Essen

Knabberspaß statt Krankenkost

Für Generationen von Kindern war Zwieback das Erste, was es zu essen gab, wenn sie sich mal gründlich den Magen verdorben hatten. Kein Wunder, dass die knusprigen Scheiben bei Vielen noch immer als Schonkost und Kinderkram gelten.

Für Generationen von Kindern war Zwieback das Erste, was es zu essen gab, wenn sie sich mal gründlich den Magen verdorben hatten. Kein Wunder, dass die knusprigen Scheiben bei Vielen noch immer als Schonkost und Kinderkram gelten. Zu Unrecht, denn früher war Zwieback auch etwas für starke Männer.

Namen wie Schiffszwieback oder Feldzwieback weisen noch darauf hin, dass das Hefegebäck in vergangenen Zeiten eine andere Funktion hatte, als Magenkranken wieder auf die Beine zu helfen. Es diente als eiserne Ration für lange Seereisen und Kriege, als eine Art Konservenbrot. Seine lange Haltbarkeit und seinen Namen verdankt der Zwieback der aufwändigen Herstellung. Der Hefeteig wird zweimal gebacken, ist dadurch staubtrocken und bleibt das auch, wenn er wasserdicht verpackt wird. Diese traditionelle Methode, um Brot vor Schimmel und Verderb zu schützen, kannten schon die Griechen. Bei ihnen hieß das Gebäck "Dipyrital", die Römer nannten es "panis frixus". Das deutsche Wort Zwieback tauchte um das Jahr 1450 im Kölner Raum auf — als "zweygeback", also zweifach Gebackenes. Und so definiert ihn heute noch das deutsche Lebensmittelbuch: "Zwieback ist ein durch zweimaliges Erhitzen meist unter Verwendung von Hefe hergestelltes knuspriges Gebäck."

Wer Zwieback selbst backen will, muss in sehr alten Kochbüchern suchen, um noch ein Rezept zu finden. Denn schon in den 20-iger Jahren des letzten Jahrhunderts kam die früher durchaus übliche Herstellung zu Hause aus der Mode. Industriell gefertigte Knusperscheiben eroberten den Markt, von deren oranger Verpackung rotbackige Kinder lächelten. Der Markenname Brandt wurde zum Synonym für Zwieback. Firmengründer Carl Brandt automatisierte den Herstellungsprozess, erfand die heute noch verwendete Zwiebackschneidemaschine und entwickelte eine wasserfeste Tüte, die die bis dahin üblichen unhandlichen und schweren Wellblechdosen als Verpackung ablöste.

An der Herstellung hat sich seither nur wenig geändert. Sie ist aufwändig und dauert zwei Tage. Der Teig besteht in der Regel aus Weizen- oder Dinkelmehl, Wasser, Hefe und Fett in Form von Pflanzenöl oder Butter. Als Gewürz dienen je nach Geschmack Salz, Honig oder Rohrohrzucker. Milchpulver und Eier, die sich in den konventionellen Rezepturen ebenfalls finden, werden von den Bio-Bäckern nicht eingesetzt. Der Hefeteig wird nach dem Gehen flach ausgewalzt und von einer eigenen Maschine anschließend wieder zu einem Strang aufgerollt. Aus vier oder fünf solcher Stränge wird ein Zwiebacklaib geformt. Diese Prozedur bewirkt, dass sich die für die Struktur typischen feinen Poren gleichmäßig im ganzen Zwieback verteilen.

Nach einem ersten Backdurchgang von einer halben bis ganzen Stunde und Temperaturen von 160 bis 220 Grad hat der so genannte Einback eineinhalb Tage Zeit zum Abkühlen. Danach wird er in Scheiben geschnitten und nochmals im Ofen bei hohen Temperaturen geröstet. Dabei erhält er sein typisches feines Aroma, die brüchige Struktur und wird staubtrocken. Drei bis fünf Prozent Feuchtigkeitsgehalt hat das Gebäck jetzt noch. Bei frischem Brot sind es 45 Prozent. Durch die Art der Herstellung ist Zwieback auch gut verdaulich. Die Scheiben lassen sich im Mund leicht zerkleinern und gelangen gut eingespeichelt in den Magen. Sie sind relativ fettarm und reich an Kohlenhydraten. Die Nährwerttabellen geben Eiweißgehalte zwischen 8 und 14 Prozent an; Fett liegt bei 6 bis 9 Prozent und die Kohlenhydrate haben mit 60 bis 75 Prozent den höchsten Anteil.

Der Gehalt an Mineralstoffen aber auch an Ballaststoffen hängt wesentlich vom verwendeten Mehl ab. Im Bio-Zwieback ist reines Vollkornmehl inzwischen selten geworden. Die meisten Hersteller verwenden teilausgemahlene Mehle oder Mischungen mit etwas Vollkornanteil. Sönke Zillmann, Verkaufsleiter bei der Erdmannhauser GmbH, nennt dafür technische Gründe: "Bei den hohen Temperaturen werden die Schalenanteile in reinem Vollkornmehl schneller dunkel, brennen also leicht an. Dadurch bilden sich Reizstoffe, so dass der Geschmack und die Bekömmlichkeit nicht mehr so gut sind."

Für Karl-Otto Werz ist das eher ein Problem der hohen Automatisierung, weil spezielle Zwieback-Backstraßen mit Vollkorn nicht so gut zurecht kommen. Die Naturkornmühle Werz war der erste Bio-Hersteller, der einen Vollkornzwieback auf den Markt brachte und ist damit auch heute noch fast konkurrenzlos. "Natürlich wird der Zwieback mit vollem Korn etwas kompakter, nicht ganz so feinporig und kräftiger im Geschmack", sagt Werz. Dafür enthalte er auch alle Vitalstoffe des vollen Korns. Dinkel-Vollkorn pur setzt auch die Firma Kornkammer Flemming ein. Allerdings wird daraus aus produktionstechnischen Gründen kein klassischer Zwieback, sondern Crossys in Brödli-Form.

Weizen ist bei den Bio-Bäckern das wichtigste Zwieback-Getreide, doch auch Dinkel kommt bei Erdmannhauser, Kornkammer und Werz zum Einsatz. Werz bietet zudem auch einen glutenfreien Vier-Korn-Zwieback an. Bei Allos kommt zusätzlich Amaranth, das "Gold der Azteken", in den Teig. Das Getreide und meist auch die anderen Zutaten stammen bei vielen Herstellern aus biologisch-dynamischen Anbau. Eine besondere Geschmacksnote bringt Butter in den Zwieback, weswegen sie in den meisten Rezepturen und manchmal sogar im Produktnamen auftaucht. Erdmannhauser und Weber bieten jeweils eine Variante mit Pflanzenfett als Alternative an, auch bei Allos kommt pflanzliches Fett zum Einsatz. Bei der Naturkostmühle Werz ist nicht nur der Zwieback, sondern das ganze Sortiment frei von tierischen Fetten und Eiweißen. Damit die Knusperscheiben trocken und knackig bleiben, müssen sie feuchtedicht verpackt werden. Bio-Hersteller verwenden dafür entweder Faltschachteln aus Altpapier mit zwei oder drei Portionspackungen aus PP-Folie, oder sie setzen beschichtete Papiertüten ein.

Rotbackige Kindergesichter lächeln nicht von der Verpackung. Selbst Babykosthersteller sehen Zwieback nicht als typische Kindernahrung. "Das knabbern auch die Mütter gerne", sagt Udo Fischer von Holle. Bei Runge wird das Gebäck nicht zusammen mit Babybrei vermarktet, sondern gehört zu Brödli und Knäckebrot. Sönke Zillmann sieht das genauso: "Zwieback ist viel mehr Knäckebrot als Babykost", sagt er und berichtet von den Niederlanden. "Dort heißen die Scheiben Toasties und werden mit Lachs oder Käse gegessen." Auch Karl-Otto Werz berichtet von Kunden, die seine Scheiben als Unterlage für Käse oder Wurst verwenden. Zwieback als Alternative zu Knäckebrot und Kräcker heißt also der Trend. Aus der früheren Schonkost für Magenkranke könnten also wieder Häppchen für starke Frauen und Männer werden.

Zwieback im Naturkosthandel

Anbieter

Bezeichnung

Zutaten/Verarbeitung

Allos

Amaranth Zwieback

Weizenvollkornmehl*, Amaranthmehl* 20 %, Rohrohrzucker*, ungehärtetes Pflanzenfett*, Hefe, Meersalz, Sojavollmehl*, Malz*, Acerola Fruchtpulver

Erdmannhauser

Dinkel Wolkenzwieback

Dinkelmehl Typ 1050 und 550*, Butter*, Hefe, Speisesalz

Butterzwieback

Weizenmehl Typ 550*, Rohrohrzucker*, Butter*, Hefe, Salz

Weizenzwieback mit Vollkornschrot

Weizenmehl Typ 550*, Weizenvollkornschrot*, Palmfett*, Hefe, Salz

Holle

Demeter Butter-Zwieback

Weizenmehl*, Weizenvollkornmehl*, Honig*, Butter*, Hefe, Meersalz

Kornkammer

Vollkorn Dinkel-Crossy

Dinkelvollkornmehl*, Butter*, Hefe, Meersalz, Emulgator Lecithin, Kardamom*

Naturkornmühle Werz

4-Kornzwieback glutenfrei

Mais*, Reis*, Hirse*, Buchweizen*, Palmöl*, Wasser, Verdickungsmittel Guarkernmehl, Meersalz, Weinstein-Backpulver, Hefe

Dinkel-Zwieback ungesüßt

Dinkelvollkornschrot*, Palmöl*, Wasser, Meersalz, Hefe

Dinkel-Zwieback mit Honig

Dinkelvollkornschrot*, Palmöl*, Bienenhonig*, Wasser, Meersalz, Hefe

Runge

Bioland-Zwieback

Weizenvollkornmehl*, Weizenmehl Type 550*, Butter*, Hefe, Weizenmalzmehl*, Meersalz

Weber

Butter-Zwieback aus Demeter-Weizenmehl

Weizenmehl*, Rohzucker*, Butter*, Hefe, Weizeneiweiß*, Meersalz

Zwieback mit Demeter-Weizenschrot

Weizenmehl*, Weizenvollkornschrot*, Pflanzenfett, Hefe, Weizeneiweiß*, Meersalz

*kontrolliert biologischer Anbau

Neben den bundesweiten Anbietern gibt es auch einige regionale Bio-Bäckereien, die Zwieback im Sortiment führen, etwa die Vollkornbäckerei Ährensache, die 20 Läden in Köln und Umgebung beliefert.

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