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Fischfang im Bioladen

Forellen in Mandelkruste, Hecht-klößchen-Suppe, Lachsterrine in Feldsalat – eigentlich wäre Fisch doch eine prima Alternative zum derzeit skandalgespickten Fleisch. Aber kommt man da nicht vom Regen in die Traufe?

Petri heil!

Forellen in Mandelkruste, Hecht-klößchen-Suppe, Lachsterrine in Feldsalat – eigentlich wäre Fisch doch eine prima Alternative zum derzeit skandalgespickten Fleisch. Aber kommt man da nicht vom Regen in die Traufe? Schließlich ist bekannt: Die Meere sind über-fischt und das, was noch ins Netz geht, wird aus verschmutztem Wasser gezogen und hat davon mit Sicherheit etwas abbekommen. Schlechte Zeiten für Fisch-Fans? Nicht unbedingt, denn langsam aber sicher wächst das Angebot an zertifiziertem Bio-Fisch.

So sieht es heute auf den Weltmeeren aus: 60 Prozent der weltweit wertvoll-sten Fischbestände sind entweder überfischt oder werden bis an die Grenzen befischt, warnt die Welternäh-rungsorganisation FAO. Hochgerüstete Fabrikschiffe holen raus, was nur geht. Gefangen wird oft alles, was ins Netz reinpasst. Da bleibt in den Tunfisch-Treibnetzen schon mal ein Delfin oder eine Robbe hängen und muss kläglich ersticken. Krustentiere, Schollen, Aale werden in Schleppnetzen gefangen, die man einfach über den Meeresboden schleift. Zurück bleibt eine zerstörte Pflanzenwelt, die den entkommenen Meerestieren keinen Schutz mehr vor ihren Feinden bietet. Fische, die nicht erwünscht sind, der so genannte Bei-fang, werden tot oder halb tot wieder ins Meer gekippt. Laut FAO-Schätzung trifft das ein Viertel des Weltfischfangs. Und ein weiteres Drittel lande nur im Netz, um als Fischmehl zu enden und etwa an Hühner oder Schweine verfüttert zu werden. Insider nennen das Gammelfi-scherei.

Ein weiteres Problem: Fische nehmen auf, was die Industrie an Abfällen ins Meer gekippt hat. Schwermetalle, wie etwa Quecksilber, für Menschen ein Nervengift, sammeln sich in Fischen an. Jüngstes Schadstoff-Beispiel sind Funde des laut Öko-Test besonders gefährli-chen Tributyl-Zinns TBT. Dieser Schutz-anstrich für Schiffe löst sich im Wasser und landet über die Nahrungskette in den Fischen.

Umstrittene Aquakultur. Weil die Meere immer leerer werden, schien Aquakultur eine Zeit lang ein probater Ausweg. Im Prinzip eine gute Idee, Fische zu züchten statt sie zu fangen. Aber auch bei Fisch sind die Züchter wie bei Rindern, Hühnern und Schwei-nen übers Ziel hinaus geschossen. Konventionelle Aquakultur ist Massen-tierhaltung mit den allgemein bekannten Begleiterscheinungen: der Haltung von möglichst vielen Fischen auf viel zu engem Raum, in sauerstoff-getuntem Wasser wie die Ölsardinen. Das macht die Tiere anfälliger für Krankheiten, also bekommen sie prophylaktisch Medika-mente. Erkrankte Fische können auch mit Antibiotika behandelt werden. Ein weite-res Problem der Aquakultur ist das Futter. Die meisten bekannten Speisefi-sche sind Fleischfresser, benötigen also tierisches Eiweiß. Oft genug werden extra Fische gefangen, nur um sie zu Fischmehl zu verarbeiten und damit die "Kulturfische” zu füttern.

Was also tun? Öko-Richtlinien aufzu-stellen, die dafür sorgen, dass Fischbe-stände und Umwelt geschont werden, ist alles andere als einfach. Das fängt an mit der Diskussion darüber, ob dem Wildfisch oder dem "Zahmen” aus schonender Teichwirtschaft der Vorzug gegeben werden soll. Teichwirtschaft sei Massentierhaltung sagen Kritiker und lehnen jegliche Form von Aquakultur ab. Demeter-Richtlinien-Experte Dr. Jochen Leopold hat Bedenken wegen der Fütterung mit Fischmehl: "Das ist nicht artgemäß. Man weiß nicht, was man damit auslöst.” Aber Stephan Brandmei-er, Agraringenieur und Spezialist in Sachen Fisch bei der Naturkostfirma Isana setzt dagegen: Was offiziell als Wildlachs verkauft werde, sei in Wirk-lichkeit oft doch nur ein Zuchtfisch. "Und wenn Zuchtfische, dann lieber einen Öko-Fisch!”

Richtlinien für Bio-Fisch. Selbst wenn man sich schon mal auf Teichwirtschaft geeinigt hat, bleibt die Frage, welche Fische überhaupt ge-züchtet werden dürfen: Friedfische oder Raubfische. Vier deutsche Erzeugerver-bände haben Rahmenrichtlinien für das Züchten von Biofisch aufgestellt. De-meter, Bioland und Biokreis beschrän-ken sich im Wesentlichen auf so ge-nannte Friedfische. Karpfen beispiels-weise tun keinem anderen Fisch etwas zuleide. Die Allesfresser begnügen sich mit dem, was der Teich hergibt: Schnek-ken, Larven, Plankton. Und wenn man’s geschickt anstellt, ist es sogar möglich, eine Art Nahrungskette aufzubauen, den friedlichen Karpfen, Grasfischen, Schleien in begrenztem Maße auch Raubfische wie Hechte und Waller zuzugesellen.

Naturland wagt sich auch in die Welt der Salmoniden vor, das sind beispiels-weise Lachse und Forellen. Bei diesen Fischarten kommt man bisher um die Fütterung von Fischmehl nicht herum. Eine schwierige Entscheidung. Der Naturland-Kompromiss: Man verwendet nur Fischmehl aus Resten der Speise-fischverwertung. Und davon möglichst wenig, ansonsten pflanzliche Bestand-teile aus Bio-Anbau.

Ökologische Teichwirtschaft stellt weitere Bedingungen: Die Fische müs-sen möglichst naturnah aufwachsen. Das heißt zum Beispiel: viel Platz, keine prophylaktische Medikamentengabe, keine künstlichen Futtermittelzusätze. Gefragt ist eine nachhaltige Lösung, die keine Wildbestände gefährdet.

Die Arbeitsgemeinschaft Ökologi-scher Landbau (AGÖL), in der sich deutsche Erzeugerverbände zusam-mengeschlossen haben, bemüht sich derzeit, gemeinsame Richtlinien für Aquakultur zu erstellen. Schon allein, um gemeinsam eine starke und möglichst umweltfreundliche Position vertreten zu können. Denn die EU-Länder planen, innerhalb der nächsten zwei Jahre Richtlinien zur Aquakultur zu erlassen.

Aus zertifizierter Aquakultur. Echt "bio”, das sind Fische, die aus zertifi-zierten Aquakulturen stammen. Ange-boten werden Lachs aus Irland, Forellen aus Italien und seit einigen Monaten auch aus Deutschland, beispielsweise von der Fischzüchterfamilie Rameil aus Lidlar im Bergischen Land, deren Öko-Forellen auf der diesjährigen BIO FACH in Nürn-berg als "Produkt des Jahres” ausge-zeichnet wurden. Ebenfalls aus Öko-Teichwirtschaft zu haben sind Karpfen, Grasfische, Schleien, Hechte und auch Waller.

Wer Räucherfisch mag, kann in eini-gen Naturkostläden Öko-Forelle und -Lachs, selten auch Friedfische aus schonender Aquakultur finden.

Gefrorene Bio-Fische gibt es derzeit nur von einer Öko-Fischzucht in Was-serwiesen. Stephan Brandmeier von Isana beschreibt das Dilemma: "Tiefkühl-Fisch hat ein "billig”-Image. Bio-Tiefkühlfisch lässt sich aber nicht billig produzieren.”

Dann doch lieber Frischfisch? Gut lachen hat, wer in der Nähe einer der neuen Bio-Forellenzuchten wohnt: im Raum Köln oder Ulm, demnächst auch in der Nähe von Paderborn. Da kann man den Einkauf direkt vor Ort mit einem netten Wochenendausflug inklusive Teich- und eventuell auch Räuchereibe-sichtigung verbinden. Vorwiegend Friedfische bieten ein Öko-Züchter aus Wasserwiesen bei Rosenheim und einer aus dem nordbayrischen Freystadt. Überall dort kann man seinen Bio-Fisch direkt ab Teich kaufen oder in den Naturkostläden der größeren Umgebung (Raum München und Nordbayern).

Keine Richtlinien für Wildfische. Wilden Bio-Fisch gibt es nicht. Aber man kann Fischfang zertifizieren mit dem Ziel einer nachhaltigen Fischerei, die die Meeres-Ökosysteme schützt. Das ist beispielsweise möglich durch Einhaltung strenger Fangquoten, Minimierung von Beifängen, schonende Fangtechniken. Entsprechende Richtlinien werden momentan von Öko-Zertifizierern ent-wickelt, die mit IFOAM, dem internationa-len Zusammenschluss ökologischer Landbewegungen, zusammenarbeiten.

Um umweltbewusste Fischliebhaber nicht auf dem Trockenen zu lassen, müssen sich Naturkostanbieter derzeit bei Wildfisch, wie Makrelen, Sardinen und Heringen, noch um bestmögliche Kompromisse bemühen. Ihr Fisch kommt nur in die Dose oder ins Glas, wenn bestimmte selbst auferlegte Bedingungen erfüllt sind. Verschmutzte und über-fischte Gewässer sind laut Hersteller tabu. Empfohlene Fangquoten würden eingehalten, rüde Fangmethoden vermie-den. Je nach Anbieter würden die Fänge auch auf Rückstände kontrolliert: Queck-silber etwa oder Pestizide. Die Quali-tätsexperten der Firma Naturata erwä-gen neuerdings auch eine Untersuchung auf TBT-Rückstände. Der Vorteil bei Glas- und Dosenfisch: Die Sortenaus-wahl ist relativ groß, der Fisch ist schon fertig gekocht, liegt in Beilagen und Cremes. Wenigstens diese Zutaten stammen aus kontrolliert biologischem Anbau. Ein weiterer Vorteil der Dosen- oder Glasfische: Sie sind in fast jedem Naturkostladen zu bekommen.

Frisch, aber ebenfalls ohne Bio-Gütesiegel, gibt es Fisch beim Futura-Versand. Im Angebot dort: einige Sorten Wildfisch, die laut Futura dort gefangen wurden, wo das Meer nach Kenntnissen der Firma noch nicht überfischt ist. Der Versand hat 250 Naturkostläden auf seiner Auslieferungsliste.

Noch steckt das ökologische Fischge-schäft in den Kinderschuhen. Manche Bioläden bieten nur vor hohen Festtagen einen Bestell-Service für Fisch, bei manchen ist frischer oder geräucherter Fisch noch gar nicht zu bekommen. Der Grund: skeptische Kunden, skeptische Händler. Schade eigentlich. Denn es gibt durchaus gute Erfahrungen mit einem größeren Fischangebot. Peter Kos-sytorz, Inhaber des Naturwarenzen-trums Dreieich, hat gewagt und gewon-nen: "Wir haben eine extra Kühltheke für Fisch hingestellt. Und er verkauft sich sehr gut. Die Resonanz der Kundschaft: Klasse, toll.”

Gudrun Ambros

Fisch macht glücklich

Mindestens einmal pro Woche Fisch auf den Tisch – die Deutsche Gesellschaft für Ernährung wird nicht müde, regelmäßigen Fischverzehr zu empfeh-len. Weil er Jod enthält, das der Schild-drüse bei ihrer Arbeit hilft. Und weil er dem Menschen leicht verdauliches Eiweiß liefert. Ein drittes Plus: Fisch enthält wertvolle Omega-3-Fettsäuren, die das Blut verdünnen und das Herz schützen. Finnische Wissenschaftler wollen sogar herausgefunden haben, dass Fisch fröhlich macht. Sie befragten 3200 Finnen zu Essgewohnheiten und Stimmungen und fanden heraus: je mehr Fisch, desto weniger Depressionen.###Kasten###

Frischer Fisch: Was darf’s sein?

Aus zertifizierter Aquakultur zu be-kommen sind Lachse, Forellen und in Gegenden mit Teichwirtschaft Süßwas-serfische wie Karpfen, Amur, Schleie, Hecht und Waller.

Wer sich eine größere Auswahl wünscht und nicht das Glück hat, in einer Fischzuchtregion zu leben, wird genauer hinschauen müssen: Wenn schon nicht bio, dann wenigstens aus Wildbeständen, die noch nicht überfischt sind, aus Wassern, die noch nicht so stark verschmutzt sind. Küstennahe Regionen scheiden schon einmal aus. Prinzipiell weniger belastet ist Hochsee-fisch. Ob fett oder mager, hier heißt es abwägen. Fette Fische sind zwar oft schmackhafter und liefern mehr Omega-3-Fettsäuren, aber leider ist bei ihnen die Schadstoffkonzentration höher als bei ihren mageren Artgenossen.

Was Herkunft und Fangmethoden an-geht, empfiehlt es sich grundsätzlich, beim Händler nachzufragen. Treibnetz-fischerei sollte tabu sein. Als eher umweltverträglich gelten die klassischen Methoden mit Angel, Schleppleine, Reuse oder Korb. Heike Vesper, Meeresbiologin beim WWF, und Mitarbeiter der Ver-braucherzentrale Bremen haben ge-nauere Einkaufstipps zusammengestellt. Rote Karte gaben sie dem Rotbarsch und dem Dornhai (Schillerlocke, Seeaal), ganz egal, woher sie stammen, und für Heilbutt und Wildlachs aus dem Atlantik. Der Grund: Die Bestände sind total überfischt. Auf Scholle sollten infor-mierte Fischliebhaber ebenfalls verzich-ten: Hier gibt zusätzlich die rabiate Fangmethode den Ausschlag.

Diesen Fisch lieber nicht

Das soll es demnächst geben: Turbo-Lachse, die doppelt so schnell wachsen wie normale; Gentechnik macht’s mög-lich. "Transgen”, das Internet-Informationssystem der Verbraucherin-itiative zur Gentechnik berichtet, die amerikanische Firma A/F Protein habe längst die Zulassung für ihren Genlachs beantragt, die US-Behörden ließen sich aber noch Zeit mit der Entscheidung. Befürchtet wird, dass solche transge-nen Lachse aus ihren Tanks entkommen und die natürliche Population verdrängen könnten. Mit dem möglichen Effekt, dass es am Ende gar keine Lachse mehr gibt. Gentechnikfrei sei der konventionelle Zuchtlachs auch heute schon nicht mehr, vermuten die Experten von Trans-gen. Diverse übliche Futterzusätze, Enzyme, Vitamine, Hormone würden auch heute schon mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt.

"Delfinfreundlich” gefangen

Aufdrucke wie "delfinfreundlich” oder "kontrollierter Fischfang” kann übrigens jeder Importeur auf seine Thunfischdo-sen platzieren. Ein anerkanntes Gütesie-gel, das den Schutz der Delfine beim Thunfischfang garantiert, gibt es nicht.

Die Gesellschaft zur Rettung der Del-phine hat aber eine Liste von Importeu-ren zusammengestellt, deren Zulieferer ihre Fangmethoden in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Naturschutzor-ganisation Earth Island Institute kontrol-lieren lassen.

Damit ist aber immer noch nicht alles gut: "Bei der delfinfreundlichen Langlei-nenfischerei werden häufig Haie und Seevögel wie etwa Albatrosse mitge-fangen”, mahnt die Meeresbiologin Heike Vesper. Deswegen: Auch hier gibt es nur den bestmöglichen Kompromiss: "Das Earth Island Institute fördert das Angeln mit möglichst kurzen Langleinen, die direkt versenkt werden müssen. Damit werden die Seevögel geschont und insgesamt der Beifang reduziert,” sagt Ulrike Kirsch, die Leiterin des Thunfisch-Kontroll-Programms bei der Gesellschaft zur Rettung der Delphine.

Eine Liste der delfinschonenden Thun-fischproduzenten kann aus dem Internet (www.delphinschutz.org) heruntergela-den oder direkt bei der Gesellschaft zur Rettung der Delphine, Kornwegerstr. 37, 81375 München bestellt werden: Tel: 089/74 160 410.

Literatur zum Thema

Pflichtlektüre für jeden kritischen Fischliebhaber mit klaren und begründe-ten Empfehlungen zu den einzelnen Fischsorten: Einkaufsführer Fisch, herausgegeben vom WWF und der Verbraucherzentrale des Landes Bremen. Die 30-seitige Broschüre kann gegen Einsendung eines Verrechnungs-schecks über 6 Mark bestellt werden bei: WWF Deutschland, Fachbereich Meere und Küsten, Am Güthpol 11, 28757 Bremen.

Rezepte mit Fisch liefert beispielswei-se die Broschüre Vollwertig essen mit Fisch, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. Gegen einen Verrechnungsscheck über DM 8,- kann die 48-seitige Broschü-re bestellt werden bei: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., Postfach 93 02 01, 60457 Frankfurt/Main.

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