Knoblauch hat es in sich, man schmeckt's und man riecht's. Kaum eine andere Pflanze besitzt so viele Heilwirkungen. Daß Knoblauch Bakterien abtötet, wies Louis Pasteur bereits 1858 nach. Aber die Knolle ist nicht nur urgesund, sie sorgt auch für Gaumenfreuden - zumindest bei ihren Anhängern. Wer die strengen Ausdünstungen nach dem Verzehr nicht mag, dem ist allerdings kaum zu helfen.
Der Knoblauch wird geliebt oder gehaßt, gleichgültig läßt er keinen. Eine Pflanze, die so viel Kraft besitzt, muß einfach heftige Reaktionen hervorrufen. Früher war es vor allem Verehrung, den Ägyptern galt die Knolle als heilig. Beim Bau der Pyramiden wurden die Arbeiter mit Knoblauch, Zwiebeln und Rettich gespeist, damit sie die Strapazen aushielten. Infektionen und Seuchen traten damals angeblich nicht auf. Daß man seit altersher glaubte, der Knoblauch könne Dämonen und Vampire abwehren, überrascht kaum. Seine Heilwirkungen sind schon Legende, fast alle berühmten Ärzte wie Hippokrates, Paracelsus oder Hildegard von Bingen haben die Qualitäten des Knoblauchs gerühmt. Seit den achtziger Jahren ist sein Ansehen auch bei uns wieder gestiegen, die Weltproduktion hat sich nahezu verdoppelt. Nur seinen kleinen "Schönheitsfehler" - den penetranten Geruch nach dem Verzehr - mögen manche dem Knoblauch nicht verzeihen.
Die Heimat des Knoblauchs (Allium sativum) liegt in Zentralasien, doch wird er als Küchengewürz fast überall kultiviert. In Sizilien und im Mittelmeergebiet kommt er auch wild vor. Die ausdauernde, mehrjährige Staude gehört zur Gattung Lauch (Allium) und wird der Familie der Liliengewächse zugeordnet. Das althochdeutsche Wort "clofolauh" heißt soviel wie gespaltener Lauch. Gemeint ist damit wohl die eiförmige Hauptzwiebel, um die herum sich die gekrümmten, abtrennbaren Nebenzwiebeln (Knoblauchzehen) gruppieren. Aus dieser im Boden wachsenden Knolle treibt ein federkieldicker, stielrunder Stengel, der etwa einen Meter lang werden kann und im unteren Teil mehrere zugespitzte, grüne Blätter trägt. An der Stengelspitze bildet sich im Juli/August eine Dolde mit rötlich-weißen Blüten. Im Spätsommer, wenn die Blätter dürr werden, ist Erntezeit. Knoblauchzwiebeln und -kraut werden dann traditionell zu Büscheln (Zöpfen) geflochten und zum Trocknen aufgehängt.
Der Knoblauch liebt fruchtbaren, am besten kalkig-lehmigen, aber leichten Boden, in den man die Setzzehen im Frühjahr oder je nach Sorte auch im Herbst ausbringt. Wärme und Sonnenlicht fördern das Pflanzenwachstum, zuviel Wasser führt zum Faulen der Knolle.
Auch Biobauern müssen ihre Pflanzen vor Pilzbefall schützen
Im Bio-Anbau beginnt eine spezielle Fruchtfolge mit vier Jahren Luzerne, in denen sich der Boden regenerieren kann. Im Zehn-Jahres-Zyklus werden dann noch Getreide (Weizen, Gerste) und selten mehr als drei- bis viermal Knoblauch angebaut. Während konventionelle Landwirte in wärmeren Regionen Tausende von Hektar mit Knoblauch bepflanzen, zählen südeuropäische Biobauern schon mit wenigen Hektar zu den größten Erzeugern. In Deutschland gehört Knoblauch zu den unproblematischen Gemüsekulturen. Den im konventionellen Bereich häufig auftretenden Viruserkrankungen beugt man mit eigenem, kontrolliert biologischem Saatgut vor.
Die Ernte erfolgt maschinell. Früher blieben die Knollen samt Laub zum Trocknen auf dem Feld liegen. Wegen der steigenden Nachfrage kann man sich diesen Luxus heute nicht mehr leisten. Knoblauch wird daher oft frisch (halbtrocken) verkauft, zum richtigen Durchtrocknen braucht er rund acht Monate.
Seine Inhaltsstoffe machen Knoblauch zum "Wunderkraut"
Frisch geernteter Knoblauch schmeckt nicht nur besser, das heißt intensiver und trotzdem milder, er ist auch reicher an Wirkstoffen. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von medizinischen Untersuchungen, die seine außergewöhnlichen Eigenschaften belegen. Als wichtigste Heilsubstanz betrachtet die Wissenschaft das Allicin, das erst nach dem Anschneiden durch die Aktivität des Enzyms Alliinase aus dem geruchlosen Alliin entsteht. Man nimmt an, daß Allicin die Pflanze auch vor Schädlingsbefall schützt, insbesondere nach mechanischer Verletzung. Unter Sauerstoffeinfluß bilden sich aus Allicin verschiedene Schwefelverbindungen, darunter auch Diallyldisulfid, das primär für den charakteristischen Knoblauchgeruch verantwortlich ist. Es wandert rasch ins Blut und wird über Lunge und Haut abgeatmet. Die gefürchtete "Knoblauchfahne" stammt jedenfalls nicht aus dem Magen.
Allicin wirkt antibakteriell (antibiotisch), was den jahrhundertelangen Gebrauch des Knoblauchs gegen Magenbeschwerden und Darmleiden wie Durchfall, Ruhr und Typhus erklärt. Weitere Umwandlungsprodukte des Allicins, die Ajoene, finden sich bevorzugt in Ölauszügen. Sie verhindern die Blutverklumpung in den menschlichen Gefäßen. Auch Atemwegserkrankungen sprechen erfahrungsgemäß gut auf Knoblauch an. Die zahllosen therapeutischen Effekte des Knoblauchs gehen aber nicht allein auf die Schwefelverbindungen (33!) zurück. Die Vitamine A, B, C, D, E und K, Hormone, Fermente, Flavonoide sowie Aroma- und Mineralstoffe sind auf vielerlei Weise an der Gesamtwirkung beteiligt. Bemerkenswert ist die hohe Konzentration des Spurenelements Selen, das für die Immunabwehr und die Entgiftung bedeutsam ist. Auch das seltene Germanium kommt in Knoblauch reichlich vor. Es kann die Produktion der körpereigenen Freßzellen anregen und soll im Verein mit den Antioxidantien (Vitamin C, Provitamin A) auch das Wachstum von Krebs hemmen. Zumindest Tierversuche legen diese Vermutung nahe.
In der Geschichte der Volksheilkunde gibt es kaum ein Leiden, gegen das Knoblauch nicht schon mit Erfolg eingesetzt wurde. Scheint die Hoffnung auf die tolle Knolle heute bei Pest, Tollwut und Schlangenbissen auch gewagt, so haben sich andere Indikationen bewährt: Weit verbreitet ist die Verwendung gegen Würmer (Oxyuren), darüberhinaus senkt Knoblauch den Cholesterinspiegel und den Blutdruck, hilft bei Venenleiden und Krampfadern, lindert Hämorrhoidalbeschwerden und beugt allgemein Alterungsprozessen vor. Selbst bei Ischias, Zahn- und Ohrenschmerzen, Nikotinvergiftung, Diabetes und äußerlich als letztes Mittel bei hartnäckigen Hautausschlägen soll Knoblauch in Einzelfällen schon geholfen haben.
Abgesehen von seinem durchdringenden Geruch sei "Knoblauch ohne Nebenwirkung", schreibt der bekannte Apotheker Mannfried Pahlow. Zwei bis drei KnoblauchZehen täglich gibt er als Normaldosis an. Nur bei erheblich stärkerer Dosierung seien Reizungen im Verdauungstrakt zu befürchten. Der Schweizer Naturarzt Alfred Vogel sieht bei größeren Mengen auch die Nieren in Gefahr. Andererseits gilt: Nur bei regelmäßiger Einnahme über einen längeren Zeitraum sind therapeutische Effekte zu erwarten. Die seien bei standardisierten Knoblauch-Kapseln und -Dragees nicht schlechter als bei frischen Zehen, behaupten manche Forscher.
In der Küche konkurrenzlos
Übrigens, auch Pillen führen zu einer feinen Ausdünstung. Die läßt sich durch den Verzehr von Petersilie, Kaffeebohnen oder Gewürznelken eindämmen, so heißt es jedenfalls. Puristen wird es egal sein, die schwören ohnehin auf Knoblauch natur nach dem Motto: Was nicht riecht, kann auch nicht wirken. Ihre instinktiven Zweifel an der Qualität der Präparate scheinen nicht unbegründet. In vielen von ihnen ist die Konzentration der Inhaltsstoffe zu gering. Je nach Herstellungsverfahren wird das Enzym Alliinase inaktiviert oder es werden zwecks Geruchsvermeidung bestimmte Schwefelverbindungen entfernt. Knoblauchtrockenpulver, das durch schonendes Gefriertrocknen gewonnen wurde, soll dem Original noch am nächsten kommen.
Bei soviel Aufhebens um Knoblauch als Heilmittel werden andere Vorzüge leicht übersehen. Für seine Verehrer ist er in der Küche praktisch konkurrenzlos der "König der Gewürze". Er regt den Gallefluß an und fördert den Appetit. Knoblauch paßt zu Fleischgerichten wie zu Vegetarischem, mundet angebraten oder gedünstet ebenso wie in Öl/Essig eingelegt oder nackt und kalt. Für ein Butterbrot mit frischem, rohen Knoblauch würden Genießer meilenweit gehen. Wer empfindlicher ist und es weniger deftig mag, kann es den französischen Gourmetköchen nachtun. Die beißen einer Anekdote zufolge zuerst in eine Knoblauchzehe und hauchen dann kurz in die noch leere Salatschüssel. Das soll schon genügen.
Knoblauch als Lebensart: "Stinken und stinken lassen"
Wer dem Knoblauch einmal verfallen ist, wird süchtig und kommt von der Knolle nicht mehr los. So wie dem griechischen Philosophen Pythagoras ging es nach ihm noch unzähligen Liebhabern. Der kürzlich verstorbene Schriftsteller Gregor von Rezzori sah im frischen Knoblauch eine "Göttergabe" und in der Pressung zu Pillen eine üble "Entgleisung". In Nordafrika, so Rezzori, erkennen die Menschen in dem, der Knoblauch ausdünstet, ihren Bruder. "Stinken und stinken lassen", so lautet des Dichters Maxime. Auch der Kräuterkenner Maurice Mességué aus der Gascogne würde auf dem weihnachtlichen Gabentisch lieber ein hübsch eingewickeltes Knoblauchpäckchen sehen als all die "unverdaulichen Süßigkeiten". Sein Wunschtraum: Knoblauch statt Pralinen und "endlich ein Freund, der mir wohl gesonnen ist".
Hans Krautstein
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