Man stelle sich nur diese peinliche Situation vor: Da schippert er mit seiner sturmzerzausten Flotte in den Hafen ein, Jubel, Fanfaren, roter Teppich, Staatsempfang bei Königin Isabella. Und dann? Dann muss er sagen: Sorry, Seeweg nach Indien ist nicht. Kein Pfeffer, kein Ingwer, kein Basmatireis für Majestät. Und das Flaggschiff, die teure Santa Maria? Die hat er kaputt gefahren – an den Klippen einer größeren, aber auf der Landkarte gar nicht verzeichneten Insel.
Die Früchte Amerikas waren erstmal kein Erfolg
Kolumbus hatte ja leider keinen PR-Berater dabei. Und keinen findigen Schiffskoch. Die hätten ihm helfen können, die Entdeckung der Neuen Welt gleich ins richtige Licht zu rücken. „Was scheren uns Reis, Ingwer und ein altes Wrack, Majestät! Wir haben eine Ladung feinster exotischer Früchte in schier unglaublicher Vielfalt an Bord, neuartiges farbenfrohes Fitness-Food, köstlich und doch kalorienarm …“, so ungefähr hätte der PR-Berater formuliert. Und der Schiffskoch hätte vielleicht ein Kartoffel- Soufflé mit grünen Bohnen und Chili, eine Polenta mit Tomaten und Paprika und als Nachtisch ein Ananas-Sorbet mit Vanillesoße serviert. Kein Zweifel, Isabella hätte huldvoll gelächelt, alles verputzt und die Santa Maria wie den Basmatireis einfach vergessen.
Aber so war es nicht. Die Königin ahnte, dass ihr Investment fehlgeschlagen war. Und der berühmteste Versager der Weltgeschichte? Der schmollte mit seinem Schicksal und überließ es weitgehend anderen, zu entdecken, was er da entdeckt hatte. Nicht nur den Kontinent selbst, den erst sein Seefahrerkollege Amerigo Vespucci 1507 als solchen erahnte. Auch alles, was Essbares darauf wuchs, machten kulinarisch ambitioniertere Persönlichkeiten erst nach und nach in Europa bekannt.
Aus dem Bordbuch des Christoph Kolumbus
„Die Inseln sind grün und fruchtbar und das Klima ist sanft, es kann dort viele Dinge geben, von denen ich nichts weiß, denn ich will mich nicht aufhalten, weil ich viele Inseln besuchen und erforschen will, um Gold ausfindig zu machen“, schrieb Kolumbus in sein Bordbuch. Viel Gold hat er nicht gefunden und die eigentlichen Schätze hat er übersehen. Wie die meisten der Seefahrer, die ihm folgten. Es hat Jahrzehnte und Jahrhunderte gedauert, bis die Europäer Amerikas Früchte für sich entdeckten.
Tomaten etwa essbar?
Zwar soll der gefrustete Kolumbus von seinen drei folgenden Exkursionen – die er alle nur antrat, um den ersehnten Seeweg nach Indien doch noch zu finden – neben Goldnuggets und Papageien auch ein paar skurrile Pflanzen von den „indianischen Inseln“ (gemeint waren Kuba, Mexiko und die Bahamas) mitgebracht haben: Tomaten der Legende nach. Denn die waren sozusagen das Nationalgericht der Azteken, wurden schon seit mehr als 2.000 Jahren von ihnen angebaut und „tomat-le“ (pralle Pflanze) genannt. Doch statt einer gehörigen Portion rot leuchtender, saftiger Früchte – aufgeschnitten vielleicht, von Mozzarellasticks stilvoll umringt und zart mit Salz und Chilipulver benetzt – hat Kolumbus den Europäern lediglich ein paar Zöglinge im Blumentopf vor die neugierigen Nasen gehalten. Entsprechend botanisch fiel die öffentliche Bewertung aus: hübsch, aber ungenießbar.
Das Urteil hielt sich hartnäckig bis Mitte des 16. Jh. Dann scheint der erste wagemutige Spanier in eine reife Frucht gebissen zu haben – und überlebte. Folge war, dass das neue „Obst“ erstmals großflächig angebaut wurde. Wie sich Tomaten zu Salaten, Suppen und Soßen verarbeiten lassen, bemerkten natürlich als Erste in Europa die Italiener. Allerdings war da das 19. Jahrhundert schon angebrochen.
Kartoffelblüten auf die Perücke?
Ähnlich zögerlich ging die Entdeckung der Kartoffel vonstatten. Obwohl die Inka sie in den Hochländern zwischen Bolivien und Peru seit gut und gerne 4.000 Jahren anbauten und die Knollen als Grundnahrungsmittel verzehrten, hielt sich in Europa hartnäckig das Gerücht, die Pflanzen seien in allen Teilen giftig. Noch Marie Antoinette (1755 – 1793) verwendete die üppig blühenden Büschel als Ziergewächs, soll damit die Tuilerien sowie ihre voluminöse Perücke geschmückt haben.
Oder die grünen Bohnen. Wahrscheinlich hat es die Europäer gegruselt, zu hören, dass die „Indianer“ auf dem neu entdeckten Kontinent ihre Bohnen teilweise mitsamt der Schote verzehren. Auf ähnliche Skepsis stießen Mais, Kürbis und Avocado. Wie sollte auch das, was heidnische Wilde aßen, gut genug für die kultivierte europäische Kohl- und Rübenküche sein.
Sage keiner, das ganze schöne Gemüse hätte die fünf- bis sechswöchige Überfahrt ja seinerzeit sowieso nicht überstanden. Die Inka, die Azteken und andere Indianervölker kannten probate Methoden der Haltbarmachung: trocknen, einlegen, salzen, zuckern, kühlen … Sie wussten sogar, wie man Trocknen und Tiefkühlen kombinieren kann und haben somit ein paar Jahrtausende vor Nestlé und Maxwell das Gefriertrocknen erfunden.
Aber wen man erst nahezu ausrottet, den kann man hinterher schlecht fragen.
Aber wen man erst nahezu ausrottet, den kann man hinterher schlecht fragen. Die Eroberungszüge der Europäer haben den Ureinwohnern der Neuen Welt samt deren Kultur den Garaus gemacht und damit die Entwicklung der ganzen Menschheit behindert – auch kulinarisch. Sogar Kartoffelchips hätten wir vielleicht bedeutend früher kennenlernen können. Sie wurden, wie es heißt, erstmals 1853 in einem Nobelrestaurant in Saratoga aufgetischt – von einem Hilfskoch indianischer Abstammung.
Christoph Kolumbus
Er war nicht nur mutig, sondern zweifellos auch hochintelligent. Der Sohn einer Wollweberfamilie mit unklarem Geburtsdatum brachte sich selbst das Lesen und Schreiben bei, sprach mehrere Sprachen, erlernte auf eigene Faust die Schifffahrt und die Kartografie. Doch seine Zielstrebigkeit nutzte ihm letzten Endes wenig. Er starb 1506 krank und verbittert, vom Königshaus verstoßen und von der Öffentlichkeit verachtet. Dass er mit seinen ehrgeizigen Versuchen, per Schiff nach Indien zu gelangen, einen völlig neuen Kontinent entdeckt hatte, ahnte damals noch niemand.
Dieses Obst und Gemüse stammt aus Amerika
Ananas
In Paraguay, Brasilien und auf den westindischen Inseln wächst sie seit Urzeiten wild. Besonders wertvoll ist sie vor allem wegen des Enzyms Bromelin, das bei der Verdauung hilft, Gifte bindet und das Immunsystem stärkt.
Avocado
Die Ureinwohner Südamerikas kultivierten die Avocado mit Fleiß. Sie hat einen für Früchte ungewöhnlich hohen Eiweißgehalt, enthält viel Biotin, Magnesium, Vitamin B2 und mehrfach ungesättigte Fettsäuren.
Tomate
Für die Azteken war sie schmackhafte tägliche Nahrung und damit vielleicht auch die Basis für ihre Hochkultur. Der rote Farbstoff Lycopin gilt als Immunstabilisator Nummer eins. Ansonsten sollen Tomaten das Gehirn auf Trab halten.
Mais
Er war jahrtausendelang Amerikas einziges Getreide und Basis für Brot und Brei. Die Nährstoffzusammensetzung ist nicht ungewöhnlich, dafür die Bandbreite. Manche Sorten können „unreif“ geerntet und wie Gemüse zubereitet werden.
Gewürzpaprika und Chili
Immerhin, die Würzmittel der Indianer wurden schon ab etwa 1500 in Old Europe willkommen geheißen, vielleicht, weil ein findiger Importeur sie als „roten Pfeffer“ auswies und damit als etwas, was man schon kannte: scharf, edel und gut.
Kartoffel
Sie gehörte zur Kultur der Inka wie der Reis zu den Asiaten. Ist kein Getreide und doch voller komplexer Kohlenhydrate. Zudem enthält sie ein besonders wertvolles Eiweiß, viel Vitamin C und ist unglaublich vielseitig.
Kürbis
Die Indianer im tropischen und subtropischen Teil Amerikas hätschelten den Kürbis und sorgten dafür, dass er eine große Familie ausbildete. In Europa kannte man bis dato nur eine Urform, deren Kerne armen Menschen durch den Winter halfen.“
Topinambur
Vor allem die Ureinwohner Brasiliens schätzten die Knolle. Bei uns hat sie sich bis heute nicht richtig durchgesetzt. Sie schmeckt ähnlich wie die Artischocke, lindert Gallebeschwerden. Sein Inulingehalt dient Diabetikern als Glucose-Ersatz.
Kommentare
Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.