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Schadstoffe auf dem Teller: Mineralöl im Essen

Woher es kommt und wie gefährlich Mineralöl in unseren Lebensmitteln ist, wird noch erforscht. Doch erste Verdächtige gibt es.

MOSH und MOAH heißen die neuen Fahndungsobjekte in Produkttests. Überall werden die beiden Substanzen mittlerweile nachgewiesen. Im Schoko-Adventskalender, im Müsli oder im Olivenöl. Wie kommen sie da rein, was gibt es für gesundheitliche Risiken und was sind das eigentlich für Stoffe?

Sowohl MOSH als auch MOAH stammen aus Mineralöl. MOSH ist die Abkürzung von Mineral Oil Saturated Hydrocarbons, das sind gesättigte Kohlenwasserstoffverbindungen. Sie finden sich zum einen durch den weltweiten Erdölverbrauch inzwischen fast überall in unserer Umwelt, zum anderen werden sie auch ganz gezielt verwendet.

Mineralöle: von der Kerze bis zum Käse

Zum bunten Gemisch der MOSH-Gruppe gehören zum Beispiel kristalline Paraffine, aus denen viele Wachskerzen bestehen. Für konventionelle Lebensmittel sind sie als Zusatzstoff E 905 zugelassen, etwa als Schale für Gouda. Auch Schmieröle, die für die Lebensmittelverarbeitung ausgelobt sind, bestehen zu großen Teilen aus MOSH. Daneben gibt es flüssige Paraffine, die im Pflanzenschutz erlaubt sind – konventionell und bio. „Im Bio-Landbau werden sie von einigen Apfelerzeugern gezielt einmal im Frühjahr eingesetzt, um Spinnmilben noch in ihren Eiern abzutöten“, erklärt Jutta Kienzle, Pflanzenschutzexpertin der Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau. „Dabei wirken die Paraffine nicht als Gift, sondern bilden einen Film, der die Poren der Eier verstopft. Da dies noch vor der Blüte der Apfelbäume geschieht, bleiben keine Rückstände.“

Als produktionsbedingte Verunreinigung enthalten MOSH oft die sogenannten MOAH (Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons). Ein komplexes Gemisch zahlreicher Einzelstoffe, über deren Gefährlichkeit und gesundheitliche Risken wenig bekannt ist. „Dazu können auch krebserzeugende Substanzen gehören“, teilt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit. Genauere Daten fehlen, zumal die Zusammensetzung des Gemischs von Fall zu Fall verschieden ist. MOSH stehen im Verdacht, sich in Lymphdrüsen, Milz und Leber anzureichern und in der Leber auch noch kleine Knötchen (Granulome) zu bilden. In Tierversuchen traten dabei auch Entzündungen auf.

Fundort Recycling-Karton

In verpackten Lebensmitteln gibt es Spuren von MOSH und MOAH seit der Erfindung von Druckfarben und Recycling-Kartons. Denn viele der Farben enthalten Mineralölbestandteile als Lösemittel für die Farbpigmente. Werden Verpackungen direkt mit solchen Farben bedruckt, können MOSH und MOAH in das Lebensmittel übergehen.

Mineralölfarben setzen auch Zeitungs- und Zeitschriftenverlage ein, wenn sie ihre Erzeugnisse drucken. Ausgelesen und gesammelt dienen die unter anderem als Rohstoff für Recycling-Kartons. Mit den Druckfarben gelangen MOSH und MOAH in den Karton und können von dort wiederum ins Lebensmittel wandern. Auch der Innenteil von Schrot&Korn wird mit mineralölhaltiger Farbe gedruckt, da bei dem verwendeten Verfahren – bezogen auf den gesamten Herstellungsprozess – der CO₂-Ausstoß geringer ist als bei mineralölfreier Farbe. Für den Umschlag wird mineralölfreie Farbe verwendet. Der bio verlag prüft regelmäßig, ob es energieeffiziente Alternativen gibt, auch beim Innenteil auf mineralölfreie Farbe umzusteigen.

Kein Grenzwert für Mineralöle

Zum Thema wurden das Mineralöl, als es dem Kantonalen Labor Zürich gelang, auch sehr geringe Spuren davon zu messen. Andere Labore griffen die Methode auf, Verbraucherschützer und Testmagazine ließen Verpackungs- und Produkt-Proben untersuchen und ab 2010 wurden MOSH und MOAH zu einem Schadstoffproblem.

Weil über die tatsächlichen Gesundheitsrisiken der Mineralölprodukte noch so wenig bekannt ist, gibt es bis heute keinen Grenzwert. Verbraucherschützer beziehen sich meist auf den Entwurf einer Verordnung, den das Bundeslandwirtschaftsministerium vor Jahren erarbeitet, aber nie verabschiedet hat. Demzufolge dürfen nicht mehr als 2 Milligramm je Kilogramm (mg/kg) MOSH aus Verpackungen auf Lebensmittel übergehen. MOAH sollen in Lebensmitteln gar nicht nachweisbar sein. Wobei „gar nicht“ 0,5 mg/kg heißt. Noch kleinere Mengen lassen sich derzeit nicht sicher nachweisen.

Auf der Suche nach Alternativen

Auch wenn es sich um so geringe Mengen handelt, ist klar: Mineralölbestandteile gehören nicht in Lebensmittel. Deshalb haben die Hersteller von Bio-Lebensmitteln einiges unternommen: Mineralölhaltige Druckfarben werden bei Lebensmittelverpackungen gar nicht mehr eingesetzt. Statt Recyclingkarton verwenden sie Kartonagen aus Frischfaser (Holz und Zellstoff). Was allerdings nur eine Teillösung ist, denn Mineralölbestandteile können sogar aus Kartonage, die nur neben Lebensmitteln lagert, ins Produkt gelangen. Außerdem kritisiert das Umweltbundesamt Frischfasern als weniger nachhaltig und umweltfreundlich. Auch gasdichte Innenbeutel aus Polyethylenterephthalat (PET) oder aus besonders fein strukturierter Zellulose können MOSH und MOAH von Lebensmitteln fern halten. Nachteile: Sie sind schlechter recyclefähig und nicht für jedes Produkt geeignet.

Mittlerweile werden außerdem in immer neuen Lebensmittelgruppen Spuren von Mineralöl entdeckt: Moringablätter, Fleischersatzprodukte oder Olivenöl. Da Recycling-Karton als Quelle der Verunreinigung inzwischen meist ausscheidet, müssen sich die Hersteller auf eine mühsame und teure Spurensuche begeben.

Übrigens: Wer regelmäßig konventionelle Lippenstifte benutzt, bei dem fallen MOSH und MOAH aus dem Essen nicht mehr ins Gewicht. Sie enthalten als Zutaten oft Stoffe aus der MOSH-Gruppe und als Verunreinigung reichlich MOAH: Stiftung Warentest fand in Tests bis zu 15 000-mal mehr als in Lebensmitteln. Bei jedem Lippenlecken gelangen die Substanzen in den Körper. Dieser Aufnahmeweg lässt sich leicht vermeiden: Naturkosmetik-Lippenstifte kommen ohne Mineralöl-Bestandteile aus.

Interview mit Professor Thomas Simat: „Auf der Suche nach der Quelle“

Schwarz-weiß Porträt von Professor Thomas Simat

Thomas Simat ist Professor für
Lebensmittelkunde an der TU Dresden mit dem
Forschungsschwerpunkt Bedarfsgegenstände.

Selbst in Olivenöl fanden Labore MOSH und MOAH. Wie kommen die in das Produkt rein?

Mineralöle lösen sich sehr gut in Pflanzenölen. Da genügt es, wenn die Frucht bei der Ernte oder das Öl bei der Verarbeitung nur kurz etwa mit Schmieröl in Kontakt kommt. Bei Oliven kann auch die Anlagerung von Umweltschadstoffen an die Früchte eine Rolle spielen. Die vielen kleinen Früchte bilden eine große Oberfläche, zudem sind sie mit einer dünnen natürlichen Wachsschicht überzogen, in der sich MOSH gut lösen.

Sind Bio-Öle besonders betroffen?

Werden Speiseöle desodoriert, also mit Wasserdampf behandelt, lässt sich dabei auch ein Großteil der Mineralölbestandteile abtrennen. Bei nativen Speiseölen, die im Bio-Bereich sehr häufig sind, fällt diese Möglichkeit weg, deshalb finden sich in nativen Ölen eher Spuren von MOSH oder MOAH.

Was kann ein Bio-Hersteller gegen Mineralöl-Belastungen ausrichten?

Belastungsquellen bei der Erzeugung und Verarbeitung lassen sich oft minimieren. Die große Herausforderung ist es, die Quelle des Eintrags zu finden. Dafür muss das Unter-nehmen seine ganze Lieferkette bis hin zum Erzeuger zurückverfolgen. Bio-Betriebe tun sich dabei durch die Zertifizierung in der Regel leichter.

Trotzdem ist der Aufwand hoch.

Ja. Das gilt oft auch für die Minimierung: Womöglich müssen Maschinen umgerüstet oder Betriebsabläufe umgestellt werden. Nicht immer sehen die beteiligten Verarbeiter solche Maßnahmen ein. Wieso etwa soll das bisher immer verwendete und sogar für medizinische Zwecke zugelassene Weißöl plötzlich nicht mehr gut sein?

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