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Ich werde Bio-Bauer

Daniela und Robert Widmann sind Bauern aus Leidenschaft. Jetzt haben sie ihren Hof auf Bio umgestellt. Warum, wollten wir von ihnen wissen. Und wie funktioniert das?

Am Anfang war der Frust. „Man lernt den Beruf, versucht, das Beste zu machen und wird doch immer diskriminiert“, sagt Robert Widmann. Da ist die öffentliche Meinung, die konventionelle Landwirte vor allem als Massentierhalter und Giftspritzer sieht. „Dazu noch ein Preis, der die letzten zwei Jahre katastrophal war, gerade bei der Milch. Und überhaupt die ganze Agrarpolitik.“ Immer weiter wachsen, noch effizienter werden, um auf dem Weltmarkt bestehen zu können, das wollte der 35-jährige Landwirt nicht. „Du kannst nicht von der Natur und von den Tieren immer mehr Leistung verlangen. Das sind Lebewesen und keine Computer.“ Also haben die Widmanns ihren Hof in Kaufering, westlich von München, vor einem Jahr auf Bio umgestellt.

Wie wird man Bio-Bauer?

So wie Robert Widmann haben sich im vergangenen Jahr viele Bauern für Bio entschieden. Nach Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums sind 2016 rund 2400 Bio-Landwirte dazugekommen. Das entspricht einem Plus von 9,6 Prozent. Dabei ist die Umstellung anspruchsvoll und teilweise auch mit größeren Investitionen verbunden.

„Bei uns war der Schritt nicht so groß“, erzählt Robert Widmann, „denn wir haben immer schon viel gemacht fürs Tierwohl und im Ackerbau.“ Seit elf Jahren führt er den Hof zusammen mit seiner Frau Daniela, 2013 hat er ihn endgültig von den Eltern übernommen. In dieser Zeit hat er den Bestand von 65 auf 115 Milchkühe vergrößert, den Stall immer wieder erweitert, luftiger gemacht, Massagebürsten und Wassersprüher installiert. Auch auf die Weide durften die Tiere.

Tiere sind Lebewesen und keine Computer

Robert Widmann, Bio-Bauer

Trotzdem ist direkt neben dem Stall Baustelle: Fundamente, Mauerschalungen, Kieshaufen. „Die Tiere bekommen einen befestigten Laufhof am Stall, damit sie auch in der vegetationslosen Zeit genügend Platz haben“, erklärt Thomas Neumaier. Er ist Berater beim Bio-Verband Naturland, dem sich die Widmanns angeschlossen haben. Bio-Verbände gehen mit ihren Ansprüchen an Bio noch über die Standards der EU-Öko-Verordnung hinaus. Und sie helfen ihren Mitgliedern bei der Umstellung.

Mit dem Berater zusammen hat Robert Widmann die Umstellungsplanung erarbeitet, Fragen geklärt, sich Rat geholt. 280 000 Euro wird die Stallerweiterung kosten. Sie schafft mehr Platz für die einzelne Kuh und ermöglicht Widmann zugleich, noch 30 weitere Kühe unterzubringen. „Die maßvolle Aufstockung macht Sinn, um die Investition besser zu refinanzieren“, erklärt der Berater. Die endgültige Tierzahl passe optimal zu den 40 Hektar Grünland und 80 Hektar Ackerfläche des Betriebs. „Die Widmanns werden – wie bisher auch schon – das gesamte Futter für ihre Tiere selbst erzeugen.“ Die Flächen sind auch groß genug, um die von den Tieren produzierte Gülle als Dünger aufzunehmen – ohne dass dadurch das Grundwasser belastet wird. Das wird genau berechnet, nennt sich Flächenbindung und ist ein Muss für Bio-Betriebe.

Welche Vorschriften gibt es?

Flächenbindung und Investitionen in den Stall sind oft hohe Hürden für Tierhalter, die auf Bio umstellen wollen. Wer noch einen relativ neuen konventionell gebauten Stall abbezahlen muss, hat kaum Geld übrig, um ihn bio-tauglich zu machen. Passen Tierbestand und Fläche nicht zusammen, müsste der Landwirt entweder Flächen dazupachten, was schwierig und teuer ist, oder den Bestand reduzieren. Doch dann erwirtschaftet er weniger. „Jeder Betrieb ist ein Einzelfall, den man sich genau anschauen muss, um maßgeschneiderte Lösungen zu finden“, berichtet Neumaier aus der Praxis. „Pauschale Ratschläge helfen da nicht weiter.“

Geändert hat sich seit Beginn der Umstellung der Speiseplan der Kühe. Früher hat Robert Widmann den gesamten Grünschnitt siliert, also sauer vergoren. Das macht ihn haltbar, verringert aber auch den Nährwert. Jetzt gibt es diese Gras-Konserve nur noch im Winter, während die Kühe in der warmen Jahreshälfte frisch gemähtes Gras vorgelegt bekommen. „Die stürzen sich richtig drauf“, ist seine Erfahrung. Um die Hälfte reduziert hat er das energiereiche Kraftfutter, also Getreide und Bohnen. Seine Kühe geben deshalb etwa fünfzehn Prozent weniger Milch als früher. Doch das ist einkalkuliert und wird durch den höheren Bio-Milchpreis abgedeckt. Den für das Einfahren des Grünfutters notwendigen Ladewagen hat sich Robert Widmann gebraucht besorgt und lange nach einem günstigen Angebot suchen müssen. Denn der Markt ist leergefegt, weil gerade so viele Milchbauern umstellen.

So werden Bio-Bauern gefördert

Für den neuen Trend zum Öko-Landbau gibt es zwei Gründe: Bund und Bundesländer haben 2015 die Förderung deutlich angehoben. Für einen Hektar Acker oder Grünland bekommen werdende Bio-Landwirte in den ersten beiden Jahren je nach Bundesland zwischen 190 Euro und 520 Euro. Für den Anbau von Bio-Gemüse und -Obst gibt es noch mehr. Ab dem dritten Jahr sinken die Förderprämien dann auf 170 bis 270 Euro. Diese Gelder sind ein Ausgleich dafür, dass Bio-Bauern durch ihre umweltverträgliche Wirtschaftsweise das Grundwasser schützen und die Artenvielfalt fördern, dadurch aber geringere Erträge einfahren als ihre konventionellen Kollegen.

Zur Umstellung bewogen haben viele Landwirte auch die katastrophal niedrigen Preise für konventionelle Erzeugnisse, insbesondere für Schweinefleisch, Getreide und Milch. 2016 zahlten die Molkereien im Jahresdurchschnitt 26 Cent für den Liter, zu wenig, um davon leben zu können. Für den Liter Bio-Milch gab es im letzten Jahr im Schnitt 48 Cent. Robert Widmann sagt, dass er die Milchpreiskrise im Gegensatz zu vielen Kollegen noch ganz gut überstanden hat: „Wir haben kaum Gewinn gemacht, aber auch nicht draufgezahlt.“ Natürlich spielte der Preis für die Bio-Milch bei der Umstellung eine Rolle, wirtschaftlich betrachtet. Doch mehr noch sieht er ihn als Wertschätzung für seine Arbeit und die Leistung seiner Tiere.

Darum macht Bio-Landbau mehr Arbeit

Warum Pestizide echt übel sind Eine Herausforderung für den jungen Landwirt ist der Getreideanbau ohne Kunstdünger und Pestizide. Mit Fruchtfolgen und der mechanischen Unkrautbekämpfung mit dem Striegel hatte er schon vor der Umstellung Erfahrungen gesammelt und dadurch seinen Pestizideinsatz verringert. „Einmal Fungizide und einmal im Herbst eine Herbizidanwendung, das war's beim Getreide.“ Insektizide hat Robert Widmann nur beim Raps gebraucht. „Gleich am Tag, nachdem ich bei der Kontrollstelle unterschrieben hatte, hab ich meine Spritze ins Netz gestellt. Drei Tage später war sie verkauft.“ Damit es auch ohne funktioniert, hat er sich über ein halbes Jahr in die Thematik eingelesen und bei Youtube Videos angeschaut: „Das ist supergenial, da sieht man genau, wie man beispielsweise mit der Hacke das Maisfeld bearbeitet.“

Von den Naturland-Betrieben in der Nachbarschaft hat er sich ebenfalls Informationen geholt. „Bio macht im Ackerbau deutlich mehr Arbeit“ ist sein Fazit. Und die Arbeit ist anspruchsvoll. Er muss den richtigen Zeitpunkt abpassen, um mit Striegel oder Hacke den Acker zu bearbeiten und die Geräte passend zum Unkrautbesatz einstellen. „Es macht aber auch Spaß, etwas Neues auszuprobieren“ – und zu sehen, wie gut es funktioniert. Das Futtergetreide steht praktisch unkrautfrei auf dem Acker und darauf legt Robert Widmann Wert. Auch wegen der konventionellen Nachbarn, die ihn neugierig beäugen und unken, wann das Unkraut seine Felder erobern wird.

Zertifizierung: So oft werden Bio-Bauern überprüft

Insgesamt dauert es drei Jahre, bis der Hof ein vollwertiger Bio-Betrieb ist. Doch schon seit dem 1. Juli diesen Jahres dürfen die Widmanns die Milch ihrer Kühe als Bio-Milch verkaufen. Denn sie haben ihr eigenes Futtergetreide aus der Ernte 2016 konventionell verkauft und von benachbarten Naturland-Betrieben Bio-Futter für ihre Tiere zugekauft. Weil die Tiere also schon seit einem Jahr nur Bio-Futter bekamen, ließ sich die Zeit bis zur ersten Bio-Vermarktung verkürzen.

In Zukunft wird jedes Jahr ein Inspekteur der Bio-Kontrollstelle Lacon auf dem Hof nach dem Rechten sehen, Dokumente sichten, Mengen überprüfen. Mehr Bürokratie? „Nicht wirklich“, sagt Robert Widmann. Denn schon für die konventionellen Qualitätssicherungssysteme QM und QS und das Landwirtschaftsamt musste er alles ordentlich dokumentieren. „Ich muss halt jetzt die Lieferscheine extra abheften.“ Damit der Kontrolleur auf einen Blick sehen kann, ob die eingekauften Betriebsmittel den Bio-Regeln entsprechen.

Als nächstes kommen 100 Bio-Legehennen in das Freigehege unter den Obstbäumen. Vermarktet werden ihre Eier über einen Automaten. Er steht direkt neben der Milchtankstelle, an der Besucher schon seit 2010 frische Milch zapfen können. „Weil bei uns die Tiere raus durften, haben uns viele Kunden schon bisher für einen Bio-Betrieb gehalten“, erzählt Widmann. Nun sind sie es wirklich.

Mehr zum Thema:

www.oekolandbau.de
Infos über die Umstellung finden sich unter den Menüpunkten „Erzeuger“ und „Umstellung“. Wer sich für den Öko-Landbau als Berufsfeld interessiert, klickt auf „Erzeuger“ und „Ausbildung“. Klicks auf „Verbraucher“ und „Demonstrationsbetriebe“ führen zu 242 Bio-Betrieben, die man anschauen kann.

www.bio-wissen.org
Interessantes Bio-Wissen, grafisch aufbereitet.

www.biokreis.de, www.bioland.de, www.demeter.de, www.naturland.de
Die Anbauverbände informieren Verbraucher über zahlreiche Aspekte des Bio-Landbaus.

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