Start-ups

Grüne Start-Ups: Jung, hip, bio

Viele Bio-Food-Firmen suchen Erfolg in der ökologischen Nische. Doch auf dem Weg ins Regal gibt es einige Hürden.

Eine junge Bio-Generation drängt auf den Markt. Das konnte man im Neuheiten-Bereich der Messe BioFach in Nürnberg sehen. Dort reihten sich in diesem Jahr erstmals mehr als 50 Stände von jungen Lebensmittelherstellern aneinander. Die große Nachfrage nach dem staatlich geförderten Gemeinschaftsstand beweise eine gewisse Dynamik in der Branche, sagt Barbara Böck, die Sprecherin der Messe Nürnberg. „Mein Eindruck ist, dass sich im Bio-Bereich viel tut und sich umgekehrt viele Food-Start-ups für Produkte in Bio-Qualität entscheiden.“

Moment, da ist ein Wort gefallen, das man sonst nur im Silicon Valley oder in barackenartigen Berliner Bürogebäuden verortet: Start-up. Sind das nicht Technologie-Unternehmen, die es Google oder Facebook nachmachen wollen? Nicht nur. Laut dem Online-Wirtschaftsmagazin fuer-gruender.de gilt die Bezeichnung für alle jungen, innovativen Unternehmen, die ein Problem auf neue Weise lösen wollen.

Veganes für Fleischfans

Das kann auch, wie beim Bio-Aufstrich-Hersteller Gutding heißen: „Ich will ein veganes Mett, das ohne Hefeextrakt produziert wird – und trotzdem lecker schmeckt.“ Die 44 Jahre alte Gründerin Agapi Rethmann kommt ursprünglich aus der Kreativ- und Werbebranche, dennoch ist Gutding kein strategisches Marketing-Projekt. Nachdem Agapi ihre Agentur vor etwa drei Jahren verkauft hatte und ihr Ehemann Rado seine Anteile an einem Modeunternehmen, wollten sie nicht mehr zurück in das, was man unter einem normalen Leben versteht. Nur womit sollten sie ihren Traum von einem gemeinschaftlich aufgebauten Dorf mit Gleichgesinnten finanzieren?

Die Idee mit den Aufstrichen köchelte langsam auf, weil der Vegetarier Rado für die fleischigen Gelüste seiner Frau mit veganer Leberwurst experimentierte. „Unsere Freunde nahmen nach jedem Besuch Gläser davon mit nach Hause und sagten irgendwann, dass wir doch die verkaufen könnten.“

Aufstriche mit lustigen Namen wie Schmauch, Greta oder Toni sind toll – aber ist das Bio-Regal nicht schon voll mit Brotbelag in Gläsern? Stimmt schon, gibt Agapi zu. Andererseits: „Wir sind eine Manufaktur und wollen das auch bleiben, die altbekannten Aufstrichhersteller arbeiten mittlerweile alle industriell.“ Um die 4000 Gläser schafft Gutding an einem Wochenende.

„Wir diskutieren sehr viel darüber, wie stark wir überhaupt wachsen wollen“, sagt die Idealistin. „Das Unternehmen ist ein Mittel, um unsere Philosophie von Gemeinschaft leben zu können.“ Das ist etwas, was Start-ups aber meist auszeichnet: Der Drang, immer größer zu werden.

Viele grüne Start-ups entstehen aber immer noch aus Weltverbesserungsdrang oder weil ein Tüftler nach einer Lösung für den Eigengebrauch sucht.

Gutding entwuchs dem Bauernmarkt trotzdem schneller, als man „Vertrieb“ sagen kann: „Wir hatten zum allerersten Mal einen Stand auf einem großen Markt – und schon sprach uns der erste Großhändler aus der Region an“, erzählt Agapi. Zwei Jahre später kann man die Gutding-Weckgläschen deutschlandweit in Bio-Läden kaufen.

Nachahmer haben es schwer

Es ist selten so leicht wie für Gutding, die Gunst von Händlern zu erlangen. Karin Romeder vom bayerischen Bio-Großhändler Ökoring ist seit zwanzig Jahren im Geschäft und sagt, dass neue Produkte im Haus intensiv auf Herz und Nieren geprüft werden. Eine Bio-Kontrollnummer sei nur die Mindestanforderung, um aufgenommen zu werden: „Es gibt ja danach zwei Hürden: Erstens müssen wir das Produkt unseren Händlern und Gastronomen verkaufen – und die müssen es wiederum ihren Kunden schmackhaft machen.“

Doch selbst die schönste Verpackung oder die ökologischste Herstellung reicht manchmal nicht aus, um bei Ökoring zu punkten. „Meine Kollegin kam kürzlich begeistert aus Berlin zurück, wo sie eine tolle neue Limonade entdeckt hatte“, erzählt Romeder. „Ins Sortiment nahmen wir sie trotzdem nicht, weil wir schon genug Limonaden haben.“ Als „me-too“-Produkt, also mit einer Nachahmung anderer erfolgreicher Ideen, habe man es sehr schwer, sagt die Vertriebsexpertin. Wer aber große Trends wie vegane Ernährung auf frische Weise angehe, sei vorn im Rennen um einen Regalplatz.

Für das eigene Siegel „Bio Regional“ sucht Ökoring aktiv nach Produkten aus Bayern. „Angenommen, Sie bieten eine schöne Marmelade aus hundert Prozent regionalen Zutaten an, sind wir wahrscheinlich interessiert“, sagt Romeder. Zwei Dinge erklärt sie noch: Erstens muss ein Start-up nicht sofort in riesigen Mengen liefern können, „aber bitte dafür verlässlich.“ Und außerdem warten die Gründer beim Großhändler nicht lange auf ihr Geld. „Die Ware bezahlen wir sofort.“

Private Investoren geben Geld und Erfahrung

Geld ist für alle jungen Unternehmer ein leidiges Thema. Auch die Hersteller der Bio-Fertigsuppen Wünsch Dir Mahl hatten zwischenzeitlich Probleme mit der Liquidität. „Ein kritischer Kaufmann hätte bei all den offenen Rechnungen vielleicht schon das Handtuch geworfen“, schaut der Gründer Moritz Timm zurück. Alles fing klein an: Er und sein Geschäftspartner André Riediger haben als studierte Agrarwissenschaftler in ihrer Heimat Brandenburg damit begonnen, die Produkte eines nahegelegenen Bauern zu verarbeiten und in der Region zu verkaufen. Mit dem Ziel, irgendwann genug Geld für einen eigenen Bio-Hof zu haben.

Dank der Initiative „Fair & Regional“ wurden die teils exotischen Suppenkreationen des Duos erstmals von einem Großhändler gelistet. „Wir waren damals sehr unbedarft“, sagt Timm. „Eine Filiale bestellte 12 von jeder Sorte. Wir dachten: Gläser. Gemeint waren Kartons.“ Heute verkaufen sie schon geschätzte 400 000 Suppen im Jahr. Für den Sommer hatte Timm kalt genießbare Kreationen erfunden. Dabei ist er gar kein Koch. „Ich probiere gerne herum“, sagt er. Ein aufregender Schritt war der Umzug in die eigene Produktionsstätte vor drei Jahren. Mit der Hilfe eines privaten Investors haben die jungen Suppen-Macher etwa 250 000 Euro dafür in die Hand genommen.

Dass eine solide Finanzierung oft mehrere Anläufe braucht, zeigt die Erfahrung des erfolgreichen Bio-Fertigsoßen-Herstellers Saucenfritz. Zunächst hat Jan Daniel Fritz sein Unternehmen mit einem Bankenkredit aufgebaut. Weitere Investitionen musste er jedoch mit privaten Investoren stemmen. Denn seine Gewinnprognosen, die er in Kreditverhandlungen anhand der bisherigen Umsätze vorlegte, konnten die Banken nicht überzeugen. „Dieses Wachstum war ihnen zu langsam“, erzählt der Quereinsteiger. Er hat es dennoch geschafft, heute sind seine Soßen im Bio-Fachhandel etabliert – und beim nächsten Ausbau der Produktlinie war auch die Bank wieder an Bord.

Was er anderen Jungunternehmern rät: Gründerkurse besuchen und bei Gelegenheit die Hilfe von Business Angels annehmen. Das sind Geldgeber, die sich über das Investment hinaus engagieren und fachlich den Weg weisen. Oft haben sie ein großes Interesse daran, dass ein Start-up schnell wächst und gewinnbringend verkauft werden kann. Die auf die Lebensmittelbranche spezialisierte Investoren-Gemeinschaft Food Angels hat es nicht so eilig. „Wir streben langfristige Partnerschaften von fünf bis zehn Jahren an“, sagt einer der Investoren, der Transaktionsanwalt Wolf Michael Nietzer. In der Lebensmittelbranche sei zwar nicht so ein schnelles Wachstum denkbar wie im Software-Bereich. In Deutschland müsse man trotz Großhandels-Listung oft Region für Region und Laden für Laden erobern. Dafür seien Lebensmittel ein relativ nachhaltiges Geschäft, denn „gegessen und getrunken wird immer.“

Nietzer erwartet, dass die Trends „vegane Ernährung“ oder „gesundes Fastfood“ künftig noch wachsen. Viele der Unternehmen in Food Angels Portfolio setzen auf soziales Engagement und Lebensmittel in Bio-Qualität. Zwar empfänden junge Gründer die Kosten von mehreren Tausend Euro für Bio-Zertifizierung und Bio-Siegel nicht als Kleingeld – und auch das Verhältnis der Mehrkosten zu den am Markt erzielbaren Preisen müsse „darstellbar bleiben“, sagt Nietzer. Aber er sieht natürlich den Marketing-Mehrwert, den so ein ökologisches und soziales Engagement hat. Denn damit kommen die jungen Bio-Hersteller oft überraschend schnell zu großen Erfolgen: Sie verkaufen nicht nur Lebensmittel, sondern Geschichten vom Guten.

Tipps für Gründer

Das Online-Magazin „Für Gründer“ bietet Informationen rund um Businessplan, Finanzierung etc.: www.fuer-gruender.de

Interview mit Green Rocket Crowdinvesting

Plattformen für Schwarmfinanzierung gibt es mittlerweile viele. Der österreichische Anbieter Green Rocket stellt auf seiner Webseite aber ausnahmslos nachhaltige Unternehmen vor. Im Interview erklärt der Gründer Wolfgang Deutschmann, wie junge Bio-Hersteller das Kapital von Kleinanlegern für ihr Wachstum nutzen.

„Eine Crowdfunding-Kampagne bringt Sichtbarkeit“

Wieso spezialisiert sich Green Rocket auf Erneuerbare Energien, gesunde Lebensmittel und andere ökologische Ideen?

Das liegt an unserer Geschichte: Mein Geschäftspartner und ich haben schon vor sechs Jahren als junge Unternehmensberater für Kunden berechnet, welche Investitionen in Erneuerbare Energien sich für sie lohnen. Einmal sollten wir für den Bau einer Photovoltaikanlage eine Bürgerbeteiligung ermöglichen. Schon nach drei Tagen waren alle Beteiligungen vergriffen, da ging es immerhin um 400.000 Euro. Wir merkten: Mit einer Online-Plattform für nachhaltiges Crowdinvesting könnten noch viele ähnliche Projekte finanziert werden.

Sie haben inzwischen auch einige Bio-Lebensmittelhersteller präsentiert. Aktuell kann man sich an einer Limonade ohne Zusatzstoffe beteiligen. Ist im Food-Bereich für Investoren überhaupt viel zu holen?

Sicher hat das Geschäft mit einem handfesten Bio-Produkt nicht so ein Wachstumspotenzial, wie eine Software, die man beliebig vervielfältigen kann. Bei einem Unternehmen wie Pona sehen wir aber eine klare, wirtschaftliche Perspektive und großes internationales Potenzial. Genau auf das achten wir: Handelt es sich um ein innovatives Produkt, das ein Problem löst – und außerdem gut schmeckt?

Den Investoren schien es zu schmecken, die Finanzierungsschwelle ist immerhin überschritten.

Das schaffen bei uns zum Glück 95 Prozent der Projekte. Die Themen beschäftigen unsere Investoren ja auch privat: Gesunde, nachhaltig erzeugte Lebensmittel zum Beispiel sind immer mehr Menschen wichtig. Wir spüren definitiv einen starken Trend in diese Richtung, es melden sich vermehrt solche Hersteller bei uns.

Was wissen Sie über Ihre Anleger, die beispielsweise Geld für einen Bio-Limonaden-Hersteller locker machen? Sind das reine Idealisten?

Überwiegend sind das Akademiker in den Dreißigern, etwa Ärzte, Steuerberater oder Anwälte. Auch einige Firmen sind darunter, sogar Aktiengesellschaften. Rund ein Viertel der Investoren kommt aus Deutschland, der Rest aus Österreich. Aus Befragungen wissen wir, dass sie schon vor allem an den Anlagechancen interessiert sind. Unsere Investoren-Community ist sehr aktiv, manche Anleger haben schon in dreißig verschiedene Projekte investiert und bauen sich so ein richtiges Portfolio auf.

Verbraucherschützer kritisieren, dass es sich bei den Beteiligungsformen von Crowdinvesting um eine vergleichsweise riskante Geldanlage handelt. Gerade die Pleite des deutschen Windkraftkonzerns Prokon hat viele Kleinanleger kalt überrascht. Wie gehen Sie damit um?

Wir befolgen natürlich die jeweiligen Anlegerschutzgesetze in Deutschland und Österreich, das heißt, es gibt zum Beispiel Höchstgrenzen für Investments und sie dürfen einen gewissen Anteil am Einkommen des Anlegers nicht überschreiten. Bevor Sie Geld investieren, lesen Sie bei uns so viele Risikohinweise und Erklärungen, da müssten Sie schon sehr ignorant sein, um die zu übersehen. Man darf nicht vergessen, dass bei Prokon ein regelrechter Finanzvertrieb aktiv war. Wir raten von einem Investment im Zweifel lieber ab, statt Menschen mit einer Anlage zu überfordern.

Was haben denn eigentlich die Start-ups davon, bei Ihnen Geld einzusammeln? Warum gehen die nicht zur Bank?

Das Crowdfunding-Geld ist kein klassischer Kredit, sondern ein Eigenkapitalersatz und eine Alternative zu Beteiligungen, bei denen man Stimmrechte abgibt. Beim Crowdfunding ist das Kapital aber sowieso nur der halbe Mehrwert: Eine Kampagne bringt einem Start-up mehr Sichtbarkeit und viele neue Fans. Unsere Community ist darüber hinaus auch fachlich sehr engagiert und die Gründer ziehen aus diesem Austausch oft wertvolle Tipps oder neue Geschäftskontakte.

Zum Beispiel?

Es kam schon vor, dass ein Crowdfunding-Investor ein Produkt beim Großhändler auf den Tisch stellte und fragte: „Das ist gut. Warum habt ihr das nicht?“

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