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Fischfang heizt das Klima auf

Grundschleppnetze fischen nicht nur die Meere leer, sie wirbeln auch den Meeresboden auf. Das klingt harmlos, hat aber schlimme Folgen für das Klima.

Krabben, Scholle, Steinbutt, Seelachs und Kabeljau werden gerne gegessen. Das hat nicht nur für die Fischbestände katastrophale Folgen. Das Problem: Krabben, Scholle & Co. leben auf dem Meeresboden oder schwimmen knapp darüber. Um sie zu fangen, verwendet man Grundschleppnetze. Diese werden von den Fangschiffen, sogenannten Trawlern, ausgesetzt. Gewichte ziehen ein solches Netz in die Tiefe, zwei tonnenschwere Scherbretter halten es offen und hinterlassen bis zu 30 Zentimeter tiefe Pflugspuren im Boden. Die Rollen an der Unterseite des Netzes lassen es leichter über den Grund gleiten, scheuchen Fische am Boden auf und treiben sie ins Netz. „Die Ökosysteme werden umgepflügt und zerstört, das ist eine Katastrophe“, sagt Greenpeace-Meeresexperte Thilo Maack. Gleichzeitig landet bei dieser Fischereimethode besonders viel Beifang im Netz, also Fische und Pflanzen, die der Fischer gar nicht will. Sie werden noch auf hoher See tot über Bord geworfen.

Die Ökosysteme werden umgepflügt und zerstört, das ist eine Katastrophe.

Thilo Maack, Greenpeace-Meeresexperte

Wie Schleppnetze das Klima schädigen

Seit Jahren kämpfen deshalb Greenpeace und andere Organisationen gegen diese Fangmethode. Dabei haben sie jetzt ein weiteres Argument auf ihrer Seite. Der Fischfang mit Grundschleppnetzen setzt weltweit jedes Jahr doppelt so viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) frei wie in Deutschland ausgestoßen wird. Insgesamt 1,5 Milliarden Tonnen. Ausgerechnet haben das Meeres- und Klimawissenschaftler aus den USA in einer im März veröffentlichten Studie. „Meeresböden sind der größte Speicher an organischem Kohlenstoff auf unserem Planeten und entscheidend für dessen langfristige Fixierung“, heißt es in der Arbeit. Denn alles, was an lebenden Organismen im Wasser stirbt, sinkt auf den Meeresboden und bleibt dort – und diese Organismen bestehen, wie wir Menschen auch, vor allem aus Kohlenstoffverbindungen.

Wühlen Schleppnetze diesen kohlenstoffreichen Boden auf, stürzen sich Algen und andere Mikroorganismen auf den jetzt fein verteilten Staub, der ihnen als Nährstoff serviert wird. Sie verdauen die Kohlenstoffverbindungen und stoßen CO2 aus. Dessen Konzentration im Wasser erhöht sich, weshalb das Meer weniger CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen kann. Das ist fatal, denn die Ozeane ziehen etwa 27 Prozent des menschgemachten CO2 aus der Luft. Ohne diesen Entzug würde die globale Temperatur noch viel rascher steigen. „Besonders stark ist die CO2-Freisetzung in flachen Küstengewässern in 50 bis 100 Metern Tiefe“, erklärt der Meeresbiologe Rainer Froese vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Meeresforschung in Kiel. Denn in dieser Tiefe gebe es noch Licht und dieses beschleunigt die Kohlenstoffverdauung.

Grundschleppnetze zerstören Korallen

In der Tiefsee dagegen, die ebenfalls mit Grundschleppnetzen befischt wird, gibt es kein Licht. Hier läuft dieser Prozess sehr viel langsamer ab – und damit auch die CO2-Freisetzung. „Doch hier zerstören die Netze unwiederbringlich extrem empfindliche Ökosysteme wie Tiefseekorallen“, warnt Froese. Der Meeresbiologe ärgert sich, dass diese Umweltzerstörung weltweit auch noch subventioniert wird. „In Deutschland etwa zahlen Fischer wie Landwirte keine Mineralölsteuer für ihren Diesel.“ Ohne diese Subvention würde sich das sehr energieaufwändige Fischen mit Grundschleppnetzen nicht mehr rentieren, ist sich Froese sicher. Denn für jedes Kilogramm gefangener Garnelen verbraucht ein Trawler nach Zahlen der Welternährungsorganisation FAO mehr als einen Liter Diesel.

Fischfang geht auch nachhaltig – wir verraten euch, auf welche Siegel ihr euch verlassen könnt.

Fisch-Labels: eine Übersicht

Wie kann Fischfang klimafreundlicher werden?

Seine Kollegen aus den USA empfehlen in ihrer Studie Meeresschutzgebiete auszuweisen und in diesen die Fischerei zu verbieten. Ihren Berechnungen zufolge würde es genügen, 3,6 Prozent der weltweiten Meeresfläche unter Schutz zu stellen, um die Kohlendioxidfreisetzung durch Fischfang um 90 Prozent zu verringern. Allerdings wären das ausgesuchte Flächen insbesondere entlang der chinesischen Küste und der europäischen Atlantikküste. Denn dort lagert viel Kohlenstoff in den Sedimenten und die angrenzenden Staaten verfügen über große Trawlerflotten, die den Boden durchpflügen. Doch es ist wenig wahrscheinlich, dass diese Staaten die Fischerei so stark einschränken.

Ist Aquakultur die Lösung?

  • Von den knapp 180 Millionen Tonnen Fisch, die laut Welternährungsorganisation FAO weltweit gefangen und gezüchtet werden, stammt gut die Hälfte aus Aquakultur, also aus Zuchtteichen an Land oder aus Käfigen im Meer.
  • Die Verhältnisse in diesen Anlagen gleichen denen der Massentierhaltung. Deshalb entstanden eigene Richtlinien für Bio-Fischzucht, die den Tieren mehr Platz geben und naturnahe Teiche statt kahler Betonbecken verlangen.
  • Futter für die Fische: Raubfische wie Lachs und Forelle brauchen zum Wachsen tierisches Eiweiß; Allesfresser wie Pangasius und Tilapia bekommen es meist auch, damit sie schneller Gewicht zulegen. Die Proteine stammen zumeist aus dem industriellen Fang von Kleinfischen wie Sardellen, die zu Fischmehl und -öl verarbeitet werden. 2018 waren das laut FAO 22 Millionen Tonnen.
  • Für Bio-Fische gilt, dass deren Fischration aus nachhaltigem Fang oder der Verarbeitung von Fischabfällen stammen muss.
  • Uneingeschränkt sei nur Karpfen zu empfehlen, schreibt Greenpeace. Denn der stammt aus Deutschland und kommt mit pflanzlichem Futter aus.

Warum Wissenschaftler Schutzgebiete für Fische fordern

Meeresschutzgebiete können noch viel mehr. Sie schützen die Vielfalt der Arten und sorgen dafür, dass Fischbestände sich erholen. Von Mangrovenwäldern und Seegraswiesen weiß man, dass sie die „Kinderstube“ vieler Fischarten sind. Auch diese Effekte haben die Wissenschaftler in der Studie berechnet und geeignete Gebiete für solche Schutzräume benannt. Sie kamen dabei zu einem paradox anmutenden Ergebnis: Würde ein Drittel der Meeresfläche unter Schutz gestellt, könnten Fischereiflotten in den verbleibenden zwei Dritteln sogar ein Zehntel mehr Fisch fangen als bisher auf der gesamten Fläche – ohne die Bestände zu gefährden.

Die meisten vorgeschlagenen Schutzgebiete liegen in der 200-Meilen-Zone vor der Küste. Dieser 370 Kilometer große Bereich wird auch „Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ)“ genannt, weil dem angrenzenden Küstenstaat das alleinige Recht zur wirtschaftlichen Nutzung einschließlich des Fischfangs zusteht. Das heißt, die Nationalstaaten müssten große Bereiche ihres Meeresgebietes aus der Nutzung nehmen und dort die Fischerei und die Ausbeutung von Rohstoffen verbieten. „Nur so lassen sich Arten, Lebensräume und die Gesundheit der Ozeane erhalten“, betont Greenpeace-Experte Thilo Maack.

Warum Deutschland kein gutes Beispiel ist

Wie wenig das funktioniert, zeigt das Beispiel Deutschland. Die Bundesregierung hat 30 Prozent der Meeresflächen in der AWZ unter Schutz gestellt – aber Rohstoffabbau, Fischerei und andere Eingriffe weiterhin erlaubt. Das Ergebnis sind überfischte Bestände, zerstörte Riffe und Sandbänke sowie verpulverte Subventionen.

Ernährung: Leinsaat statt Hering?

Fisch gilt als gesund, weil er die langkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA enthält, die Herz und Kreislauf stärken. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt deshalb ein- bis zweimal die Woche Fisch zu essen, insgesamt 220 Gramm. Um das zu erreichen, müssten die Deutschen ihren Fischkonsum verdoppeln – und das geben die Meere nicht mehr her. Denn ein Drittel der Bestände weltweit sind überfischt, schreibt die Welternährungsorganisation FAO. Die meisten anderen werden bereits bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit ausgebeutet. Meeresforscher warnen seit Jahren vor einem Kollaps. Deshalb sollte bei uns weniger Fisch auf den Tisch. Pflanzliche Öle etwa Leinöl, Walnussöl oder Hanföl liefern Alpha-Linolensäure (ALA), aus der unser Körper EPA und DHA herstellen kann.

Das können Verbraucher tun

Solange die Politik nicht entschlossen handelt, kommt es auf die Verbraucherinnen und Verbraucher an. Ein bisschen Einfluss haben sie, denn sie könnten Fisch, der nicht nachhaltig gefischt wurde, in Tiefkühltruhe und Kühlregal liegen lassen. Hilfe dabei gibt der Fischratgeber der Umweltschutzorganisation WWF. Der Bio-Anbauverband Naturland und die Organisation Friend of the Sea etwa schließen für die von ihnen zertifizierten Fischereien Grundschleppnetze aus. Auch die Sortimentsrichtlinien des Bundesverbandes für Naturkost Naturwaren (BNN) verbieten diese Fangtechnik. Sie gelten für Bio-Läden, die dem Branchenverband angehören.

Erlaubt sind Grundschleppnetze allerdings beim wohl bekanntesten Zertifizierer für nachhaltige Fischerei, dem Marine Stewardship Council (MSC). „Für bodennah lebende Fische wie Kabeljau oder Seelachs gibt es aktuell keine alternativen Fangmethoden, die genauso effektiv und selektiv fischen“, erklärt MSC-Managerin Vivien Kudelka auf der Webseite der Organisation und fügt hinzu: „Der weitaus größte Teil des Meeresfisches auf dem deutschen Markt kommt heute aus Grundschleppnetzfischereien.“ Deshalb erlaube der MSC diese Fangtechnik und sorge mit Auflagen wie größeren Maschen oder Gebietskartierungen dafür, dass deren Umweltschäden verringert würden. Für den Meeresbiologen Rainer Froese sind das „kosmetische Verbesserungen, doch am Grundproblem dieser Fangtechnik ändert das nichts.“

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