Essen

Kindergeburtstag

'Mama

"Mama, bitte nicht!" Wer einen Kindergeburtstag vorbereitet und für seine kleinen Gäste nur das Beste möchte, erntet nicht immer die pure Begeisterung. Mag sein, daß der eigene Sprößling mit Vollwertkost aufgezogen wurde und in der Regel das ißt, was daheim auf den Tisch kommt. Aber bei einem Kindergeburtstag herrschen andere Gesetze.

Kinder wissen schon sehr früh, was sie essen wollen. Gerade mal groß genug für den Kindergarten, erkennen 68 Prozent das Marken-Logo von Milka, wissen 44 Prozent der Drei- bis Vierjährigen, was Coca-Cola ist. Ähnlich vertraut sind ihnen McDonalds und Kinder-Schokolade. So das Ergebnis einer Repräsentativ-Untersuchung der Dole Fresh Fruit Europe Ltd & Co. von 1995. Was also tun, wenn der nächste Kindergeburtstag ansteht? Die eigenen Vollwert-Pläne durchsetzen und damit riskieren, daß das Fest für die kritischen Gäste zum kulinarischen Reinfall wird? Oder klein beigeben und alles besorgen, was das fastfood-verwöhnte Schleckermaul begehrt? Die Gäste fordern Berliner, Würstchen, Pommes, Ketchup, obendrauf Bonbons, Mohrenköpfe und Schokolade. Dieser Wille ist für den kleinen Gastgeber Befehl, will er vermeiden, von seinen Kumpels als komischer Öko-Fuzzi in die Ecke gestellt zu werden.

Der Frage, was Kinder gerne essen gehen viele Wissenschaftler nach. "Das Lebensmittel muß sich im Mund gut anfühlen, muß knistern, knacken, schön weich sein. Das Produkt muß schön geformt, abwechslungsreich, lustig sein, die Berührung muß Spaß machen," berichtet Ingo Barlovic vom Marktforschungsinstitut iconkids & youth in der Zeitschrift Ernährungs-Umschau. Und: "Es muß eine spezielle Erlebniswelt bieten, die Phantasie stimulieren." Schöne Theorie, aber was heißt das in der Praxis?

"Wichtig ist die Dekoration, weniger der Inhalt," hat Sabine Herdlitschka festgestellt. Die sechsjährige Jana und ihr achtjähriger Bruder Timo waren jedenfalls begeistert vom Kuchenschiff ihrer Mutter und auch vom Autokuchen. "Dafür backe ich Kuchen in einer Kastenform. Das Schiff wird mit Spießen, bunten Schnüren und Fähnchen dekoriert." Gummibärchen werden als Matrosen abkommandiert. Fürs Auto hat Sabine Herdlitschka den kastenförmigen Kuchen auseinandergeschnitten und entsprechend wieder zusammengefügt und Frucht-Doppelkekse als Räder drangeklebt.

Im Rührteig, Mürb- und Quark-Öl-Teig ist Vollkornmehl für kleine Gäste anscheinend auch kein Problem. "Statt Honig nehm ich zum Süßen inzwischen hellen Rohrohrzucker, da meine Kinder mit Honig gesüßtes nicht mögen" gesteht Lisbeth Sattler-Möller, die 22 Jahre lang in Tübingen einen Naturkostladen geführt und vier Kinder zwischen sechs und 20 Jahren hat. Puderzucker zum Bestäuben oder als Grundlage für eine Glasur gibt's übrigens jetzt auch aus Rohrohrzucker.

Es muß nicht immer nur Kuchen sein. Süß sind auch Früchtejoghurts, Vanille-Quarkspeisen oder Fruchtspieße, im Winter Bratäpfel mit Vanillesoße. Anke Bell-Eißler, Erzieherin und Mutter, serviert einen Früchte-Zoo: Bananen-Alligatoren, Birnen- Mäuse oder Igel (die Stachel werden v-förmig eingeritzt). Ihre Gäste dürfen die Tiere selbst schnitzen, "da schmeckt's umso besser". Dasselbe gilt bei ihr für den Kuchen: Da gibt's kleine vorbereitete Tortenböden und Obst nach Wahl zum Belegen.

"Ganz ohne Süß geht es nicht," meint auch Ernährungsberaterin Gaby Schuler und empfiehlt selbstgemachte Müsliriegel anstelle von Snickers und Co. Gaby Schuler hat früher für die AOK Kurse angeboten zum Thema "Kinderpartys mit Pfiff": mit Rezept-Ideen wie Vollkorn-Möhrenkuchen "Mümmelmann" oder Himbeer-Joghurt-Eis. Heute gibt's diese Kurse allerdings nicht mehr. Der Grund: Die Kassen müssen sparen.

Müsliriegel als Schleck-Ersatz: Bei einem Kindergeburtstag reicht das leider den wenigsten Naschkatzen. Wen wundert's, wenn man weiß, daß Kinder bis zu zehn Jahren ihr Taschengeld vorwiegend in Süßigkeiten umsetzen. Was tun? In den seltensten Fällen, darin sind sich die befragten Mütter einig, lassen sich die kleinen Gäste mit Ersatzprodukten abspeisen. Smarties müssen eben Smarties sein. Aber: "Samba auf Reiswaffeln, das mögen alle," weiß Rose Marstaller-Bess, Mutter und Besitzerin eines Naturkostladens. "Aber das geht doch nicht zum Kindergeburtstag!" - Warum eigentlich nicht? Für Vollwert-Neulinge zu exotisch sind offenbar mit Honig gesüßte Plätzchen und Waffeln. Wer's kennt, der mag's, aber das hilft der Vollwertfamilie bei einem Kindergeburtstag nur wenig weiter. Gummibärchen aus dem Naturkostladen verschwinden dagegen im Handumdrehen in jedem Kindermund. "Anfangs hab ich's noch mit Rosinen probiert, irgendwann aber aufgegeben" seufzt Lisbeth Sattler-Möller.

"Bekomm ich etwa kein Geschenk?" wollte vor ein paar Tagen ein Mädchen beim Abschied nach dem Kindergeburtstag wissen. Wohlgemerkt: Sie war Gast. Bei vielen Kinderfesten ist es inzwischen üblich, daß die Gäste ein Abschiedsgeschenk mit heimnehmen: meist Süßigkeiten, verpackt in einem großen "Tütchen". Klein beigeben? "Bei uns gibt's keine Geschenke für die Gäste. Wer uns besucht, soll ein schönes Fest erleben, Geschenke bekommt das Geburtstagskind." Rose Marstaller-Bess bleibt hier bei den Feten ihrer siebenjährigen Zwillinge konsequent. Sie gibt aber zu: "Dafür muß man mutig sein." Wer als Gastgeber beim Topfschlagen nicht ohne Gewinne dastehen möchte, sollte am besten schon das ganze Jahr über die Augen offen halten und sammeln: Malheftchen, Vierfarb-Buntstifte, Spitzer, Mini-Büchlein, Holzstempel, Kreisel, Buttons, oder, wenn's etwas teurer sein darf, kleines Blech- und Holzspielzeug. Das hält länger als der größte Süßigkeitenberg. Noch zufriedener sind die kleinen Racker aber, wenn sie etwas Selbstgebasteltes mit heimnehmen. Wenn sie eine Schildmütze, Stofftasche oder sogar ein eigenes "Indianerhemd" (grob aus alten Bettüchern zusammengeschneidert) mit Stoffarben bemalt haben, Fensterbilder ausschneiden durften, riesige Tiermasken oder ein eigenes buntes Türschild fürs Kinderzimmer gebastelt haben oder wenn sie Blumentöpfe bemalt und Hyazinthen darin eingepflanzt haben.

Nach Sackhüpfen, Schubkarrenrennen, Eierlauf oder Schatzsuche kommt dann meist erst mal der große Durst. Standard-Löscher sind Apfelsaftschorle und Fruchtmilch. "Bei uns sind alle Winterkinder. Früchtetee mit Holunder- oder Apfelsaft sind einfach typisch Geburtstag," berichtet Claudia Grieble über ihre fünfköpfige Familie. Eine Möglichkeit ist auch, Fruchtdrinks selbst mischen zu lassen und attraktiv anzurichten (Glasrand mit Zitronensaft anfeuchten und anschließend in Kokosraspeln tunken).

Am wenigsten problematisch scheint für Vollwert-Gastgeber das Angebot salziger Knabbereien. Selbst die frustrierteste Naturkostlerin muß zugeben: Salzstengel, Salzbrezeln, Reiswaffeln bleiben kaum liegen. Sabine Herdlitschkas selbstgebackene mit Sesam bestreute Vollkornbrezeln haben sogar schon Komplimente hervorgerufen: "Du mußt meiner Mama sagen, wie das geht."

Fleisch muß gar nicht sein, stattdessen gehen Grünkernbratlinge bei einem Abendessen-Buffet weg wie warme Semmeln. Beliebt sind auch Nudeln mit Tomatensoße, wobei helle Pasta bevorzugt wird. Einfach zubereitet sind übrigens Falafel, pikant gewürzte Kichererbsenbällchen mit Gemüse in einer Teigtasche (Pitta). Wer Zeit sparen will, kann auf Trockenmischungen oder bereits fertige Kichererbsenbällchen und auf Pittas aus dem Naturkostladen zurückgreifen. Die Kinder können selbst aussuchen, was sie zusammen mit den kleinen Kugeln in ihre Teigtaschen wickeln: Tomatenstückchen, Salatblätter, Gurke, Joghurt- oder Sesamsoße. Ein (gar nicht mehr so) exotisches Vergnügen.

Bei Gemüse wird's schwierig, meinen viele Vollwert-Anhänger. - "Rohkost kommt immer gut an," ist dagegen Anke Bell-Eißlers Erfahrung. Zumal, wenn die Möhren-, Kohlrabi-, Gurkenstückchen noch in einen Joghurt-Quark-Dip gestippt werden können. Ernährungsberaterin Gaby Schuler rät zum Gurken-Krokodil, in dessen Rücken sie bunte Spieße mit Paprika, Käse, Cocktailtomaten, Radieschen und Weintrauben steckt. Oder wie wär's mit Kartoffelschiffchen im Kräuterquark-Teich? Gut gehen auch Pizzas mit und ohne Gesichter, eventuell von den Gästen selbst belegt. Vollkorn-Hefeteig wird allerdings nicht nur von Kindern als exotisch oder zu sättigend empfunden.

Das führt uns zum großen Aber: Man stelle sich vor, man hat alle Tips beherzigt, das Vollwert-Geburtstagsbuffet lockt appetitlich und farbenfroh und da steht unser Geburtstagskind und sagt trotzdem noch: "Mama, bitte nicht!" Denn - hier können wir wieder auf die Untersuchung von Ingo Barlovic zurückgreifen: "Spätestens mit acht Jahren beginnt die Macht der Clique. Was die Clique sagt, ist Gesetz. Die elterliche Meinung verliert an Bedeutung." Ergänzend dazu die Erfahrung von Claudia Grieble: "Wenn die Kinder kleiner sind, ist das Äußere entscheidend, bei den Größeren zählt auch der Inhalt." Dann nützt die schönste Dekoration nichts mehr. Ein siebter Sinn verrät dem Achtjährigen: Da ist Vollkorn drin - und das mögen die Kumpels vielleicht nicht. Und dann kommt doch der große Frust: "Vollkorn-Berliner bleiben liegen, Vollkornkuchen ißt kein Mensch", das war Rose Marstaller-Bess' bittere Erkenntnis. "Das war manchmal schon enttäuschend und meine Kinder haben darunter gelitten," erinnert sich Lisbeth Sattler-Möller. Ihre Schlußfolgerungen aus früheren Geburtstags-Debakeln: "Den 100-Prozent-Vollwert Ehrgeiz habe ich aufgegeben. Da bin ich heute offener." Inzwischen hat sie schon mal "weiße" Spaghetti aus dem Naturkostladen fürs Fest gekocht, bleibt aber beispielsweise stur, wenn's ums Trinken geht.

Lisbeth Sattler-Möllers mütterliche Leidensgenossinnen fanden ähnliche Lösungen. Gemeinsam mit den Kindern haben sie gelernt, daß Kompromisse möglich sind, aber auch, wie sich Vollwertideen durchsetzen lassen. Und sie haben nach dem Kindergeburtstag zirkusreife Akrobatik hinter sich: den Drahtseilakt zwischen Öko und Junk.

Gudrun Ambros

Einfach "cool" bleiben

Ein Patentrezept für den Umgang mit Kindern auf dem Weg zur Eigenständigkeit gibt es nicht. Wohl kaum aus der Vollwert-Küche, eher schon aus dem reichhaltigen pädagogischen Erfahrungsschatz der hier befragten Eltern: Pfeifen Sie auf die Dogmatik. Nur Vollwert pur, das ist für fastfood-verwöhnte Zungen und Bäuche zu exotisch. Eine Fete soll und kann die Freunde Ihrer Kinder nicht zu Vollwert-Freaks ummodeln, aber sie sollen durchaus die Chance haben, Ihre Familie kennenzulernen und zu probieren, was bei Ihnen gegessen wird. Im Klartext: Sprechen Sie lieber vor der großen Fete mit dem eigenen Kind ab, was zum Essen und Trinken angeboten werden soll. Dabei sind von beiden Seiten Kompromisse nötig. Und ein Geburtstagskind muß sich zu seinem Fest auch etwas wünschen dürfen. Dann kann's vielleicht auch mal so kommen, daß die 14jährige Tochter ihren Pizza-Teig für die Party selbst macht - und 1050er Mehl verwendet.

Und ansonsten halten Sie sich immer vor Augen: Kindergeschmack ist unberechenbar, erst recht, wenn viele Gäste kommen. Wer allzu hohe Erwartungen an seine Gäste hat, auch, wer allzuviel Mühe, Arbeit und Zeit investiert, riskiert eine satte Enttäuschung. Eine Erkenntnis, die übrigens auch Mütter betrifft, die keine Vollwertkost anbieten. Das heißt auch: Nicht irre machen lassen durch super aufgemachte Kindergeburtstags-Ratgeber oder das Beispiel anderer Mütter. Glauben Sie auch nicht, Sie müßten alle hier gegebenen Tips auf einmal umsetzen! Was würde wohl der halbwüchsige Sprößling dazu sagen? "Keep cool, Mama!"

Auf Allergien achten

Immer mehr Kinder leiden unter Allergien. Betroffen sind vielleicht auch Geburtstagsgäste Ihrer Kinder. Wer ein Geburtstagsfest vorbereitet, sollte wissen, welcher Gast bestimmte Lebensmittel nicht verträgt. Mit Sicherheit können die Eltern Tips geben, welche Delikatessen für Allergiker und Nicht-Allergiker nicht nur gesund, sondern auch lecker sind. Das erspart dem kleinen Allergiker zumindest die unangenehme Außenseiterrolle beim Essen.

Geburtstagsspiele

Riechen, tasten, schmecken

Warum nicht einfach mal das Geburtstagsfest mit einem Spiel beginnen lassen? Wenn die Augen verbunden sind, müssen Nase, Mund und Hände arbeiten. Die Nase des Spielers soll zum Beispiel den Geruch von Muskat, Zwiebel, Zitrone, Kohl erschnüffeln. Der Mund kann Petersilie und Zimt erschmecken, vielleicht auch gekochte Spaghetti oder Rote Grütze. Für auf künstliche Aromen getrimmte Gaumen ist das übrigens gar nicht so einfach.

Und die Hände dürfen in eine Tastkiste greifen und alle möglichen Gegenstände erraten: vom Apfel bis zum Babyschnuller.

Apfelessen mit Handicap

Wer kann einen Apfel essen, der an einer Schnur aufgehängt ist? Selbstverständlich ohne die Hände zu benutzen.

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