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Hefe: Warum sie bio sein sollte

Was Bio-Hefe so besonders macht und was es zu beachten gilt, damit das Backen mit Bio-Hefe gelingt.

Ohne die winzigen, mit bloßem Auge nicht sichtbaren Hefezellen wäre unser kulinarisches Leben um einige Genüsse ärmer. Ohne sie gäbe es keine Buchteln oder Brioche, kein Bier und keinen Wein.

Als Louis Pasteur vor 140 Jahren erstmals beschrieb, dass pflanzliche Kleinlebewesen für die erwünschte Gärung von Bier und Brot verantwortlich sind, war der Grundstein für die gezielte Hefezüchtung gelegt: Rund 700 verschiedene Hefearten sind inzwischen bekannt. Unsere übliche Backhefe hatte ihren Ursprung im Bier, deshalb ihr Name: Saccharomyces cerevisiae bedeutet „Zuckerpilz des Bieres“.

Was ist der Unterschied zwischen konventioneller Hefe und Bio-Hefe?

Was ist an Bio-Hefe anders? Hefen sind einzellige Pilze. Die für die Lebensmittelherstellung wichtigen Hefestämme ernähren sich von Zucker. Dabei scheiden sie, wenn Sauerstoff vorhanden ist, Kohlendioxid aus und lockern damit den Teig auf. Ohne Sauerstoff vergären sie den Zucker zu Alkohol. Neben Zucker brauchen Hefepilze Stickstoff für die Eiweißbildung, Phosphor für die Zellatmung, Mineralstoffe und Spurenelemente. Wer Hefe im großen Stil als Lebensmittelzutat herstellen will, muss die Pilze optimal füttern. Und hier liegt der Unterschied. Denn die Nährlösungen für Bio-Hefe und konventionelle Hefe unterscheiden sich deutlich.

Bio-Hefe braucht auch Bio-Futter.

Konventionell werden die Hefen auf Melasse vermehrt, die als Rückstand bei der Zuckerherstellung anfällt. Den notwendigen Stickstoff führen die Hersteller in anorganischer Form zu – quasi als Kunstdünger. Hinzu kommen synthetische Vitamine und Mineralsalze sowie Entschäumungsmittel. Alles Zutaten, die für ein ökologisches Lebensmittel eigentlich nicht in Frage kommen. So erzeugte Hefe muss anschließend zweimal gewaschen werden. Das anfallende Abwasser ist schwer abbaubar.

Als Alternative brachte die zur Dr. Oetker-Gruppe gehörende Firma Agrano bereits 1996 unter dem Markennamen Bioreal die erste Bio-Hefe auf den Markt. Das Unternehmen „fütterte“ seine Hefepilze mit Bio-Getreide. Eigentlich nichts Neues. Denn bis zum Ersten Weltkrieg wurden Hefen fast nur auf Getreide vermehrt. Erst die Getreideknappheit in den Kriegsjahren hatte Melasse als Rohstoff interessant gemacht.

Gegenüber Melasse hat Getreide den Vorteil, dass es auch genug Stickstoff liefert. Nur in wenigen Fällen muss dem Nährsubstrat weiterer organischer Stickstoff zugefügt werden, etwa in Form von Molke oder Bierhefe. Synthetische Zusätze bleiben bei Agrano außen vor. Das Schäumen im Fermenter verhindert ein Schuss Bio-Sonnenblumenöl. Waschen ist nicht nötig.

Rundum Bio also mit „leicht getreidiger Note“, wie Agrano den Geschmack der frischen Bioreal-Hefe beschreibt. Der Einsatzbereich dieser Hefe, die als erstes von Rapunzel vertrieben wurde, beschränkte sich anfangs weitgehend auf Backstuben. Die Bio-Bäcker brauchten allerdings ihre Zeit, um mit den leicht veränderten Backeigenschaften der Hefe vertraut zu werden.

Genmanipuliert? Nicht mit Bio

Für alle konventionellen Hefen, die Bio-Hersteller einsetzen, gilt: Sie dürfen nicht gentechnisch manipuliert sein. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn Hefen gehören zu den Lieblingsorganismen der Molekularbiologen. Noch sind in der EU keine Gentech-Hefen für Nahrungsmittel zugelassen. Doch in den USA nutzen erste Winzer bereits genmanipulierte Hefen.

Backen mit Bio-Hefe: Warum geht sie nicht auf?

Wer die Tricks kennt, erzielt mit Bio-Hefe genauso gute Backergebnisse wie mit konventioneller. Es gilt nur einige kleine Unterschiede zu beachten. In der Profi-Backstube – und zuhause in der Küche. Der Wichtigste: Frische Bio-Getreidehefe braucht etwas länger, bis sie anspringt. Deshalb sollte der Hefeteig länger ruhen als üblich, bevor er verarbeitet wird. Dafür bleibt das fertige Produkt auch besonders lange frisch.

Während die Bäcker meist mit Frischhefe arbeiten, hat sich in der Küche Trockenhefe durchgesetzt. Um sie herzustellen, wird die Fischhefe schonend getrocknet, sodass sie gärfähig bleibt. Die Tütchen sind für 500 Gramm Mehl portioniert. Nicol Gärtner, geschäftsführende Gesellschafterin des Bio-Backmittelspezialisten Biovegan, empfiehlt die Trockenhefe gleich nach dem Öffnen des Tütchens zu verarbeiten. „Die Bio-Hefe ist weniger stark verarbeitet und enthält anders als konventionelle Trockenhefen keine Emulgatoren. Dadurch ist sie empfindlicher gegen Sauerstoff und verliert an der frischen Luft schnell an Triebkraft.“ Auch in Wasser auflösen oder in Milch anrühren bekommt der Trockenhefe nicht. Einfach ins Mehl streuen, vermischen und dann erst die Flüssigkeit hinzufügen. „Die Hefe auf Getreidebasis von Biovegan ist glutenfrei“, sagt Nicol Gärtner. Sie lässt jede Charge untersuchen und darf deshalb das Siegel der Deutschen Zöliakie Gesellschaft nutzen.

In den allermeisten Backwaren liegt der Anteil der Hefe unter fünf Prozent. Für Bio-Bäcker, die einem Anbauverband wie Bioland, Demeter oder Naturland angehören, ist dennoch Bio-Hefe inzwischen Pflicht. Andere Bio-Bäcker dürfen weiter konventionelle Hefe verwenden und sparen dadurch Geld. Denn die Bio-Hefe ist etwa viermal so teuer. Ob Bio-Hefe verwendet wurde, erkennt man an dem Stern im Zutatenverzeichnis.

Probiert es doch einfach aus! Hier gibt es unsere liebsten Rezepte mit Biohefe:

Hefe-Rezepte: von süß bis deftig

Ernährung: Wie gesund ist Bio-Hefe?

In Bio-Läden und Reformhäusern hat Hefe auch eine Tradition als eiweißreiches vegetarisches Lebensmittel mit vielen B-Vitaminen und Mineralstoffen. Durch Trocknen und Mahlen entsteht aus der Frischhefe die nicht mehr gärfähige Nährhefe. Sie dient als Basis zahlreicher vegetarischer Aufstriche.

Wird die frische Hefe fermentiert, also enzymatisch umgewandelt, erhält man Hefeextrakt, mit seinem typischen fleischigen Geschmack. Hefeextrakte finden sich deshalb in Brühen und Fertigsoßen oder als wichtiges Gewürz in Fleischersatzprodukten und in manchen Aufstrichen.

Bio-Hefeextrakt: Herausfordernde Herstellung

Bio-Hefeextrakt herzustellen erwies sich als wahre Herausforderung. Diente Bio-Getreidehefe als Ausgangsbasis, erreichte der Hefeextrakt nicht den typischen Würze-Geschmack konventioneller Extrakte. Die ersten Versuche, damit Brühen und Aufstriche herzustellen, waren bei Kunden wenig erfolgreich. Die meisten Hersteller blieben deshalb bei konventionellen Hefeextrakten. Lediglich von Rapunzel gab es schon 2002 eine Delikatessbrühe mit Bio-Hefeextrakt.

Um das Geschmacksproblem zu lösen, versuchten die Hefeproduzenten, eine Bio-Melassehefe herzustellen. Weil Melasse kaum Stickstoff enthält, braucht es hierzu eine passende organische und bio-zertifizierte Stickstoffquelle. 2004 gelang es der Hefe Schweiz AG, eine erste Bio-Melassehefe auf den Markt zu bringen. Inzwischen gibt es sie von mehreren Herstellern. Die daraus hergestellten Hefeextrakte eignen sich prinzipiell auch für Suppen, Soßen und Aufstriche.

Bio-Melassehefe schmeckt als Extrakt weniger intensiv als konventionelle. Gleichzeitig ist sie deutlich teurer. Das trifft vor allem Produkte mit hohem Hefe-Anteil und Hefeflocken oder Extrakte, die pur als Gewürzmittel verkauft werden. Hinzu kommt, dass Bio-Melassehefe knapp ist, denn es gibt nur wenig Bio-Rübenzucker und somit wenig Bio-Melasse. Aus diesen Gründen verwenden einige Hersteller als Gewürz weiterhin konventionellen Extrakt. In der Zutatenliste ist er erkennbar, weil dort das Sternchen fehlt. Andere Hersteller haben den Anspruch, dass alle landwirtschaftlichen Zutaten auch Bio sein sollten – auch der Hefeextrakt.

Bio-Hefe in Bier und Wein

Bio-Brauer und Winzer setzen keine der bisher beschriebenen Hefen ein. Sie brauchen Reinzuchthefen, das sind ausgewählte Stämme mit einer genau definierten Wirkung. Weil der Hefeanteil in ihren Erzeugnissen gering ist, müssen Brauer und Winzer keine Bio-Hefen verwenden. Die Winzer kaufen ihre Hefen jedes Jahr neu ein. Dabei können sie auch auf erste bio-zertifizierte Reinzuchthefen zurückgreifen. Doch decken diese längst nicht alle gewünschten Eigenschaften ab. Deshalb sind konventionelle Hefen noch weit verbreitet. Damit die Hefen im Gärtank ordentlich arbeiten, dürfen ihnen die Winzer, auch bei Bio-Weinen, einen kleinen Schluck anorganischen Stickstoff mitgeben.

Die Bierbrauer brauchen nicht nur einmal im Jahr Hefe, sondern ständig. Deshalb vermehren sie die verwendeten Stämme oft selbst weiter, mit der Würze aus der Bierherstellung als Nährlösung. Sie stammt in Bio-Brauereien aus Bio-Getreide.

Mehr zu Bio-Bier erfahrt ihr hier:

Darum ist Bio-Bier so gut
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