Essen

Nachhaltig Fisch essen: Darf es noch Fisch sein?

Die Meere sind fast leer gefischt, konventionelle Aquakultur ist überfüllte Tiermast. Kann man Fisch noch guten Gewissens essen? Wir geben Tipps fürs nachhaltige Fischen mit dem Einkaufsnetz.

Eigentlich ist nachhaltiges Fischen ganz einfach: Man fängt höchstens so viele Fische wie nachwachsen. In der Praxis funktioniert das aus verschiedenen Gründen nicht so gut: Denn zu viele Fischer sind hinter denselben Fischen her. Die Zahlen, wer wie viel fängt, werden nur unvollständig erhoben und manche Schleppnetzfischer halten sich an gar keine Regeln. Leider wird oft der Beifang ausgeblendet. Das sind die Tiere, die nur aus Versehen ins Netz geraten und meist tot wieder über Bord geworfen werden.

Meeresbiologen schätzen, dass weltweit jedes Jahr 110 Millionen Tonnen Fisch aus dem Meer geholt werden.

Die Folgen hat der kanadische Meeresbiologe Daniel Pauly ermittelt. Zusammen mit Hunderten von Kollegen hat er Daten von 1950 bis 2010 gesammelt und ausgewertet. Dabei berücksichtigten die Wissenschaftler die illegale Fischerei und den Beifang. Auch die Fänge der Kleinfischer aus Entwicklungsländern und der Sportfischer haben sie abgeschätzt. Das Ergebnis: Unsere Meere sind bereits so leergefischt, dass trotz technisch immer ausgeklügelterer Fangmethoden die Fischmenge, die wir fangen, seit 20 Jahren sinkt – weit schneller als die offiziellen Statistiken zeigen. Es geraten so wenig Fische ins Netz, weil die Meere bereits leer sind. „Dabei ist die technische Ausstattung der großen Fischtrawler heute besser als vor 20 Jahren“, erklärt der Fischereibiologe Rainer Froese vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. „Der Aufwand wird immer größer, die Fangmenge dagegen kleiner.“

Fischzucht? – Nicht per se nachhaltig

Sollen wir also statt Thunfisch und Kabeljau besser Zuchtlachs, Pangasius und andere Fische aus Aquakultur essen? Eine nachhaltige Alternative ist das oft nicht. Denn konventionelle Fischzucht ist Massentierhaltung und ebenso problematisch wie die Tiermast an Land: Die Ausscheidungen der Tiere überdüngen die Gewässer. Das enge Aufeinanderleben macht sie krankheitsanfällig und ist nicht artgerecht. Zudem brauchen die meisten Fische zum Wachsen tierisches Eiweiß. Um diesen Hunger zu stillen, werden weltweit jedes Jahr 16 Millionen Tonnen frisch gefangener Fische zu Mehl und Fischöl verarbeitet. Deswegen jedoch Fisch von der Speisekarte zu streichen, muss nicht sein. Es gibt nachhaltig gefangene und artgerecht großgezogene Fische. Sie im konventionellen Supermarkt bei einem Fischzug durch Kühltruhen und Konservenregale zu finden, ist nicht einfach. Anders im Bio-Laden. Dort stammen Fische aus nachhaltigem Wildfang oder Bio-Zucht.

Garantie für nachhaltigen Fisch

Die Sortimentsrichtlinien des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN) schreiben ein nachhaltiges Fischsortiment vor. Wer in einem Bio-Laden einkauft, der sich den BNN-Richtlinien verpflichtet hat, muss nicht jedes Produkt mit dem Fischratgeber von Greenpeace abgleichen. Das hat dieser Händler bereits für ihn erledigt. Denn nur wenn unabhängige Experten wie Greenpeace oder die von Pauly und Froese mitbetriebene Datenbank FishBase die Befischung eines Bestandes als nachhaltig einstufen, darf der Wildfisch in diesen Bio-Laden.

Zusätzlich muss eine unabhängige Zertifizierung mit ihrem Siegel bestätigen, dass der Fisch tatsächlich aus nachhaltiger Fischerei stammt. Denn das EU-Bio-Siegel gilt per Definition nicht für Wildfische. Deshalb müssen Bio-Läden beim Wildfisch auf nachhaltige Fischerei-Siegel ausweichen. Die BNN-Sortimentsrichtlinie nennt Naturland, den Marine Stewardship Council (MSC), Friend of the Sea (FOS) sowie staatliche Siegel aus Alaska und Island.

Das gilt nicht nur für tiefgefrorenes Fischfilet, sondern für alle Bio-Lebensmittel, in denen sich Wildfisch oder Meeresfrüchte befinden, von Fischstäbchen über Heringssalat bis zur Thunfischpizza. Das bekannteste Siegel für nachhaltigen Fischfang ist das des MSC. Die Organisation hat bisher 264 Fischereien zertifiziert, kleine regionale ebenso wie große Flotten, die vor Alaska Seelachs oder im Nordostatlantik Hering fangen. Insgesamt sind das knapp 10 Prozent der weltweit gefangenen Fische und Meeresfrüchte. Allerdings bieten Bio-Läden nicht jeden MSC-Fisch an. Die BNN-Sortimentsrichtlinien schließen „destruktive Fangmethoden, wie Grundschleppnetze und andere Geräte, die viel Beifang erzeugen“, konsequent aus, der MSC nicht. Deshalb finden Sie in Bio-Läden, die überprüfen lassen, dass sie die BNN-Sortimentsrichtlinie einhalten, keine MSC-Schollen. Denn sie werden mit Grundschleppnetzen gefangen, die den Meeresboden schädigen. Auch wenn es genug Schollen gibt – nachhaltig ist das nicht. Regelmäßig streiten sich Greenpeace oder Meeresbiologen wie Rainer Froese mit dem MSC oder FOS darüber, ob bestimmte Bestände, aus denen deren Fische stammen, überfischt sind. Für die Bio-Läden zählt in solchen Streitfällen die Einschätzung der unabhängigen Experten.

Fisch-Label: Nachhaltig genießen

Einige Siegel geben Auskunft über den nachhaltigen Fang oder die Aufzucht von Fischen. Hier stellen wir sie euch vor:

Leine statt Schleppnetz

Die meisten Heringe, Makrelen, Kabeljaus, Thunfische oder Seelachse im Bio-Laden stammen von größeren Fangbooten mit einer der erwähnten Zertifizierungen. An der Ostseeküste im Greifswalder Bodden fischen 26 Küstenfischer mit Stellnetzen und Naturland-Zertifikat Heringe. Außerdem gibt es im Bio-Laden Fisch aus kleinen Küstenfischereien, die handwerklich und nachhaltig arbeiten, Makrelen mit der Leine statt mit Schleppnetzen fischen und Thunfisch mit der Hand angeln. Diese sind jedoch oft zu klein, um sich aufwändige Zertifizierungen leisten zu können.

Drei von zehn Fischbeständen seien überfischt, die meisten anderen an der Grenze, sagt die Welternährungsorganisation FAO.

Zuchtfische im Bio-Laden stammen aus ökologischer Aquakultur, sind also richtige Bio-Fische. Sie wachsen ohne Antibiotika und Zusatzstoffe in naturnahen Teichen oder Gehegen auf und haben weitaus mehr Platz als ihre konventionell gehaltenen Artgenossen. Gefüttert werden sie vor allem mit den Resten, die bei der Verarbeitung von nachhaltig gefangenen Speisefischen anfallen. Bereits seit Mitte der 90er-Jahre haben Bio-Verbände – allen voran Naturland – Kriterien für Bio-Fisch entwickelt. Seit 2010 gelten zudem EU-weite Standards für die Bio-Fischzucht. Sie bleiben etwas hinter den Anforderungen der Bio-Verbände zurück, sind aber weit strenger als der Aquaculture Stewardship Council und Global G.A.P., die Mindeststandards in konventionellen Fischzuchten garantieren sollen.

Die wichtigsten Bio-Zuchtfische sind Lachs aus Irland und Norwegen, Pangasius aus Vietnam und Shrimps aus Ecuador oder Vietnam. Vor allem Letztere sind fast alle Naturland-zertifiziert. Das Siegel stellt neben der Bio-Zucht sicher, dass Mangrovenwälder erhalten bleiben und soziale Standards eingehalten werden. Auch Miesmuscheln und Algen gibt es in Bio-Qualität.

Aus heimischer Fischzucht stammen vor allem Forellen und Karpfen. Letzterer ist übrigens der ökologischste Zuchtfisch: Er lebt in naturnahen Teichen zusammen mit anderen Fischen, braucht keine tierischen Futtermittel und steht für kurze Transportwege.

Mehr zum Thema

Veröffentlicht am

Kommentare

Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.

Das könnte interessant sein

Unsere Empfehlung

Ähnliche Beiträge