Essen

Können Bürgerräte die Ernährungswende beschleunigen?

Mit dem Bürgerrat für Ernährung testet die Bundesregierung, wie sie die Gesellschaft stärker an Ernährungspolitik beteiligen kann. Was braucht es, damit die Vorschläge etwas bewegen?

Wie wir uns ernähren, ist erstmal sehr individuell. Aber die Entscheidungen, die wir beim Einkaufen treffen, wirken sich auch auf die gesamte Gesellschaft aus. Wie politisch Essen ist, wird deutlich, wenn wir uns zum Beispiel fragen:

Dass Essen politisch ist, zeigt auch die Entscheidung des Bundestag, seinen ersten Bürgerrat dem Thema „Ernährung im Wandel“ zu widmen: Es ist der Versuch, möglichst viele Menschen und ihre Ideen zu Fragen der Ernährungspolitik zu hören. Die Teilnehmenden diskutieren ab September in drei Wochenend- und sechs Onlinesitzungen, zum Beispiel über Tierwohl, Food Waste und Steuern auf Lebensmittel. Die Kernfrage: Wo soll der Staat beim Thema Ernährung aktiv werden und wo nicht? Im Februar 2024 legt der Bürgerrat dem Parlament dann Empfehlungen vor.

Ernährungswende: Warum Essen politisch ist

Zu ungesund, zu viel Fleisch ... der Ruf nach einer ‚Ernährungswende‘ wird immer lauter. Doch was ist das eigentlich? Eine Annäherung.

Ernährungswende: Warum Essen politisch ist

Bürgerräte: Annäherung für Politik und Bevölkerung

Das Netzwerk der Ernährungsräte Deutschland nennt den Bürgerrat einen „wichtigen ersten Schritt auf dem Weg zu mehr Ernährungsdemokratie“, der dazu beitragen könne, neues Vertrauen in die Demokratie zu schaffen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert eine ergebnisoffene Debatte: Der Bürgerrat solle seine Vorschläge nicht auf bundespolitisch realisierbare Vorhaben eingrenzen, sondern „out-of-the box“ denken und dabei das Gemeinwohl als oberste Priorität im Fokus haben. „Es ist eine mutige und richtige Entscheidung, das Thema Ernährung nicht hinter verschlossener Tür zu diskutieren, sondern mit einem Bürgerrat einen modernen, partizipativen Prozess zu wagen“, kommentiert auch der Verein Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller.

Ein probates Mittel gegen Politikverdrossenheit ist das Format sicher: Bürgerräte können Politik und Bevölkerung einander näher bringen und bilden die Meinung der „stillen Mehrheit“ ab. Gerade bei komplexen und emotionalen Themen wie der Ernährung ist dieser Gesellschaftsdialog essentiell. Die Entscheidungen trifft weiter das Parlament. Es muss allerdings nicht öffentlich Stellung zu den Vorschlägen beziehen – wie es beispielsweise in Belgien gehandhabt wird. Oder in Irland, wo aus den Vorschlägen von Bürgerräten Volksabstimmungen entstehen.

Öffentlicher Diskurs statt Schubladen-Denken

Ob der Bürgerrat hierzulande also in der Praxis die Ernährungswende voranbringt, muss sich zeigen. 2021 organisierte ein Verein unter Schirmherrschaft des Ex-Bundespräsidenten Horst Köhler und mit viel Medienbeachtung den Klima-Bürgerrat. Doch von dessen Empfehlungen – unter anderem ein sofortiges generelles Tempolimit – setzte die Politik nichts um.

Damit den Ideen des Bürgerrats für Ernährung nicht Ähnliches droht, müssten die Vorschläge über den bloßen Empfehlungscharakter hinausgehen. Mindestens, indem sie allen in einer öffentlichen Debatte vorgestellt und diskutiert werden.

Was ist der Bürgerrat?

Diese neue Form der direkten Demokratie und des Bürger-Dialogs haben die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen. Zum Rat gehören 160 Teilnehmende, ausgewählt per mehrstufigem Zufallsverfahren. Ein Algorithmus soll garantieren, dass der Rat hinsichtlich Alter, Geschlecht, regionaler Herkunft, Ortsgröße und Bildungshintergrund ein Spiegelbild der Gesellschaft ergibt. Weil es um Ernährung geht, soll außerdem der Anteil der Vegetarier:innen und Veganer:innen an der Bevölkerung abgebildet werden. Der Bürgerrat wird begleitet von einem Beirat aus elf Wissenschaftler:innen.

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