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Doch die Bohne!

Raps- und Soja-Eiweiß im Tierfutter haben heimische Leguminosen fast verdrängt. Dabei sind Ackerbohnen und Futtererbsen regional und nachhaltig. Bio-Bauern wissen das. // Sylvia Meise

Raps- und Soja-Eiweiß im Tierfutter haben heimische Leguminosen fast verdrängt. Dabei sind Ackerbohnen und Futtererbsen regional und nachhaltig. Bio-Bauern wissen das. // Sylvia Meise

Leguminosenbashing, Greening, Eiweißstrategie … Jahrzehntelang interessierte sich das Gros der Bauern und Politiker nicht die Bohne für einheimische Tierfutterpflanzen, denn an ihnen klebt das Etikett „unwirtschaftlich“. Günstiges Soja aus Übersee und Rapsschrot aus Europa schienen unerschöpflich. Jetzt aber wird heiß diskutiert, denn Ernteausfälle bei Soja und Raps sorgen für hohe Preise und lassen alte Eiweißlieferanten wie Ackerbohne und Futtererbse wieder attraktiv erscheinen. Nur sind diese jetzt fast verschwunden. Vor 60 Jahren wippten die hübschen Schmetterlingsblüten auf fast 15 Prozent der deutschen Anbaufläche, heute werden sie fast nur noch auf Bio-Höfen angebaut.

Wer nämlich ohne ressourcenverschlingende und umweltschädliche Düngemittel arbeitet, muss auf wechselnde „Fruchtfolgen“ achten: nach Getreide, das dem Boden die Nährstoffe entnimmt, säen Bio-Bauern Leguminosen – entweder eine Kleegras-Mischung oder Körnerleguminosen wie Bohne, Erbse, Lupine oder in wenigen, klimatisch günstigen Regionen auch Soja. Denn: Nur sie machen für die folgende Aussaat auf natürliche Weise verfügbar, was Pflanzen unbedingt zum ertragreichen Wachstum brauchen: Stickstoff und Phosphor.

Zickige Erbsen

Leguminosen sind Alleskönner: Sie locken Knöllchenbakterien an, die Stickstoff aus der Luft in die Erde legen, lockern den Boden, lösen Phosphor in der Erde und bauen Humus auf. Zudem füttern sie Regenwürmer und Bienen, und sie bereichern die Biodiversität. Anders als auf vielen konventionellen Feldern gibt es so keine Überdüngung mit Stickstoff – keine Nitratreste gelangen in Flüsse oder Grundwasser, keine Kröte verätzt sich auf so einem Feld den Bauch. Alles „weiche Faktoren“, die in Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit der Leguminose nicht auftauchen.

Nur ist der Anbau knifflig. Besonders die Erbse schwächelt oft – und vielen Bauern fehlt das Know-how. Anders als bei Weizen oder Mais wurde jahrzehntelang kaum Geld in Studien gesteckt. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL) Deutschland allerdings ist bereits aktiv, derzeit wird die „Steigerung der Bodenfruchtbarkeit durch Erbse und Ackerbohne“ untersucht. Dabei wurde ein Test entwickelt, der anzeigt, ob die Erbse gut wachsen kann.

Selbst ist der Bauer

Wirtschaftlichkeit kann auch eine Frage der Kreativität sein. Beispiel Alblinse. Auf der Schwäbischen Alb hat Familie Mammel 1985 eine alte Tradition wiederbelebt – den Anbau der „Alb Leisa“. Die Linse war derart in Vergessenheit geraten, dass es sie gar nicht mehr gab. Schließlich fand Bio-Bauer Woldemar Mammel in der St. Petersburger Gendatenbank ähnliche Exemplare, kultivierte sie – und vermarktete sie gekonnt. Eine 2002 gegründete Erzeugergemeinschaft von 62 Höfen baut die Linse heute an.

Auch der nordhessische Bio-Bauer Uwe Brede rettete eine alte Sorte, die Ackerbohne Bilbo. Auf der Staatsdomäne Niederbeisheim hält er 9000 Legehennen – und füttert sie mit diesen Bohnen. Als vor zwei Jahren für deren Lieblingssorte der Sortenschutz auslief, gründete er die „Bäuerliche Saatgut Genossenschaft“, erwarb 100 Samenkörner – und wird übernächstes Jahr genug haben, um sie verkaufen zu können.

Jetzt züchtet Brede sogar eine neue Sorte. Warum? „Früher gab es neun Sorten, jetzt sind es noch drei – wir Bio-Landwirte brauchen mehr Sortenvielfalt. Außerdem wollen wir unabhängig vom Preisdruck der Big Player im Saatgut- und Futtermittelhandel sein.“ Importsoja stammt überwiegend aus Monokulturen in Brasilien oder Argentinien – das dürfe man nicht vergessen. „Wir füttern unsere Tiere – aber was essen die Bauern dort? Ihnen bleiben kaputte Böden.“ So wird Hunger exportiert und unter den Folgen der Regenwaldabholzung leidet die ganze Welt.

Könnte sein, dass Brede bald auch konventionelle Bauern beliefert. Sie werden umdenken müssen: Wenn Verbraucher darauf bestehen, dass Eier und Fleisch nachhaltiger produziert werden und wenn durch Rohstoffknappheit die Kosten für Stickstoff- und Phosphordünger ebenso steigen wie die Preise für Raps und Soja durch Ernteausfälle.

Hilfe von der Gemeinsamen Agrarreform (GAP) der EU, die im Juni verabschiedet werden soll, ist wohl nicht zu erwarten. Zwar war mehr „Greening“ vorgesehen. Die Umweltprämie sollte nur an Bauern gezahlt werden, die – unter anderem durch Einhaltung von Fruchtfolgen mit Leguminosen – zur Biodiversität oder dem ökologischen Erhalt von Grünland beitragen. Doch die Lobby der Agrarindustrie hat gegengesteuert. Dass die Chance genutzt wird, über den Hebel Subventionen eine ökologische Landwirtschaft zu fördern, ist mehr als ungewiss. Dabei hatte der Bund sogar ein Eiweißstrategiepapier entwickelt und die Deutsche Agrar-Forschungsallianz eine „Forschungsstrategie Leguminosen“. Allein die beherzte Umsetzung in die Praxis fehlt. Um ein Zeichen zu setzen, fordert der politisch engagierte Bauernverband AbL „20 Prozent Leguminosen!“ – so viel, wie Demeter-Bauern schon immer anbauen.

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