Gluten ist ja eigentlich ein nützlicher Helfer in der Küche. Das Klebereiweiß - auch Gliadin genannt - ist von Natur aus im Korn von Weizen, Roggen oder Dinkel enthalten und leistet hervorragende Dienste als Backkleister. Zusammen mit Flüssigkeit verwandelt Gluten Mehle in elastische, leicht formbare Teige. Andererseits kann der Stoff vielen Menschen und deren Familien zur Plage werden, zumal er sich in zahlreichen Lebensmitteln versteckt, vom Roggenbrot bis zur Fertigpizza.
0,5 bis 1 Prozent der Deutschen - zwischen 400.000 und 800.000 Menschen - leiden nach Angaben der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG) an Glutenunverträglichkeit, auch Zöliakie genannt. Sie können Gliadin nicht verdauen. Einzig wirksame Abhilfe schafft konsequentes Meiden des Klebereiweißes. Bioläden sind hilfreiche Begleiter auf diesem Weg. Zahlreiche Bioproduzenten haben sich auf glutenfreie Lebensmittel spezialisiert. Denn viele Zutaten, die in einer gesunden Ernährung Raum einnehmen, sind sowieso glutenfrei.
Zöliakie kurz umrissen
- Bei Zöliakie-Erkrankten kann der Dünndarm das in Getreide natürlich vorkommende Klebereiweiß (Gluten) nicht verdauen. Infolge der Unverträglichkeit entzünden sich die Darmzotten und bilden sich zurück. Die Darmzotten nehmen die Nährstoffe für den Organismus auf.
- Symptome bei Zöliakie sind Durchfall, Übelkeit, Gewichtsverlust und Müdigkeit aufgrund des Nährstoffmangels; langfristig treten auch Osteoporose und Wachstumsstörungen bei Kindern auf.
- Zöliakie entwickelt sich bereits bei Neugeborenen nach dem Abstillen oder im späteren Verlauf des Lebens.
- Einzige Abhilfe schafft glutenfreie Ernährung. Wird das Klebereiweiß nicht mehr aufgenommen, erholt sich der Darm bis hin zur vollen Funktionstüchtigkeit.
- In Verbindung mit Diabetes mellitus tritt Zöliakie gehäuft auf. Etwa fünf Prozent der Zöliakie-Patienten leiden zugleich an dieser Krankheit.
- Nähere Infos erteilt die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft (DZG). www.dzg-online.de
Eines der wertvollsten Getreide
Beispielsweise Hirse, ihrer Vitamine und Mineralstoffe wegen eines der wertvollsten Getreide der Welt. Oder die eiweißhaltigen Quinoa- und Amarant-Körner, die aus Südamerika stammen. Auch Hülsenfrüchte wie Linsen oder Kichererbsen bergen kein Gluten, das als Nährstofflieferant keine Rolle spielt. Ob es sich um ein garantiert gliadinfreies Produkt handelt, verrät das Zeichen der durchgestrichenen Ähre. Das Siegel erwerben die Hersteller als Lizenz bei der DZG.
Zum Schutz Zöliakie-Kranker verlangt die Gesellschaft permanente Nachweise, dass die Lebensmittel wirklich frei von Gliadin sind. „Voraussetzung für eine Lizenzierung sind aktuelle Analysen aller betreffenden Produkte“, sagt Anett Ebock, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der DZG. Im ersten Jahr müssen die Hersteller vier Analysen für jeden Artikel erbringen, in den Folgejahren zwei pro Jahr. Weil selbst kleinste Mengen des Eiweißes ein Risiko darstellen, lassen die Produzenten jede Charge prüfen. „Die Messmethoden sind so ausgereift, dass schon geringste Spuren nachgewiesen werden können“, versichert Angelika Welz vom Qualitätsmanagement beim Babykost-Hersteller Holle. Trotz der hohen Anforderungen, die Produzenten erfüllen müssen, bietet der Markt eine breite Auswahl: Etwa 45.000 Artikel tragen derzeit das Ährenzeichen.
Rückstände belasten zusätzlich
Was aber spricht speziell für Glutenfreies in Bioqualität? Ein wichtiges Argument ist, dass Bioprodukte keine künstlichen Zusatzstoffe und Rückstände von Mitteln zur Düngung sowie zur Schädlings- und Unkrautbekämpfung enthalten. Diese Stoffe würden den angeschlagenen Darm eines Zöliakie-Kranken nur zusätzlich belasten. Auch gewährleisten die Methoden des Bioanbaus höhere Nährwerte, welche die schonende Verarbeitung der Naturkost-Hersteller obendrein besonders bewahrt.
Weiterer Vorteil: Viele Bioanbieter verzichten darauf, glutenfreie Weizenstärke zuzugeben. Sie wird durch Auswaschen des Gliadins aus glutenhaltigem Getreide gewonnen und bildet ein reines Kohlehydrat ohne sonstigen Nährwert. „Vollwertkost ist gerade bei Zöliakie ratsam, weil der Darm den Organismus aufgrund der Krankheit nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt“, sagt Karl-Otto Werz von der Naturkornmühle Werz. Seit 20 Jahren stellt das Unternehmen glutenfreie Produkte her.
Auf der Suche nach neuen Backmischungen stoßen Hersteller auch auf Altbewährtes. Die Firma Pural etwa bietet ein Schnittbrot mit Buchweizen an. „Natürlich haben glutenfreie Brote einen etwas anderen Geschmack und eine festere Konsistenz als herkömmliche“, sagt Stefanie Haupt, die im Vertrieb von Rosengarten tätig ist. Allerdings entwickelten sie ein eigenes, herzhaftes Aroma.
Auch das Gelingen beim Selbstzubereiten ist kein Problem. Die Firma Bauckhof schwört auf ihre 3-Korn-Waffeln: „Die sind im Nu angerührt und in wenigen Minuten auf dem Teller.“ Gelegentlich macht den Unterschied auch die Erfahrung. So weiß man bei der Firma Schnitzer: „Wer bei Kartoffelbrot wenigstens drei Kartoffeln verwendet, braucht kein Bindemittel hinzuzufügen.“ Ein Bier aus glutenfreiem Gerstenmalz stellt Neumarkter Lammsbräu her. Dem Edel-Pils entzieht die Biobrauerei nach dem Brauprozess den Eiweißstoff. „Das Bier schmeckt herb, fast wie ein Pils“, sagt Annett Sachs von Lammsbräu.
Vorsorge und Technik
Glutenhaltige und glutenfreie Rohstoffe lagern getrennt. Kommt es doch einmal zu einer Mischung, wird eine Reinigungstechnik eingesetzt, bei der abweichende Größen etwa von Weizen- und Roggenkörnern und Hirse oder Reis erkannt werden.
Glutenfreie Lebensmittel

Zöliakie-Betroffene können Folgendes risikolos genießen: Obst und Gemüse, Kartoffeln, Salate, Milchprodukte mit glutenfreien Zutaten, Pflanzenöle, Fleisch, Fisch, Zucker, Honig, Nüsse, Hülsenfrüchte, Gewürze und Kräuter. Glutenfrei sind die Getreide und getreide- ähnlichen Feldfrüchte Reis, Mais, Hirse, Buchweizen, Amarant, Quinoa, Sesam, Mohn und Leinsamen. Viele verarbeitete Produkte enthalten ebenfalls kein Gliadin. Allerdings gewähr- leistet nur die Lizenz der DZG ausreichend Schutz vor unerwünschten Vermengungen. Glutenhaltig sind Roggen, Weizen, Gerste, Dinkel, Grünkern, Einkorn, Kamut und Seitan.
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