Kommission, Rat und Parlament auszuhandeln. Wird ein Kompromiss gefunden, müssen EU-Parlament und -Rat diesen noch formell bestätigen. Danach kann das neue Gesetz verabschiedet werden. Trilogverhandlungen haben keine zeitliche Beschränkung. Sie können Wochen, aber auch Monate dauern – je nachdem wie schnell ein Kompromiss gefunden wird.

Auch der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) warnt vor den Folgen einer Deregulierung. Vorstandsvorsitzende Tina Andres nennt drei zentrale Forderungen: Kennzeichnungspflicht, Begrenzung der Patentierung von NGT sowie Koexistenzvorgaben, die es möglich machen, sicher ohne NGT zu produzieren – zum Beispiel Abstandsvorgaben und Standortregister. „Für Bio und die gentechnikfreie Produktion steht Existenzielles auf dem Spiel“, betont Andres.

Ihre Hoffnung setzen die Bio-Verbände auf das EU-Parlament. Dieses hatte sich vorab mehrheitlich für eine Kennzeichnungspflicht ausgesprochen. Damit das Parlament diese Position beibehält hat die Kein Freiflug für Gentechnik-Initiative die Aktion „Protest-Mails an EU-Abgeordnete“ gestartet. Dafür hat die Initiative ein E-Mailing-Tool eingerichtet:

Protest-Mail an EU-Abgeordnete

Jede Stimme zählt! Jetzt mitmachen!

Mit nur wenigen Klicks könnt ihr euch aktiv für eine gentechnikfreie Landwirtschaft einsetzen: Mit Hilfe des E-Mailing-Tools könnt ihr ganz einfach und unkompliziert eine persönliche Nachricht direkt an EU-Abgeordnete eurer Wahl senden. 

Stand März 2025

Am Freitag, den 14. März 2025, hat der EU-Rat mehrheitlich seine Position zur Reform des Gentechnikrechts verabschiedet. Der Kompromisstext der polnischen Ratspräsidentschaft sieht weitreichende Erleichterungen für neue genomische Techniken (NGT) vor. Bio-Verbände und Umweltorganisationen warnen vor massiven Folgen für Landwirtschaft und Verbraucher:innen.

Grüne Gentechnik/NGT Illustration: Eine Person mit Sonnenhut und einem Stück Obst in der hand. Dabei ist eine Sprechblase, in der steht: "Warum das EU-Gentechnikrecht nicht aufeweicht werden sollte"

Neue Gentechnik: Was genau ist das? Und warum steht unsere Wahlfreiheit auf dem Spiel? Hier erfahrt ihr alles, was ihr wissen solltet.

Zum Gentechnik-Dossier von Schrot&Korn

Weniger Regulierung, weniger Kontrolle

Zentraler Punkt der Reform ist die geplante Lockerung der Auflagen für bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen. Diese sollen künftig von Risikoprüfungen und Kennzeichnungspflichten befreit werden. Kritiker:innen sehen darin eine Aushöhlung des Vorsorgeprinzips. Ohne unabhängige Sicherheitsprüfung könnten unkalkulierbare ökologische Risiken entstehen. Zudem ginge die Transparenz entlang der Wertschöpfungskette verloren.

Bio-Branche befürchtet existenzielle Bedrohung

Bioland, Demeter und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sehen die Wahlfreiheit der Konsument:innen in Gefahr. Damit Bio-Landwirt:innen und gentechnikfreie Betriebe nicht die Kosten für Schutzmaßnahmen und mögliche Verunreinigungen tragen müssen, braucht es klare Haftungsregeln. Wer gentechnisch veränderte Pflanzen auf den Markt bringt, muss auch für deren unbeabsichtigte Ausbreitung und wirtschaftliche Schäden aufkommen. 

„Bio-Unternehmen brauchen klare und rechtssichere Regeln, um gemäß den Prinzipien der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft weiterhin ohne Gentechnik wirtschaften zu können.“

Tina Andres, BÖLW-Vorstandsvorsitzende

„Auch die polnische Ratspräsidentschaft hat die für Bio existenziellen Fragen wie Koexistenz, Haftung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit sträflich ignoriert“, kritisiert BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres in einer Pressemitteilung. „Bio-Unternehmen brauchen klare und rechtssichere Regeln, um gemäß den Prinzipien der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft weiterhin ohne Gentechnik wirtschaften zu können.“
Auch die Patentfrage bleibt ungelöst: Bio-Verbände warnen davor, dass große Agrarkonzerne die Kontrolle über Saatgut weiter ausbauen und Züchter:innen in neue Abhängigkeiten geraten könnten.

Trilog-Verhandlungen: Letzte Chance für Nachbesserungen

Die Reform muss nun in den sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission finalisiert werden. Dort könnte es noch Änderungen geben. Bio-Verbände und Umweltorganisationen fordern klare Regeln für eine gerechte Koexistenz, eine Kennzeichnungspflicht und den Schutz vor Patenten auf Pflanzen. 

Sollte der Vorschlag unverändert bleiben, wäre das ein Dammbruch für die Deregulierung von NGT – mit weitreichenden Folgen für Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Verbraucher:innen. So könnten, laut Eva Heusinger von Rapunzel Naturkost, neuartige Pflanzen und deren Pollen in die Umwelt eingebracht werden, die man nicht wieder zurückholen könne, wodurch sich etwa Allergene verbreiten könnten. Darüber hinaus sei auch noch nicht klar, wie sich gentechnisch veränderte Pflanzen auf die Tierwelt und auf den menschlichen Körper auswirken.

Was ihr jetzt tun könnt

Postkarte schreiben!

Kein Freiflug für Gentechnik: Sammelbox Postkartenaktion

Sammelbox für die Postkarten an Manfred Weber, den Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament.

Kein Freiflug für Gentechnik.

Rapunzel, Demeter und viele weitere Partner sagen gemeinsam und konsequent: Kein Freiflug für Gentechnik! Werdet auch ihr aktiv und unterzeichnet die digitale Postkarte an Manfred Weber (CSU/EVP), Mitglied des Europäischen Parlaments.

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Veröffentlicht am - aktualisiert am 07.05.2025

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