Bio ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Kein Zweifel: Das ist ein Erfolg für die einstigen Gründer:innen, die in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren ihre ersten Bio-Produkte zum Verkauf anboten. „1968 hatte der Laden meiner Mutter nur 12 Quadratmeter und wuchs dann schrittweise auf inzwischen 220 Quadratmeter. Dass so etwas wirtschaftlich möglich ist, damit hatte meine Mutter anfangs sicher nicht gerechnet“, sagt Sylvia Haslauer, die den Bioladen La Vida in Utting am Ammersee in zweiter Generation leitet. 2200 Bio-Läden und Bio-Supermärkte gibt es heute deutschlandweit – sie machen etwa 20 Prozent des Gesamtumsatzes mit Bio-Produkten aus. Doch längst bieten auch Discounter und herkömmliche Supermärkte Bio-Produkte an. Mit 67 Prozent verkaufen sie heute die meisten Bio-Produkte. Neben den Bio-Läden haben auch sie ihren Teil dazu beigetragen, Bio raus aus der Nische zu holen.
Warum also noch im Bio-Laden einkaufen? Wer Wert auf eine große Auswahl, hohe Qualität, eine Vielfalt an spezialisierten Produkten wie vegan oder glutenfrei und das bei fairen Löhnen und höchster Transparenz legt, sollte sich für das Original entscheiden und im Bio-Laden einkaufen.
„Dass so etwas möglich ist, damit hatte meine Mutter nicht gerechnet“
100 Prozent Bio aus Überzeugung
Bio-Läden stehen für strenge Qualitätsstandards und Transparenz bei der Produktherkunft – bei einem Sortiment, das konsequent auf Bio setzt. Im Vergleich dazu beläuft sich der Bio-Anteil im Discounter und Supermarkt selten auf mehr als zehn Prozent – und die werden oft mit Hilfe von Marketing groß aufgebauscht. Das ist im Bio-Laden anders. „Hier muss man sich die guten Produkte nicht erst umständlich raussuchen“, sagte etwa David bei einer Schrot&Korn-Umfrage in Darmstadt im letzten Jahr.
Zudem stammt ein Großteil der Produkte aus globalen Lieferketten, was den ökologischen Vorteil durch lange Transportwege schmälert. Viele Bio-Läden hingegen haben eine enge Beziehung zu „ihren“ Landwirten und Produzenten und können genaue Auskunft über Anbau- und Herstellungsbedingungen geben. Die meisten Produkte in den Regalen der Bio-Läden sind zusätzlich zu „Bio“ auch fair gehandelt oder stammen aus sozialen Projekten.
Stabilere Preise
Eine Quersubventionierung konventioneller Produkte wie beim Discounter oder Supermarkt findet hier nicht statt. Und als im Zuge der Inflation seit Beginn des Ukraine-Krieges die Preise explodierten, blieben Bio-Läden auf dem Boden. Während die Discounter etwa innerhalb eines Jahres 37 Prozent mehr Geld für ihre Bio-Milch verlangten, war der Preisanstieg im Bio-Laden mit 18 Prozent nur halb so dramatisch. Auch Bio-Eier wurden im Bio-Laden nur um fünf Prozent teurer – im Gegensatz zu zwölf Prozent beim Discounter.
Regionale und exklusive Produkte
Bieten Supermarkt und Discounter im Bio-Sortiment meist nur klassische Alltagsprodukte an, findet man im Bio-Laden häufig Spezialitäten und exklusive Produkte lokaler Erzeuger. Oft gehen Bio-Läden für ihre Kund:innen viele Extra-Meter, etwa indem sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt aus- und weiterbilden. Das reicht von Bio-Seminaren über den Zugang zu E-Learning-Plattformen rund um Bio und Nachhaltigkeit bis hin zur staatlich geprüften Zusatzqualifikation für den Naturkosthandel. Und das ist nicht nur Theorie: Bei Alnatura etwa gehört ein Praktikum auf einem Bio-Bauernhof oder in einer Bio-Bäckerei fest zur kaufmännischen Ausbildung dazu. Dieses Engagement zahlt sich aus. „Die Menschen hier sind sehr nett und geben gute Tipps. Und es gibt immer noch eine neue Teesorte, die noch besser schmeckt als die bisherige“, sagte Bio-Kundin Sabine ebenfalls bei der Umfrage in Darmstadt.
Beratung ist Trumpf
Auch für all diejenigen, die spezielle Ernährungsbedürfnisse haben oder unter Allergien und Unverträglichkeiten leiden, sind Bio-Läden oft die bessere Wahl. Denn hier wird eine deutlich größere Vielfalt an spezialisierten Produkten geboten – von veganem Käse bis zu glutenfreier Pizza aus Reismehl mit laktosefreiem Mozzarella. Dazu pflegen viele Bio-Läden eine enge Beziehung zu ihren Kunden und gehen gezielt auf deren Wünsche ein: Steht das Lieblingsmüsli nicht mehr regulär im Regal, bieten viele Bio-Läden an, dies speziell für den Kunden zu bestellen.
„Bio-Läden sind eine Art Innovationsmotor“
Interview mit Kathrin Jäckel
Wie können sich Bio-Läden gegen Discounter und Co. behaupten?
Dass Bio-Läden Bio verkaufen, reicht nicht mehr als Verkaufsargument. Heute ist es wichtiger denn je, das Einkaufserlebnis besonders zu gestalten – über persönliche Nähe, exklusive Produkte kleiner Erzeuger:innen, Veranstaltungen und Zusatzdienstleistungen. Idealerweise transportieren sie diese Nahbarkeit und Echtheit auch über digitale Medien. Überschaubare Läden mit eigener DNA können im hektischen Alltag Orte sein, an denen man nicht nur schnell einkaufen geht, sondern gerne Zeit verbringt.
Was stimmt Sie da so optimistisch?
Aktuell geht es dem Fachhandel besser als noch im letzten Jahr. Doch der Krieg in der Ukraine und die überall steigenden Kosten haben ihn natürlich getroffen. Allerdings haben wir auch in dieser Krise einmal mehr bewiesen: Wir sind verdammt resilient. Und es ist beachtlich, dass Bio- und Naturkost-Läden ganze 20 Prozent des Bio-Umsatzes erwirtschaften, obwohl sie nur 6,5 Prozent der Lebensmitteleinkaufsstätten Deutschlands ausmachen.
Die Bundesregierung will 30 Prozent Öko-Fläche bis 2030. Warum brauchen wir Bio-Läden dafür?
Aktuell wächst nur auf knapp zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Bio. Beim 30-Prozent-Ziel der Regierung dürfen wir uns deshalb nichts vormachen: Ohne die Mengen, die Discounter, Vollsortimenter und Drogerien bewegen, schaffen wir das nicht. Bio-Läden leisten aber auch dadurch einen wichtigen Beitrag, dass sie kleineren Bio-Betrieben und Start-ups Vertriebswege ermöglichen. Oft sind sie der Ort, an dem nachhaltige Marken ihre ersten kleinen Schritte tun, bevor sie wachsen können. Das macht sie zu einer Art Innovationsmotor.
„Menschen aus dem Ort kommen bei uns ins Gespräch“
Treffpunkt für Austausch
Und schließlich erfüllen Bio-Läden auch eine soziale Funktion. Hier trifft man auf Menschen mit ähnlichen Wertevorstellungen, verabredet sich auf einen Kaffee, tauscht sich mit Nachbarn aus und erlebt eine persönliche Einkaufsatmosphäre. Auf persönliche Nähe setzt auch Viktoria Lukas. In ihrem Dorfladen in Seestall verkauft sie gemeinsam mit ihrem Verlobten fast ausschließlich Bio-Produkte. Über ihre Kundschaft in dem 500-Seelen-Dorf sagt sie: „Menschen aus dem Ort, die vorher schon lange nichts mehr miteinander zu tun hatten, treffen sich bei uns wieder und kommen ins Gespräch – auch über Bio.“ So entsteht eine enge Verbundenheit zwischen Erzeuger:innen, Kundschaft und dem Laden selbst, die weit über den reinen Einkauf hinausgeht. Bio-Läden sind damit nicht nur ein Ort für gesunde Ernährung, sondern auch ein Treffpunkt, der das Gemeinschaftsgefühl stärkt.
Gib Bio deine Stimme
Was ihr als Kund:innen an euren Bio-Läden besonders schätzt, erheben wir von Schrot&Korn jedes Jahr in unserer Leser:innenbefragung Beste Bio-Läden. Noch bis zum 8. Dezember könnt ihr für eure Lieblingsläden abstimmen und dabei tolle Preise gewinnen. So leistet auch ihr einen Beitrag dazu, dass Bio-Läden kleine Einkaufsoasen bleiben, die sich dafür stark machen, künftigen Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen.
Kommentare
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Hallo ihr lieben, es stimmt ,was ihr schreibt über die Vorteile von Bioladen.
ABER, wenn man in der tiefen Provinz lebt und kaum Auto fährt, ist man froh einiges "Bio" im Discounter kaufen zu können. Mittlerweile sind diese sozusagen "Grundversorger" auf dem Platten Land. Den Rest evtl. Übers Internet bestellen. Klar, dass dabei jegliches Einkaufserlebnis und Beratung fehlt. Nüchtern betrachtet aber besser als Massenware einzuverleiben. Viele Grüße aus dem Pfälzer Wald
Hallo liebe Anna, natürlich ist es richtig, dass die Bioläden-Infrastruktur vielerorts zu wünschen übrig lässt. Und ich gebe dir Recht: besser Discount-Bio als gar keins. Für Menschen in der tiefen Provinz würde ich mir ergänzend zum Online-Bio-Shopping "virtuelle Bio-Treffs" wünschen, in denen die Themen und Produktberatungen aus dem Bioladen Platz haben. Nicht nur zu Informationszwecken, sondern auch um sich bewusst zu machen: ich bin mit meinen Werten und Idealen nicht allein. Beste Grüße aus Ilshofen-Hessenau (à propos Provinz!), Ina