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Hintergrund: Bio-Kontrolle im Ausland

Ein Großteil des in Deutschland verkauften Bio-Obstes und -Gemüses stammt aus den Mittelmeerstaaten. Wird dort genauso kontrolliert wie hierzulande?

Tutto perfetto?

Im Jahr 2005 analysierten die baden-württembergischen Untersuchungsämter 50 Proben Bio-Karotten – acht davon aus Italien. Alle acht enthielten Spuren von Pestiziden. Von 37 deutschen Bio-Möhren waren 35 rückstandsfrei. Ende 2006 flog ein spanischer Zitronenanbauer auf. Er hatte seine Bio-Zulassung schon drei Monate zuvor verloren, versuchte aber immer noch, seine Ware an den deutschen Bio-Fachhandel zu verkaufen.

Ein Markt, der schnell wächst, zieht Trittbrettfahrer an, die es mit der Qualität nicht so genau nehmen. Die Gewinnspanne ist groß, wenn konventionelle Erzeugnisse auf dem Papier zu Bio-Lebensmitteln werden. Frisches Obst und Gemüse sind besonders kritisch, weil die Ware schnell gekauft und verzehrt wird. Die Chance, dass ein Schwindel unentdeckt bleibt, ist größer als bei drei Jahre haltbaren Nudeln. Umso wichtiger sind funktionierende Kontrollen.

Im Prinzip funktioniert die amtliche Bio-Kontrolle in Italien oder Spanien ebenso wie hierzulande. Private oder halbstaatliche Kontrollstellen besuchen die Bio-Bauern mindestens einmal im Jahr und zertifizieren sie. Bei krassen Verstößen können sie dem Erzeuger oder Verarbeiter das Bio-Prädikat aberkennen. Staatliche Behörden wachen über die Arbeit der Kontrollstellen. In Deutschland sei das Kontrollsystem bürokratisch perfektioniert und strenger als in Italien, Frankreich oder Spanien, sagt Michael Pickel, Leiter der deutschen Filiale der Kontrollstelle QC&I. Er kennt Italien gut, QC&I hat dort ein Büro. „Die Italiener sehen manches etwas lässiger.“ Diese Aussage kann nach Ansicht von Experten auf den gesamten Mittelmeerraum sowie manche Regionen in Übersee übertragen werden.

Extrasicher aus dem Bioladen

Bei italienischer Bio-Ware, besonders Möhren, Tafeltrauben, Zitrusfrüchten, Paprika und Tomaten, sehen viele Bio-Einkäufer und Kontrollstellen besonders genau hin. Aber auch ansonsten gilt: Erfahrene Einkäufer verlassen sich nicht einfach auf das Zertifikat eines Lieferanten, sondern kontrollieren dessen Produkte. Die Großhändler, die Bioläden beliefern, haben sich im Bundesverband Naturkost und Naturwaren (BNN) zusammengeschlossen und eine eigene Überwachung, das „BNN-Monitoring für Obst und Gemüse im Naturkosthandel“, aufgebaut. 1300 Proben sind in diesem Rahmen in den letzten drei Jahren untersucht worden. In jeder 16. Probe fanden sich erklärungsbedürftige Pestizidspuren. Dabei muss man berücksichtigen, dass gezielt Produkte untersucht werden, bei denen es öfter mal Probleme gegeben hat.

Messdaten für alle einsehbar

Obst und Gemüse aus Italien und Spanien wies häufiger Rückstände auf als deutsche Ware. Doch meist handelte es sich nicht um absichtliche Verstöße. Oft wurden Produkte in Wasch- und Packanlagen verunreinigt, in denen zuvor konventionelle Ware war. In Gegenden mit intensivem konventionellem Anbau kann es zur Abdrift von Spritzmitteln kommen. In solchen Fällen führt das Monitoring schnell zu konkreten Verbesserungen. Denn die Lieferanten und ihre Messdaten sind für alle beteiligten Großhändler und Importeure einsehbar. Wer mit belasteter Ware auffällt, ist unten durch. „Wir hatten im vergangenen Jahr deutlich weniger Probleme mit italienischen Möhren“, freut sich Kirsten Arp, die das Monitoring koordiniert. Auch die Enttarnung des

spanischen Zitronenschwindlers war ein Ergebnis ihrer Arbeit. Im Lebensmitteleinzelhandel wird ebenfalls analysiert, aber ein so perfektioniertes System wie das BNN-Obst- und Gemüsemonitoring gibt es noch nicht. Gerade bei Bio-Neueinsteigern besteht dann das Risiko, dass ein Lieferant, der anderswo wegen dubioser Ware rausfliegt, mit Freuden aufgenommen wird. Denn Ware ist knapp. „Zudem sind bei Obst und Gemüse viele neue Erzeuger auf den Markt gekommen“, weiß Michael Pickel. Denen stünden oft Wareneinkäufer gegenüber, die nicht geschult seien. Über langjährige Partner, wie der Naturkosthandel, verfügen nur wenige Lebensmitteleinzelhändler-Ketten.

Reiner Claus, Inlandsleiter der Kontrollstelle BCS, plädiert für eine zentrale Stelle in Deutschland, bei der alle Befunde über Rückstände in Bio-Lebensmitteln zusammenlaufen und ausgewertet werden. „Auf einer gesicherten Informationsbasis können sowohl Kontrollstellen als auch Behörden wesentlich zielgerichteter vorgehen und ihre knappen Ressourcen effizienter nutzen.“

„Bio“ ist besser. Die Analysen zeigen: Bei Bio-Obst und -Gemüse sind neun Zehntel frei von Pestizidrückständen, bei einem Zehntel sind Spuren nachweisbar. Richtige Ausrutscher sind sehr selten. Denn die meisten Bio-Betriebe – auch rund ums Mittelmeer – arbeiten ordentlich. Konventionelle Produkte enthalten im Schnitt 100- bis 200-mal mehr Pestizide. Regelmäßig werden sogar die amtlichen Höchstwerte überschritten.

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