Eigentlich wollte ich ja mal wieder was Lustiges schreiben. Ein paar launige Sätze über die Herausforderung, einen Freundeskreis aus Brokkolihassern, Gluten-Freien, Fleischfans und Nudelnörglern mit einem perfekten Menü zu bekochen. Oder etwas über meinen bayrischen Bekannten, einen Hardcore-Öko, der nur barfuß läuft und seinen selbst gemachten Kräutertee im Winter aus geschmolzenem Schnee bereitet. (Schmeckt übrigens wie, nun ja, geschmolzener Schnee.)
Aber ich bin genervt. Seit Monaten lese und höre ich, was für Naivlinge wir (ich darf doch „wir“ sagen?) Bio-Käufer sind. Ich fasse die Litanei mal zusammen: Der typische „Bio“ glaubt, er verbessere die Welt durch den Kauf von ungespritzten Karotten. Den Regenwald rettet er, indem er Bier von Krombacher trinkt, und natürlich geht er auch davon aus, dass das Schwein in seiner Bio-Mettwurst ganz sanft totgestreichelt wurde. Fazit einer großen deutschen Sonntagszeitung: „Bio kaufen ist dumm.“
Einmal abgesehen von der Frage, wie schlau es ist, sich „Zitronen“kuchen ohne Zitrone oder „Käse“pizza mit Pressfettkäseersatz andrehen zu lassen und auch die sonstigen Lügen der Lebensmittelindustrie zu glauben, nervt mich die erstaunlich unwidersprochene These vom unpolitischen Bio-Konsumidioten. Angeblich hat der ja nur die eigene Gesundheit und das gute Gewissen im Kopf.
Sie erkennen sich in diesem Zerrbild auch nicht wieder? Das wundert mich nicht. Die Entscheidung für Bio-Lebensmittel ist so politisch wie Konsum-Entscheidungen nur sein können. Auch wenn die Bio-Branche längst nicht so ökologisch und moralisch korrekt ist, wie sie sein könnte, signalisieren wir durch das Nachdenken über die Zusammenhänge unseres Konsums, dass es uns eben nicht egal ist, was mit unserer Welt passiert. Wir wollen wissen, wie wir uns ernähren, kleiden, fortbewegen können, ohne dass Menschen dafür ausgebeutet werden und die Umwelt ruiniert wird. Selbst die Welternährungsorganisation der UNO beschreibt mittlerweile den ökologischen Landbau als zukunftsträchtigste Form der Landwirtschaft.
Die Unlogik der „Bio-kaufen- ist-dumm“-Schwätzer
Natürlich sorgt Bio allein noch nicht für eine gerechtere Welt, für das „große Ganze“, das uns angeblich immer aus dem Blick gerät. Und auch mir ist klar, dass ich mit meinem Fairtrade-Schokoriegel, den ich gerade esse, den ungerechten Welthandel nicht in die Knie zwingen werde. Aber darf ich nicht in meinem kleinen Konsumbereich schon mal damit anfangen zu demonstrieren, dass mir – zum Beispiel – weder die konventionelle Lebensmittelindustrie noch die globalisierte Modewirtschaft gefällt? Ganz simpel gefragt: Wie kommen diese „Bio kaufen ist dumm“-Schwätzer eigentlich darauf, dass man automatisch das „Große“ aus dem Blick verliert, wenn man auch das „Kleine“ tut? Wir fangen doch gerade erst an.
Fred Grimm
Der Hamburger Fred Grimm schreibt seit 2009 auf der letzten Seite von Schrot&Korn seine Kolumne über gute grüne Vorsätze – und das, was dazwischenkommt.. Als Kolumnist sucht er nach dem Schönen im Schlimmen und den besten Wegen hin zu einer besseren Welt. Er freut sich über die rege Resonanz der Leser und darüber, dass er als Stadtmensch auf ein Auto verzichten kann.
Kommentare
Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.