Essen

Wie Essen unsere Psyche beeinflusst

Wie wir uns ernähren, hat Auswirkungen auf unser Gehirn. Doch welche Lebensmittel helfen, gut drauf zu sein? Und welche halten unsere Gehirnzellen fit? Wir haben nachgefragt.

Habt ihr heute Morgen ein Müsli mit Haferflocken gegessen? Sehr gut! Dann könnt ihr euch in den nächsten Stunden vielleicht besser konzentrieren. Genaueres dazu werden wir kommendes Jahr wissen, denn wie sich Hafermahlzeiten auf die Hirnleistung auswirken, wird zurzeit in einer Studie an der Universität Bonn von der Doktorandin Linda Klümpen untersucht.

Was man jetzt schon weiß: Was wir essen und trinken, beeinflusst Leistungsfähigkeit, Stimmung und auch den Umgang mit Stress. Christof Kessler, Neurologe und ehemaliger Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Greifswald ist überzeugt: „Eine ausgewogene Ernährung kann dabei unterstützen, zufrieden und glücklicher zu sein.“ Und auch altersbedingte kognitive Beeinträchtigungen wie das Dinge-Vergessen und Wortfindungsstörungen könnten durch gutes Essen um Jahre herausgezögert werden. Kessler rät zu einer „hirnfreundlichen Ernährung“. Eine wichtige Rolle dabei spielen Botenstoffe, Fettsäuren und Energie.

Wie beeinflusst Essen unsere Psyche?

Wie genau Ernährung unser Gehirn beeinflusst, beschreibt Kessler in seinem Buch „Essen für den Kopf“. So finden sich im Kopf über 100 Millionen Nervenzellen. Sie sind miteinander verknüpft und bilden riesige Netzwerke, die das Denken, Fühlen, Erinnern und unsere Bewegungen kontrollieren, aber auch die Atmung, den Blutkreislauf und die Verdauung steuern. Um gut in Form zu sein, benötigen die Hirnzellen viel Energie. Während nur zwei Prozent unseres Körpergewichts auf das Gehirn entfallen, verbraucht es mehr als ein Viertel unserer gesamten Energiezufuhr. Diese Energie muss es in Form von Zucker erhalten und ständig nachgeliefert bekommen, denn die Nervenzellen können keine Energie speichern.

Weshalb Kohlenhydrate wichtig sind

Am Tag benötigt das Gehirn rund 130 Gramm Glucose, also Zucker. Das heißt aber nicht, dass wir ständig Gummibärchen und Schokolade essen sollen. „Studien haben gezeigt, dass Depressionen mit einem hohen Konsum von Zucker assoziiert sind“, so Kessler. Der Zuckerbedarf wird darum am besten aus sogenannten Polysacchariden, also Vielfachzuckern, gedeckt. Sie stecken unter anderem in Vollkornbrot, Nudeln und Reis. Das verhindert Schwankungen des Blutzuckers und sorgt für eine gleichmäßige Versorgung des Hirns mit Energie.

Diese Lebensmittel sind gut fürs Gehirn

Dopamin
zustäding für: Zufriedenheit, Antrieb
enthalten in: Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Soja, Getreide, Fisch

Acetylcholin
zuständig für: Bewegung, Kraft, Gedächtnis, Lernen
enthalten in: Weizenkeime, Nüsse, Milch, Eier

Serotonin
zuständig für: Stimmung, Emotionen, Schlaf
enthalten in:
tryptophanhaltige Lebensmittel wie Nüsse, Quark, Schokolade, grüner Tee

GABA
zuständig für: Ruhe, Anti-Stress, inneres Gleichgewicht
enthalten in:
wie Serotonin, außerdem: Soja, Linsen, Mais, Dinkel, Käse, Eier, Fisch

Vitamin B12
zuständig für:
Gedächtnis, Hirnfunktionen
enthalten in:
Eier, Milchprodukte, Fisch, Vitamin- B12-Präparate (bei veganer Ernährung)

Vitamin B1
zuständig für:
Funktion der Nervenfasern, verstärkt GABA und Serotonin, Stimmung
enthalten in:
Vollkornprodukte wie Brot, Flocken, Reis, Hülsenfrüchte, Sonnenblumenkerne

Vitamin B6
zuständig für: Informationsübertragung, Baustein von Serotonin und Dopamin
enthalten in: Hülsenfrüchte, Nüsse, Reis, Kartoffeln, Bananen, Möhren, Rosenkohl, Avocado, Meeresfisch

Folsäure
zuständig für: Herstellung von Neurotransmittern, Zellteilung, Gedächtnis
enthalten in:
grünes Gemüse wie Spinat, Brokkoli, Wirsing, Hülsenfrüchte

Vitamin C
zuständig für:
Radikalenfänger, Schutz von Hirnzellen, Bildung von Serotonin
enthalten in:
alle Gemüse- und Obstsorten, Kräuter

Vitamin D
zuständig für:
gute Laune, Schutz vor Depression, Demenz
enthalten in:
vor allem Sonnenlicht, geringe Mengen in Meeresfisch, Käse, Butter, Margarine, Eier

Quellen: Essen für den Kopf, Christof Kessler, Südwest 2020; Vitalstoff-Lexikon, abgerufen 27.9.2022

Was Proteine leisten

Zwischen den Nervenzellen im Kopf findet immer eine intensive Kommunikation statt – ob wir Denken, Fühlen oder einen Sprint machen. Sie verständigen sich über Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, die durch einen elektrischen Impuls ausgesendet werden. Damit es richtig funkt, müssen diese Botenstoffe gut im Futter sein. Dafür sind unter anderem Proteine wichtig. „Proteine sind das Schmieröl des Gehirns“, betont Christof Kessler. „Wir können durch unsere Ernährung dafür sorgen, dass unser Oberstübchen in einem guten Wartungszustand ist.“

Was das Gehirn glücklich macht

Dopamin für mehr Zufriedenheit

Einer der Botenstoffe ist Dopamin. Er wird auch als Glückshormon bezeichnet, denn er ist für die Zufriedenheit zuständig, steigert Motivation und Antrieb. Ist Dopamin Mangelware, kann die Stimmung kippen und Trübsal und Antriebslosigkeit können sich breitmachen. Eiweißreiche Lebensmittel wie Soja, Getreide, Fleisch, Fisch und Hülsenfrüchte fördern die Bildung von Dopamin. Omega-3-Fettsäuren, wie sie zum Beispiel in Leinöl und Seefisch enthalten sind, heben den Dopaminspiegel.

Acetylcholin für ein starkes Gedächtnis

Acetylcholin ist ein weiterer Botenstoff. Es ist in Lernvorgänge und die Gedächtnisleistung verwickelt. Acetylcholin wird von den Hirnzellen aus Cholin gebildet, das etwa in Eiern und Weizenkeimen steckt. Mangelt es an Cholin, leidet die Gedächtnisleistung. Bei Alzheimer, der häufigsten Form von Demenz, bilden die Zellen gar kein Acetylcholin mehr. Die Folge sind schwere Gedächtnisstörungen bis hin zum kompletten Verlust des Gedächtnisses.

Serotonin für gute Laune

Der Botenstoff Serotonin ist für gute Laune zuständig. „Wissenschaftlich nachgewiesen wurde: je mehr Serotonin im Gehirn synthetisiert wird, umso ausgeglichener und weniger depressiv sind Menschen“, erklärt Kessler. Nüsse, Bohnen und Bananen enthalten zwar viel Serotonin. Allerdings kann dies die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, die Eintrittspforte ins Hirn also, nicht passieren. Darum muss der Botenstoff im Gehirn hergestellt werden – aus der Aminosäure Tryptophan, die durch die Blut-Hirn-Schranke gelangen kann. Enthalten ist Tryptophan zum Beispiel in Quark, Fleisch, Eiern, Nüssen und Schokolade.

GABA für weniger Stress

Der vierte Neurotransmitter, GABA (für Gamma-Aminobuttersäure), lindert Stress und ist für das innere Gleichgewicht zuständig. Auch GABA scheitert an der Blut-Hirn-Schranke, kann jedoch ebenfalls aus Tryptophan hergestellt werden. Und aus Glutaminsäure. Diese ist unter anderem in Mais und Soja, Milchprodukten und Eiern enthalten. Der Geschmacksverstärker Glutamat, man erkennt ihn auf der Lebensmittelverpackung an den Nummern E 620 bis E 625, besteht zwar ebenfalls aus Glutaminsäure. Er ist jedoch kein geeignetes Hirnfutter. Denn er steigert den Appetit und fördert Gedächtnisstörungen.

Welches Fett sollte es sein?

Bleibt noch das Fett. Vor allem ungesättigte Fette wie Omega-3-Fettsäuren braucht das Gehirn. Enthalten sind sie in fettem Meeresfisch, Walnüssen, Leinöl, geschroteter Leinsaat, Raps- sowie speziellen Mikroalgenölen. Hirnfreundlich essen heißt aber auch: Weg mit gesättigten Fettsäuren und Transfettsäuren. „Transfette sind schädlich, weil sie auch den Hirnabbau fördern“, erklärt Christof Kessler. Zum Schutz vor Demenz sollten deshalb unter anderem Fastfood und Fertigprodukte gemieden werden. Kessler rät zur sogenannten MIND-Diät, eine Art Mittelmeerdiät. Sie sei wissenschaftlich gut untersucht und ist besonders reich an Gemüse, Früchten und insbesondere Beeren sowie Nüssen. Dadurch liefert sie viele Antioxidantien. Diese reduzieren Entzündungen, die im Anfangsstadium von Vergesslichkeit und Demenz eine wichtige Rolle spielen.

Wie Darm und Gehirn zusammenhängen?

Ein taffes Hirn und gute Laune haben auch ganz viel mit unserem Darmzu tun. Dazu forscht Dr. Sabrina Mörkl, Leiterin der Arbeitsgruppe Nutritional Psychiatrie am Universitätsklinikum Graz in Österreich. Sie erklärt, dass auch die Darmbakterien Botenstoffe wie Dopamin und Noradrenalin produzieren, die via Darm-Hirn-Achse Nachrichten an das Gehirn übermitteln. Dafür nutzen sie den sogenannten Vagusnerv, der die wichtigste „Verbindungsstraße“ zwischen Darm und Hirn ist. Damit das alles gut funktioniert, ist eine Ernährung wichtig, die das Mikrobiom unterstützt, so Sabrina Mörkl. Sie rät zu einer ballaststoffreichen Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukten, Nüssen, Hülsenfrüchten, Fisch und ungesättigten Fettsäuren.

Essen

Gesund Essen für den Darm: Worauf ihr achten solltet

Darmbakterien sind wichtig für unsere Gesundheit. Wie Freundschaften muss man die Bakterien pflegen, etwa mit gesundem Essen.

Auch Probiotika sind gut für die Stimmung – und können sogar vor Depressionen schützen. Das zeigen verschiedene Studien. Vor allem bestimmte Milchsäurebakterien haben eine gewisse antidepressive Wirkung. Sie erhöhen im Darm den Pegel an der Fettsäure Butyrat, die bei der Hirngesundheit eine wichtige Rolle spielt. Bei Depressionen werden darum auch probiotische Lebensmittel empfohlen, so Sabrina Mörkl im Journal of Psychiatrie. Auch Fermentiertes wie Kombucha, Sauerkraut und Joghurt und Kefir, die ebenfalls Milchsäurebakterien liefern, sei zu empfehlen.

Alzheimer: Pestizide schädigen das Gehirn

  • Auch Essen ohne Pestizide schützt das Hirn. Denn Umweltschadstoffe könnten direkt auf das Gehirn einwirken, das Absterben der Zellen verursachen oder andere Organe und Hormone beeinflussen, die wiederum für neurologische Funktionen verantwortlich sind, erklärt das Umweltbundesamt.
  • So sehen Studien einen Zusammenhang zwischen dem häufigen Umgang mit Pestiziden (wie sie in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden) und der Entwicklung von Alzheimer. Auch fand sich Studien zufolge im Gehirn von Menschen mit Alzheimer eine höhere Belastung mit Pestiziden.
  • Zwar hantieren die wenigsten Menschen ständig mit Pestiziden. Doch jeder sollte sich bestmöglich schützen. Hirngesund essen heißt darum auch, Bio-Lebensmittel bevorzugen! Denn im ökologischen Landbau werden keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt.

Welche Ernährung hilft bei Depression?

Überhaupt kommt der Ernährung in der Psychiatrie immer mehr Bedeutung zu – ergänzend zu Psychotherapie und Medikamenten. Seit einigen Jahren gibt es eine eigene Fachrichtung, die Ernährungspsychiatrie (oder Nutritional Psychiatrie). Sie ermittelt für das Gemüt besonders geeignete Lebensmittel und entwickelt daraus Kostformen zur Behandlung von Depressionen, Burn-out und Angstzuständen. Neurotransmitter, die die Stimmung beeinflussen, spielen dabei eine wichtige Rolle.

Therapeutisch genutzt wird eine mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, Obst und etwas Fisch. Sie zeigte in der sogenannten SMILES-Studie, dass Menschen mit Depression davon profitieren. Teilnehmer:innen, die mediterran aßen und Ernährungsberatung erhielten, hatten nach drei Monaten weniger depressive Symptome als diejenigen, die wie gewohnt weitermachten. Die Deutsche Akademie für Ernährungsmedizin rät darum dazu, dass „die Ernährungsmedizin ein Schwerpunkt in der psychiatrischen Praxis für Stimmungsstörungen sein sollte“.

Mehr zum Thema Essen und Psyche

  • dasGehirn.info: Spannende Infos rund ums Gehirn mit vielen Beiträgen zur Bedeutung der Ernährung
  • Die kostenlose Broschüre Brainfood der FH Münster und des Studierendenwerks informiert über hirngesundes Essen und enthält viele Rezepte.

Buchtipps

  • Kessler, Christof: Essen für den Kopf. Südwest Verlag 2019, 160 Seiten, 20 €
  • Jopp, Andreas: Happy Food statt Burnout. Consult Media Verlag 2022, 212 Seiten, 20 €
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Kommentare

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Sigrid Spürgin

Sehr interessanter Artikel. 
Wer ist die Akademie für Erfahrungsmedizin? Wo ist sie ansässig? Wer ist verantwortlich? Wie werden dort Daten erhoben und verarbeitet? Im Netz kann ich nichts darüber finden.
Würde mich freuen, etwas dazu zu erfahren. 

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RedaktionLeserservice Schrot&Korn -

Liebe Frau Spürgin. Bitte entschuldigen Sie den Fehler - es handelt sich um die Akademie für Ernährungsmedizin. Alle Informationen zur Akademie finden Sie hier:
https://daem.de/ (https://daem.de/ernaehrung-und-depressionen-ein-neues-forschungsfeld-der- ernaehrungsmedizin/). Wir werden den Fehler korrigieren.

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