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Ernährung gegen Krebs

Falsche Ernährung gehört zu den Hauptursachen von Krebs, das zeigt der Weltkrebsbericht. Die einfachste Vorbeugung: mehr Obst und Gemüse, weniger Fleisch!

Falsche Ernährung gehört zu den Hauptursachen von Krebs, das zeigt der Weltkrebsbericht. Die einfachste Vorbeugung: mehr Obst und Gemüse, weniger Fleisch! // Sylvia Meise

Grünkohl hat es, Tomaten haben es auch: einen hohen Anteil an sekundären Pflanzenstoffen. Die winzigen Wunderwaffen gegen Fraßfeinde und Krankheiten sitzen in den Zellen der Außenhaut von Gemüse und Obst. Zwar sind längst nicht alle dieser Stoffe erforscht, dennoch gehen Ernährungsexperten wie Dr. Claus Leitzmann (siehe Seite 24) davon aus, dass sie uns helfen können, Krebs vorzubeugen. Das als gute Nachricht vorab, die schlechte lautet: Krebserkrankungen nehmen weltweit dramatisch zu.

Nach dem aktuellen Krebsbericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkranken derzeit weltweit jedes Jahr 14 Millionen Menschen erstmals an Krebs. Die WHO fürchtet, dass sich diese Zahl bis 2030 fast verdoppeln wird. Starke Anstiege registrierten die Forscher vor allem in den Schwellenländern Asiens, Afrikas und Südamerikas.
Die im Bericht genannten Gründe sind vielfältig: Neben Bevölkerungswachstum und steigender Lebenserwartung sowie der Übernahme schlechter westlicher Lebens- und Ernährungsgewohnheiten wie Rauchen, Alkohol- und Fastfood-Genuss, spielt auch der mangelnde Zugang zu Vorsorge und Medikation eine Rolle.

Krebs hat viele Ursachen

Jedoch auch die Industrieländer verzeichnen trotz Vorsorge-Kampagnen hohe Wachstumsraten. In Deutschland etwa erkranken jedes Jahr fast 500 000 Menschen neu. Vor allem an Brust- und Prostatakrebs, gefolgt von Darm-, Lungen- und Hautkrebs. Man könne der wachsenden Zahl von Neuerkrankungen nicht allein durch medizinische Behandlung Herr werden, sagt die WHO. Unter anderem müssten Gesetze zur Regulierung von Tabak und Alkohol sowie dem Konsum zuckerhaltiger Getränke verschärft werden. Auch Übergewicht und Luftverschmutzung gehörten stärker als bisher auf die Anti-Krebs-Agenda.

Für ein Drittel der Erkrankungen nämlich werden falsche Ernährung und Übergewicht verantwortlich gemacht. Weitere Gründe nennt Professor Rudolf Kaaks, Epidemiologe am deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg: „Zum einen treten einfach mit zunehmendem Alter immer häufiger Fehler im Erbgut auf. Aber auch Einflüsse von außen, etwa Gifte im Zigarettenrauch, UV-Licht, Virus-Infektionen oder hormonelle Einflüsse können zu solchen Fehlern führen. Ab einer gewissen Anzahl von Mutationen ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass eine normale Zelle zur Krebszelle entartet.“ Ein an Obst und Gemüse armer Ernährungsstil könne vor allem bei Organen der Nahrungsaufnahme Krebs zur Folge haben, meint Kaaks. Etwa in Mund, Magen oder Darm. Zudem erhöht Übergewicht das Risiko für Brust-, Darm- und Leberkrebs.

Maßvoll ernähren

Einen garantierten Schutz könne die Ernährung nicht bieten, betont der Heidelberger Forscher. Aber einige Hebel gibt es dennoch. Dabei bergen die Grundempfehlungen von ihm wie von anderen Experten keine Neuigkeiten. Sie lauten in Kürze: schlank sein und bleiben (am besten von klein auf), genügend Schlaf, Bewegung und Zeit für innere Ruhe, rauchfrei leben, mit null oder wenig Alkohol auskommen – und sich gesund bewusst und maßvoll ernähren.

Alles schon mal gehört, aber: Was hilft meinen Zellen denn nun, ungebetene oder giftige Eindringlinge fernzuhalten? Außer Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen werden etwa von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung vor allem die sekundären Pflanzenstoffe als Zellwächter genannt. Es soll weit mehr als Hunderttausend geben – in unserem Essen sind zwischen 500 bis 10 000 nachweisbar. Erforscht sind erst einige Hundert, die aufgrund ihrer Struktur und Eigenschaften in verschiedene Gruppen eingeteilt sind (siehe Kasten unten).

Dabei schützen die Pflanzenstoffe Zellen von Obst und Gemüse durch unterschiedliche Strategien. Manche Farbstoffe etwa regen die Eiweißmoleküle von Zellen an, den eingedrungenen Erreger zu umschließen, bevor er Gene schädigen kann. Durch eine abwechslungsreiche Ernährung nehmen wir rund ein Gramm der Polyphenol-Gruppe (Flavonoide und Phenolsäuren) auf, bei Vegetariern sind es fast zwei Gramm. Diese Stoffgruppe spielt eine wichtige Rolle beim Schutz des Magen-Darm-Traktes.

Zahlreiche Studien mit flavonoidreichem grünem Tee etwa legen nahe, dass dieser vor Lungen-, Darm- und Prostatakrebs schützen kann und bei Brustkrebs eine Tumorbildung verhindert. In Zwiebeln (zart gedünstet) und Äpfeln (Apfelmus!) wiederum befindet sich das Flavonoid Quercitin, das laut einer hawaiianischen Studie die Gefahr für Lungenkrebs vermindert.

Bio verzichtet auf Umweltgifte

Da diese wertvollen Stoffe vor allem in den Außenhäuten und -schalen stecken, sollte man auf Bio setzen. Viele Studien, die Bio-Lebensmitteln einen besonders hohen Anteil an bioaktiven Stoffen nachweisen, sind zwar umstritten. Knackpunkte sind jedoch oft eher methodische Mängel. Nichtsdestotrotz liegt es auf der Hand, dass wichtige Inhaltsstoffe, die in der Schale sitzen, nur dann aufgenommen werden können, wenn man die Schale mitessen kann. Ganz abgesehen davon, dass der Öko-Landbau das tut, was der Weltkrebsbericht sich wünscht: Umweltgifte wie synthetische Pestizide erst gar nicht zu verwenden.

Vor allem Gemüse und Würzkräuter wie Thymian oder Rosmarin, in denen die Konzentration dieser Stoffe noch einmal um vieles höher ist, gehören zur Super-Ess-Klasse, wenn es darum geht, Krebs vorzubeugen. Wenig Sinn allerdings macht es, all die tollen Wunderstoffe isoliert zu betrachten und womöglich aus lauter Angst vor Krebs im Übermaß Tabletten zu konsumieren.

Zwar gibt es Effekte wie die in einer Untersuchung nachgewiesene schützende Wirkung des Glycosinolats der Kresse, von der besonders Raucher profitierten – doch andere Studien mit Extraportionen an Beta-Carotin für Raucher mussten abgebrochen werden. Die aus dem Wirkungsverband in der Frucht oder dem Gemüse herausgelösten Stoffe entwickelten einzeln offenbar eine andere, zum Teil schädigende Wirkung.

Beim Thema Vielfalt sind sich jedoch die Experten einig: Den besten Schutz, den man aus der Ernährung holen kann, bieten fünf abwechslungsreiche Mahlzeiten am Tag, frisch zubereitet aus Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Kräutern, Hülsenfrüchten und Nüssen. Damit es innen auch gut ankommt: gut kauen und in Ruhe genießen.

Zellschutz aus dem Essen

Polyphenole wirken antioxidativ. Dazu gehören Farbstoffe (Flavonoide), die in Beerenobst, Äpfeln, Auberginen, Soja und grünem Tee enthalten sind, sowie Bitterstoffe (Phenolsäuren), die in Kaffee, Tee, Vollkornprodukten und Nüssen vorkommen.

Carotinoide (antioxidativ) geben Karotten, Tomaten und grünem Gemüse Farbe. Glucosinolate (antibiotisch, antioxidativ) schützen Kohlgewächse, Rettich, Kresse und Senf vor Fraßfeinden. Phytoöstrogene (Pflanzenhormone, antioxidativ) kommen in Getreide, Hülsenfrüchten und Leinsamen vor. Sulfide geben Zwiebelgewächsen Aroma. Ihre Wirkung: antioxidativ, antibiotisch.

„Gemüse wichtiger als Obst“

Welche Rolle kann die Ernährung bei der Krebsprävention spielen?

Wir propagieren seit Jahrzehnten die Vollwert-Ernährung, bei der die Lebensmittel nicht zu stark verarbeitet werden, denn durch das Erhitzen werden Vitamine und einige sekundäre Pflanzenstoffe zerstört – und die Wirkung der Ballaststoffe herabgesetzt. Einen kompletten Schutz gegen Krebs gibt es nicht, aber wir wissen seit Jahrzehnten, dass etwa ein Drittel aller Krebsarten, die wir heute kennen, durch Rauchen und ein weiteres Drittel durch falsche Ernährung und Übergewicht ausgelöst werden.

Was bedeutet „falsche Ernährung“?

Um das Risiko zu senken, sollte man etwa gepökeltes, in Salzlake eingelegtes Fleisch sowie gegrillte, stark erhitzte oder geräucherte Lebensmittel meiden, weil diese Zubereitungsformen nicht nur wichtige Inhaltsstoffe zerstören, sondern auch krebserregende Substanzen erzeugen. Zudem zeigen Studien immer wieder, dass Darmkrebs vermehrt bei Menschen auftritt, die häufig rotes Fleisch essen.

Welche Lebensmittel sind für eine Vorsorge empfehlenswert?

Obst wird ja sehr gelobt, doch Gemüse ist wichtiger, denn es enthält deutlich höhere Konzentrationen der krankheitsverhütenden, sekundären Pflanzenstoffe. Von einigen dieser Stoffe weiß man, dass sie das Krebswachstum unterbinden. Empfehlenswert sind in erster Linie Zwiebelgewächse, dann Kohlgewächse wie Brokkoli, Rosenkohl und besonders Grünkohl. Darüber hinaus Vollkorngetreide, Nüsse, Hülsenfrüchte und Wild-kräuter. Natürlich ist eine gute Mischung am besten. Nach dem Konzept der Vollwert-Ernährung sollten die pflanzlichen Anteile der Ernährung so gewichtet sein: zwei Drittel Gemüse, ein Drittel Obst.

Sind also Vegetarier und Veganer auf der richtigen Spur?

Es gibt große Untersuchungen aus den USA, die zeigen, dass Vegetarier deutlich weniger an Krebs leiden. Und wenn sie Krebs bekommen, dann deutlich später im Leben. Die bekommen es nicht mit 50 oder 65 sondern wenn überhaupt, dann meistens erst später.

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