Herzhafter Schinken
Hinterbacken vom Schwein in Schinken zu verwandeln ist ein uraltes Handwerk und eine Kunst für sich. Jeder Hersteller schwört dabei auf eigene Rezepturen, die regional ganz unterschiedlich sein können. Dadurch entsteht eine große Geschmacksvielfalt.
Zuerst das Salz
Egal, ob das Fleisch gekocht, geräuchert oder getrocknet werden soll, am Anfang steht immer das Einsalzen. Bio-Schinken wird in der Regel von Hand mit Salz eingerieben. In der konventionellen Produktion wird dafür meist Nitritpökelsalz verwendet, welches das Fleisch nicht nur haltbar macht, sondern auch schneller für die gewünschte Rotfärbung sorgt. Zum Kochen oder Braten sind mit Nitritpökelsalz behandelte Schinken indes nicht gut geeignet. Man sollte sie nicht über 175 Grad erhitzen, sonst bilden sich die als krebserregend bekannten Nitrosamine.
Nach dem Salzen ruht der Schinken, während das Salz in etwa acht Wochen vom Rand zum Kern diffundiert. Dadurch wird das Fleisch konserviert und verliert bis zu 40 Prozent Wasser.
Bergluft oder Rauch
Im mediterranen Klima wird der Schinken durch Trocknen haltbar gemacht. Luftgetrockneter Schinken wie der spanische Serrano (Bio Verde) hängt dazu in der windigen Gebirgsluft oder in klimatisierten Trockenkammern. Je länger er dort abhängt, desto ausgereifter und hochwertiger wird das Produkt. Um als Serrano gehandelt zu werden, muss die Keule mindestens neun Monate gereift sein, besonders hohe Qualität reift bis zu drei Jahre.
Auch aus Italien kommen luftgetrocknete Schinken wie beispielsweise Prosciutto Crudo (Bio Verde). Dieser Schinken mit kräftigem Aroma ist zwölf Monate luftgereift.
Ebenso gibt es geräucherten Schinken. Der Rauch wirkt zusätzlich konservierend und verleiht dem Schinken ein deftiges Aroma. Etwa zwei Wochen wird Räucherschinken dazu in die Rauchkate oder eine Räucherkammer gehängt und indirektem Rauch von Harthölzern ausgesetzt. Dann folgt die Nachreife, die bei Premium-Qualität um die vier Monate dauert.
Reifung bringt Geschmack
Für das gewünschte Aroma und die richtige Konsistenz ist die Reifezeit sehr wichtig. Ruhe und Zeit machen das Fleisch mürb und zart und intensivieren den Geschmack. Während ein Bio-Schinken sein Aroma langsam entfalten kann, wird bei konventioneller Ware die Reifung oft beschleunigt.
Vor allem beim Kochschinken sind die Unterschiede groß: Konventionelle Billigware wird in der beschleunigten Produktion mit Nitritpökelsalz gespritzt und anschließend getumbelt und gepoltert, also in großen Maschinen unsanft hin und her bewegt, um die Muskelfasern anzubrechen. Dadurch werden Enzyme freigesetzt, die Reifung kommt schneller in Gang. Phosphatbeigaben ermöglichen einen hohen Wassergehalt, sodass das Produkt nach der Bearbeitung oft mehr Gewicht auf die Waage bringt als vorher. Diese Beigaben von Phosphaten bindet das Fleisch in seiner Konsistenz. Zwar ist es dann gummiartig und schmeckt fad, oder einfach nur übersalzen. Dank des niedrigen Preises findet es dennoch genügend Käufer. Bioware, wie der zarte, delikate Wacholderschinken, auch ein Kochschinken (Chiemgauer Naturfleisch), spielt da in einer völlig anderen Klasse.
Herzhafte Vielfalt
Der in die typische, viereckige Form geschnittene, stark geräucherte Schwarzwälder Schinken (Schwarzwaldmetzgerei Kalbacher) erhält seinen kräftigen Geschmack durch Fichten- oder Tannenrauch und einer Mischung aus Knoblauch, Koriander, Pfeffer und Wacholder. Tiroler Rohschinken (wie beispielsweise von Juffinger) wird nur leicht angeräuchert und dann in geöffneten Trockenkammern an der Bergluft gereift. Neben Bergkräutern prägt hier vor allem das Klima den Geschmack. Bei sogenanntem Wacholder-, Kräuter- oder Pfefferschinken (Kalbacher, Chiemgauer, oder Ökoland) verleiht die namensgebende Gewürzzutat die besondere Note. Meist wird der Schinken aus der Schweinekeule hergestellt, doch finden auch andere Teile Verwendung. So wird der besonders magere und zarte Lachsschinken (beispielsweise Wellness-Schinken von Original Wein) aus dem Innenstrang des Kotelettstücks erzeugt. Eine ganz besondere Spezialität, die aus Italien stammt, heißt „Coppa“ (Ökoland, Juffinger) und besteht aus luftgetrocknetem Schweinenacken. Sie zeichnet sich durch eine besondere Marmorierung von Fleisch und Fett aus. Vorderschinken stammt indes von der Schweineschulter und wird meist gekocht.
Zutaten: Weniger ist mehr
Die Liste der Zutaten ist bei konventionellen Billigprodukten oft lang und wenig erfreulich: Neben Nitritpökelsalz, Natriumnitrit und Phosphaten finden auch Geschmacksverstärker Verwendung. Für den „richtigen“ Geschmack, der bei der Kürze der Herstellungszeit kaum ausreifen kann, sorgen zusätzlich Aromastoffe. Die durch Nitritpökelsalz beschleunigte Rötung wird mit Ascorbinsäure und Farbstoff intensiviert. Bei Bio-Schinken sind Raucharomen verboten, fürs Räuchern dürfen nur naturbelassene Hölzer verwendet werden. Aussehen und Geschmack werden mit Zucker und Gewürzen (die in der Regel ebenfalls aus kontrolliert biologischem Anbau sind) verbessert. Die meisten Anbauverbände wie Bioland, Demeter, Gäa und Ökosiegel verbieten den Gebrauch von Nitritpökelsalz, die EU-Bio-Richtlinie und das deutsche staatliche Bio-Siegel sowie die Verbände Naturland, Biokreis und Biopark hingegen lassen geringe Mengen des Pökelstoffs zu.
Geheimtipp: Coppa
Diese traditionelle italienische Spezialität aus Schweinenacken war bei uns lange ein Geheimtipp. Doch ist die rot-weiße, mit Speck durchzogene Delikatesse mittlerweile erstaunlich schnell weg auf einer Antipasti-Party-platte. Weil luftgetrocknet, ähnelt sie im Geschmack dem Parmaschinken. Doch ist der marmorierende Speck das Geheimnis ihres intensiven Aromas.
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