Interview

Maria Simon: „Mehr tut uns nicht gut“

Als Olga Lenski ermittelt sie im Polizeiruf 110. Im richtigen Leben spürt die Schauspielerin Maria Simon aber nicht Mördern nach, sondern lieber dem Weg zur Zufriedenheit. Ihre Kinder habe das anfangs geärgert.

Telefonierend und mit ihrem Hund Lea an der Leine betritt Maria Simon in Kapuzenpulli und Schlabberhose das Café in Berlin-Pankow, wo wir an einem sonnigen Herbsttag verabredet sind. Sie kommt gerade vom Aikido. Wir sind sofort beim Du und plaudern so lange, bis Lea irgendwann winselt und ihr Frauchen eiligst hinauszieht.

Was ist ein gutes Leben für dich?

Da möchte ich gerne weiter ausholen, um zu erklären, warum ich mich irgendwann für bestimmte Sachen entschieden habe. Als Erstes denke ich dabei an die Generation meiner Eltern und an deren Verschwendung und Ignoranz. Ich möchte sie schon fragen: Warum habt ihr genommen, ohne zu fragen, woher das kommt? Also: Woher kommt die Banane? Warum sterben so viele Menschen auf der Welt an Hunger? Und leben wir vielleicht auf ihre Kosten? Wegen dieses Dilemmas habe ich mir irgendwann gesagt: Stopp, hier ist irgendwas falsch und wo ist eigentlich meine Verantwortung?

Also ist dein Leben ein Gegenentwurf zum Leben deiner Eltern?

Vielleicht auch eine natürliche Folge. Ich spüre ganz stark, dass meine Aufgabe als Mutter ist, diesen Kreislauf der Nachkriegsgeneration zu ändern und Verantwortung zu übernehmen.

Was versuchst du deinen Kindern mitzugeben? Hast du einen Fahrplan?

Es gibt bestimmte Themen, die sind permanent wichtig bei uns zu Hause. Wir haben zum Beispiel in den letzten fünf Jahren unser Essen und unsere Ernährung verändert. Natürlich müssen die Kinder da erst hineinwachsen. Am Anfang haben sie sich sehr geärgert über den leeren Kühlschrank oder darüber, dass sie auf bestimmte Sachen verzichten mussten. Da waren wir beide aber sehr konsequent und mittlerweile verstehen alle den Unterschied zwischen dem, was lebendige Nahrung ist und was einem guttut, und dem, was tote Nahrung ist.

Wie sieht euer Kühlschrank im Vergleich zu vor fünf Jahren aus?

Also klar, wir waren nie üppig oder so, aber mittlerweile haben wir zum Beispiel keine Wurst mehr. Dann gibt es zwei Käsesorten, die wir direkt vom Bauern kaufen, damit wir wissen, wo es herkommt. Das reicht dann aber auch schon an tierischen Produkten. Mehr tut uns nicht gut und wäre zu viel, was vom Tier genommen wird. Wir versuchen, möglichst alles regional zu kaufen. Das ist uns ganz wichtig. Zum Beispiel unser Brot: Das ist ausschließlich aus Dinkel. Unsere Milch ist auch meistens aus Dinkel oder Hafer.

Wie machst du das während der Dreharbeiten? Kannst du da deinen Ernährungsprinzipien treu bleiben?

Mittlerweile kochen die Caterer auch vegetarisch, aber natürlich nicht mit dem Gemüse, was ich gerne hätte. Das ist dann leider meistens aus dem Großhandel, logisch.

Hat man als Schauspieler da ein Mitspracherecht?

Vielleicht, wenn ich mich da jetzt sehr engagieren würde, aber das ist zu viel, das schaffe ich nicht. Was ich mache: Wir lassen uns jede Woche eine Gemüsekiste von einem kleinen Hof liefern. Und dieses Gemüse nehme ich dann mit zum Dreh. Und wenn das mal nicht geht, versuche ich trotzdem, es mir schmecken zu lassen.

War die Umstellung auf eine andere Ernährungsweise schwer für dich?

Wir werden oft gefragt, wie wir das nur machen. Aber wenn man sich erstmal einschwingt und respektvoll mit den Ressourcen umgeht, dann ist das wie so ein Code, den man sich schafft, durch den man die Chance hat, in diesem Leben richtig glücklich zu sein.

Hast du diesen Code nur im privaten Rahmen oder lebst du das auch als öffentliche Person?

Es drängt natürlich viel in mir, auch nach außen damit zu gehen. Ich habe mir schon öfter die Frage gestellt, wie ich mich engagieren und meine Popularität nutzen kann. Sonst würde diese ganze Öffentlichkeit ja auch gar keinen Sinn haben. Aber ich bin gerade so ausgebucht mit all den ganzen Sachen, die ich zu tun habe ...

Ist die Filmbranche denn anstrengender geworden in den vergangenen Jahren?

Ja, ganz extrem. Vor fünf oder sieben Jahren hatte ich noch durchschnittlich 30 Drehtage pro Film. Mittlerweile sind es ungefähr 20. Das ist wirklich enorm. Und das nicht nur beim Polizeiruf-Dreh, sondern bei jedem Film. Da wird aus Kostengründen in so eine kurze Zeit unglaublich viel hineingequetscht.

Das heißt, wie viele Stunden arbeitest du dann am Tag?

So etwa 12 bis 15 Stunden. In so einen Monat wird dann alles hineingepackt und auch davor die Arbeit ist schon hektisch. Alle sind ganz aufgerieben. So etwas halten die Menschen doch nicht mehr lange so durch.

Sollten wir vielleicht alle einfach weniger arbeiten?

Unbedingt! Und ich finde sogar, dass es Bürgergeld geben sollte. Jeder Mensch sollte 2000 Euro im Monat bekommen und dann kann man sich entscheiden, was man mit seiner Zeit anfängt. Ich meine, die Maschinen machen ja ohnehin schon sehr viel Arbeit für uns und es gibt genug Menschen, die nicht zu Hause bleiben wollen. Und ich finde auch, dass Frauen, die zu Hause bleiben, dafür Geld kriegen und diese Arbeit belohnt werden sollte. Ich habe in meinem Leben nirgendwo mehr gelernt und mich nirgendwo mehr selbst verwirklicht als mit meinen Kindern.

Du hast mal gesagt, dass deine Figur, die Polizeiruf-Kommissarin Olga Lenski, deine eigene Haltung vertritt. Was meinst du damit?

Den Polizeiruf gucken viele Millionen Menschen. Mir ist wichtig, denen etwas zu zeigen. Ich habe ja eine Aufgabe und eine Verantwortung, wenn ich da im Fernsehen auftrete. Wichtig ist mir, von Olga zu zeigen, dass sie Menschen lieb hat, dass sie unvoreingenommen und auch entschleunigt ist. Sie rast sich nicht so in die Dinge hinein. Es ist wirklich eine Freude, so eine Figur über längere Zeit zu entwickeln.

In einem der letzten Fälle von Olga Lenski ermittelte sie auf einem Öko-Hof. Hat sich nach diesem Dreh deine Haltung zu Bio irgendwie geändert?

Verfestigt vielleicht. Ich hatte ja auch davor schon an einem Permakultur-Lehrgang teilgenommen und habe auch im Garten versucht, das umzusetzen. Wir haben zwei Wochen auf dem Hof bei Angermünde lang gedreht. Das liegt in der brandenburgischen Uckermark. Und dort lebt eine großartige Gemeinschaft von acht Leuten. Ganz tolle, freundliche und bescheidene Menschen, wo jeder seine Aufgabe hat. Von so einem Leben träume ich. Es ist eigentlich ganz einfach, zufrieden zu sein.

Zur Person: Maria Simon

Die 40-jährige Schauspielerin kennen viele Fernsehzuschauer nicht nur aus Filmen wie „Goodbye Lenin“ oder „Es war einer von uns“, sondern vor allem durch ihre Rolle als charismatische Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski im Polizeiruf 110. Bis zu acht Millionen Menschen verbringen mit ihr regelmäßig den Sonntagabend auf der Fernsehcouch. Ihr Schauspielerkollege Peter Lohmeyer bezeichnete Simon denn auch als eine der besten Schauspielerinnen Deutschlands. Mit ihrem Mann, dem Schauspieler und Regisseur Bernd Michael Lade, und ihren Kindern lebt sie in einer umgebauten Kapelle in Berlin.

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