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Krisenzeiten: Welche Antworten hat die Bio-Branche?

Steigende Energiepreise, knappe Rohstoffe, dazu noch die Klimakrise ... Wir wollten wissen, wie es Unternehmen aus der Bio-Branche damit geht. Neun Statements.

Die aktuellen Krisen stellen uns alle vor große Herausforderungen. Privatleute ebenso wie Betriebe. Das war auch Ende Juli auf der BioFach in Nürnberg zu spüren, wo sich Bio-Unternehmen aus aller Welt trafen. Wir wollten genauer wissen, wie es den Akteuren der Bio-Branche geht. Deshalb haben wir Ladnerinnen und Ladner, Unternehmen, Landwirtinnen und Landwirte befragt – von Drebber in Niedersachsen bis Sprögnitz in Österreich: Welche der vielen Krisen trifft euch besonders? Was stresst euch am meisten? Und: Wie stellt ihr euch in diesen Zeiten krisenfest auf?

Bio-Laden: „Positiv nach vorne blicken“

„Als Bio-Laden, Bistro und Lieferdienst sind Energiekosten für uns ein Thema. Optimiert über eine energetische Sanierung hält eine jährliche CO₂-Bilanz das Thema lebendig. Wir arbeiten seit langem mit regionalen Partnern, Lieferprobleme betreffen uns zurzeit nur am Rande. Unser Krisenrezept: Positiv nach vorn blicken, weiterhin Qualitätsarbeit machen, Vernetzen, Austausch und Sinnhaftigkeit pflegen über Mitgliedschaften, zum Beispiel mit Ökokistenverband, Bündnis für Enkeltaugliche Landwirtschaft, Gemeinwohlökonomie...“ Felix Neumann, Grünland der Bioladen

Hersteller: „Die Energiekosten explodieren“

„Die größte Herausforderung werden die explodierenden Energiekosten sein. Allein für unseren 100%igen Öko-Strom sind die Kosten bisher um über 50% gestiegen, ebenso die Preise für Öl und Gas für unsere Flockenmühle sowie die Treibstoffkosten für unseren Fuhrpark und die Speditionen. Die Kosten für unsere nachhaltigen Verpackungen aus 100% Papier sind ebenfalls um bis zu 30% gestiegen. Wir versuchen dies durch moderate Preisanpassungen sowie durch ein stringentes Kostenmanagement zu steuern.“ Charlotte Ruck, Spielberger Mühle

Erzeuger: „Wir sind ein Tausendfüßler“

„Wir sind seit 1964 ein Bio-Hof und durch viele Krisen geprüft. Längst haben wir uns in Vielfältigkeit spezialisiert; wir sind ein Tausendfüßler. Durch über 70 verschiedene Produkte, die wir nach Demeter-Richtlinien anbauen, sind unsere Böden bestens gegen Extremwetter gerüstet. Betrieblich setzen wir auf Hofküche, -konditorei und -laden, 17 Wochenmärkte, die gesunde Landwirtschaft und die tolle Belegschaft. Mit dem Konzept sind wir Sieger des Bundeswettbewerbs ökologischer Landbau 2022 geworden.“ Lothar Tolksdorf, Biohof Bursch

Bio-Laden: „Im Austausch bleiben“

Sylvia Haslauer

„Unser Rezept gegen die Krisen: Bei uns wird viel gelacht, das Betriebsklima ist bestens und wir haben keine Schulden. Wichtig ist, mit den Kund:innen im Austausch zu bleiben. Normalerweise ist das auch kein Problem, doch zurzeit fallen so viele Arbeitskräfte wegen Krankheit aus. In punkto Energiekosten sind wir gut aufgestellt, weil wir schon viel auf LED und sparsame Kältetechnik umgestellt haben. Außerdem ist unser Laden in einem altem Gebäude mit dicken Wänden. Im Sommer ist es hier kühl und im Winter müssen wir nur wenig heizen.“ Sylvia Haslauer, BioMarkt La Vida

Hersteller: „Wir setzen auf Öko-Strom“

„Wir arbeiten in unseren Werken zu einem großen Teil mit erneuerbaren Energien, um unsere Abhängigkeit von Gas zu reduzieren. Über alle Standorte hinweg setzen wir auf 100% Ökostrom aus der Region – aus Wasser, Sonne, Biomasse und Wind. Zudem können wir durch Prozessoptimierungen Energien einsparen. So haben wir die Chargengröße bei Fruchtprodukten erhöht und eine Einsparung von 20% Energie pro Kochung erzielt.“ Eike Mehlhop, Allos Hof-Manufaktur

Erzeuger: „Wir arbeiten autark“

Simon Fink

„Wir erzeugen Speisegetreide aus Dinkel, Emmer, Einkorn und Roggen und verarbeiten dieses in unserer neu gebauten hofeigenen Mühle selbst. Etwa die Hälfte dieser Erträge verbacken wir in unserer eigenen Bäckerei zu Brot, das wir im Hofladen und auf dem Bauernmarkt verkaufen. Vor dieser Umstellung haben wir unser gesamtes Getreide an eine Mühle verkauft und waren abhängig vom Weltmarktpreis. Heute arbeiten wir weitgehend autark. Das einzige, was mir etwas Sorge bereitet, ist der gestiegene Dieselpreis. Zudem haben wir in eine zusätzliche Photovoltaik-Anlage und ein Speichersystem investiert.“ Simon Fink, Biohof Finkennest

Hersteller: „Sorge macht uns der Fachhandel“

„Da wir sehr viel direkten Handel betreiben, sind unsere Lieferketten stabil und unsere Energieversorgung können wir dank unserer eignen Photovoltaikanlage zu 50% selbst decken. Was wir jedoch mit Sorge beobachten, sind die Veränderungen im Bio-Fachhandel. Viele kleine Geschäfte werden nicht mehr weitergeführt. Wir hoffen, dass die bestehenden Läden von ihren Stammkundinnen und -Kunden, die auf die Beratung vertrauen, unterstützt werden. Dieser persönliche Austausch zeichnet den Bio-Fachhandel aus.“ Johannes Gutmann, Sonnentor

Erzeuger: „Getreide-Zukauf kostet inzwischen ein Vielfaches“

Stephanie Strotdrees

Unsere größte Sorge lautet aktuell: Auf welche Wiese treiben wir die Kühe, um ihnen wenigstens etwas Gras zum Knabbern anzubieten und einen Schattenplatz zu gewähren. Jeder Getreide-Zukauf kostet inzwischen ein Vielfaches. Als Milchlieferantin bin ich zudem in Abhängigkeit von Molkereien. Um eine stärkere Verhandlungsposition zu haben, sind wir in einer Milcherzeugergemeinschaft organisiert. Wir haben auch begonnen, Käse im Lohn verarbeiten zu lassen. Damit haben wir ein tolles Produkt in unserem Hofladen und können somit mehr Einfluss auf den Erlös unserer Milch nehmen. Stephanie Strotdrees, Bioland-Hof Strotdrees

Bio-Laden: „Stammkunden stimmen uns hoffnungsvoll“

Boris Frank

„Was wirklich an den Nerven zerrt, ist die ungewisse Planung. Sich quasi täglich auf veränderte Situationen einstellen zu müssen, ist eine riesige Herausforderung. Wir haben viele Nachhaltigkeitsprojekte realisiert und unsere Sorge ist, dass dieser Prozess für unsere Umwelt und die Generationenzukunft verlangsamt wird. Wo wir eh keine Zeit zu verlieren haben, den Klimawandel und die Erderwärmung aufzuhalten. Gerade jetzt zeigen uns aber unsere Stammkunden, dass ihnen Nachhaltigkeit nach wie vor wichtig ist. Das stimmt uns hoffnungsvoll.“ Boris Frank, Bio Company

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