Der Bauer Thomas Beutler darf keine Birkenblätter mehr verkaufen, auch keine Malvenblüten und kein Frauenmantelkraut. Jahrelang hatte er diese und viele andere Kräuter auf seinem kleinen Hof in Belzig, südlich von Berlin, angebaut und gesammelt, getrocknet und zur Verwendung zu Hause verkauft: als Tee, Gewürz oder Badezusatz. Das brandenburgische Landesgesundheitsamt hat ihn nun wegen des Herstellens und Verkaufens von elf Kräutern, darunter Birkenblätter, Frauenmantel, Spitzwegerich, Johanniskraut und Beinwell, bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.
Diese Kräuter seien Arzneimittel und sein Betrieb sei kein zugelassener Arzneimittelhersteller, argumentieren die Beamten. Dabei beziehen sie sich auf die Arzneimittelrichtlinie der Europäischen Union von 2004. Um die Verbraucher zu schützen, schreibt sie vor, dass bei Heilkräutern im Zweifelsfall statt dem Lebensmittelrecht das Arzneimittelrecht gelten soll. Konkrete Regelungen für diesen Grundsatz gibt es nicht, und so entscheiden die zuständigen Länderbehörden im Einzelfall, ob ein Heilkraut nun Arznei- oder Lebensmittel ist.
Birkenblätter – Heilpflanze, Medizin oder beides?
Oft sind die Kräuter und Pflanzen beides, wie das Beispiel der Birkenblätter zeigt. In der Volksmedizin ist seit Jahrhunderten bekannt, dass Birkenblätter eine wassertreibende Wirkung haben und sie gehören zu den wichtigsten Heilpflanzen. Deswegen kommen sie im Frühjahr frisch gezupft in den Wildkräutersalat. Tees mit Birkenblättern gehören für viele Menschen zur jährlichen Frühjahrskur. Nicht als Arzneimittel, sondern als Tee, der das Wohlbefinden steigert. Birkenblätter sind aber auch wegen ihrer Heilwirkung Inhaltsstoffe von Arzneitees oder Brausetabletten, die zur unterstützenden Behandlung bei Harnwegsinfektionen oder Nierengries eingesetzt werden. So wie die Birkenblätter nutzen die Menschen viele Heilpflanzen als Arzneimittel und als Lebensmittel: Fenchel, Thymian, Kamille oder Pfefferminze sind nur einige davon.
Strenge Vorschriften für Arzneimittel
Bisher war das kein Problem: Derjenige, der eine solche Pflanze in den Handel bringt, entscheidet, ob er sie als Lebensmittel oder als Arzneimittel ansieht und für welche Anwendung sie bestimmt ist. In beiden Fällen gelten bestimmte Regeln. Verkauft er die Pflanzen oder Kräuter als Arzneimittel, muss er einen Mindestgehalt an bestimmten Wirkstoffen im Produkt sicherstellen, strenge Qualitäts- und Herstellungsvorschriften einhalten und sich als Arzneimittelhersteller von den Behörden zertifizieren lassen. Diesen hohen Aufwand können sich nur größere Unternehmen leisten. Dafür dürfen sie die heilkräftige Wirkung ihrer Produkte ausloben und zum Beispiel „löst Schleim und Husten“ auf den Erkältungstee schreiben.
Lebesmittelrecht: Ausnahmen bei traditionellen Heilpflanzen
Für Lebensmittel gelten die weit weniger strengen Vorschriften des Lebensmittelrechtes. Auch ein kleiner Betrieb kann sie einhalten. Allerdings darf er für die Anwendung seiner pflanzlichen Produkte keine gesundheitsbezogene Werbung machen. Schließlich sollen Lebensmittel sättigen oder das Wohlbefinden steigern, aber keine Krankheiten lindern. Die zuständigen Landesbehörden jedoch stufen mit wenigen Ausnahmen wie Gewürze – zum Beispiel die Sorten Bärlauch und Basilikum, Kamille und Minze – die knapp 200 traditionellen Heilpflanzen mit belegter medizinischer Wirkung grundsätzlich als Arzneimittel ein. Allerding haben sie dabei einen großen Spielraum. Denn ob ein Tee mit Sorten wie Baldrian, Schachtelhalm oder Johanniskraut tatsächlich als Arznei anzusehen ist, hängt davon ab, wie hoch die wirksame Dosis der jeweiligen Pflanze ist.
Berücksichtigen sollten die Beamten auch, ob der Kräuter-Tee wie ein Arzneimittel aufgemacht ist. Das strikte Vorgehen der brandenburgischen Gesundheitsbehörde hat bisher noch keine Schule gemacht. Doch auch in der zuständigen bayerischen Behörde lautete die Auskunft: „Die Kräutertees sind ein sehr kritisches Thema, ebenso die Kräuterfrauen, die oftmals aus Unkenntnis in alle möglichen Lebensmittel Heilkräuter mischen.“
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