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Crowdfunding: Resteküche"-Kochbuch

Mit dem Buch „Resteküche“ will der Koch-Aktivist Daniel Anthes den Menschen zeigen, was man aus Karottengrün, braunen Bananen und welken Kräutern noch Schönes zaubern könnte. Im Interview spricht er über das Problem der Lebensmittelverschwendung – und was wir tun können.

Mit dem Buch „Resteküche“ will er den Menschen zeigen, was man aus Karottengrün, braunen Bananen und welken Kräutern noch Schönes zaubern könnte. Der Koch-Aktivist Daniel Anthes spricht im Interview über das Problem der Lebensmittelverschwendung – und was wir tun können.

Sie sagen, dass in Deutschland sekündlich mehr als 300 Kilogramm Lebensmittel weggeworfen werden und dass die Klimabelastung davon sogar den heimischen CO2-Ausstoß übertrifft. Wie wurde Ihnen denn das Ausmaß der Verschwendung selbst erstmals bewusst?
Meine Co-Autorin Katharina Schulenburg und ich machten vor einigen Jahren zum ersten Mal beim Food Sharing in Frankfurt mit und fuhren abends zu einem Bäcker, um Brot abzuholen. Auf dem Weg zurück war das Auto bis oben hin voll. Da wurde uns klar: In all den Supermärkten, in denen Filialbäcker bis zum Abend die Auslagen für ihre Kunden voll bestücken, wird jeden Tag der Woche so viel Brot weggeworfen.

Was haben Sie denn mit dem ganzen Brot gemacht?
Zuhause starrten wir zunächst etwas ratlos auf diesen Berg und dachten: ‚Was jetzt? Sollen wir nun jeden Tag Brot essen? Oder es einfach einfrieren?‘ Mittlerweile haben wir zum Glück schon ein Netzwerk von Menschen, die sich über gerettete Lebensmittel freuen, zum Beispiel einkommensschwache Familien. Und mit dem Verein Shout Out Loud verkochen wir solche Berge auch öffentlich bei Schnippelparties oder bieten Resteküche in unserem eigenen Foodtruck an.

Resteküche heißt auch das Buch, das Sie beide nun privat veröffentlichen und für das Sie noch Unterstützer suchen. Was erwartet die Leser darin?
Es wird eine Mischung aus Sachbuch und Kochbuch sein. Wir wollen den Menschen einerseits die Ursachen und die globalen Folgen von Lebensmittelverschwendung begreifbar machen. Und dazu aber auch konkrete Empfehlungen geben, wie man Lebensmittel vor der Tonne bewahren und wunderbare Gerichte aus ihnen kochen kann. Denn das ist ganz wichtig zu wissen: Resteküche macht Spaß und geht ganz leicht.

Ist aber nicht auch ein Teil des Problems, dass viele Menschen heute überhaupt nicht mehr richtig Kochen können?
Ja, sicherlich. Darum haben wir vor allem einfache Rezepte ausgesucht, die man ohne Probleme nachkochen kann und für die man nicht drei Stunden am Herd stehen muss. Dazu kommen noch ein paar ungewöhnlichere Ideen für alle, die schon etwas weiter sind und zum Beispiel so viel wie möglich von der Pflanze verwerten möchten – etwa auch das Karrottengrün. Für unsere Omas war das noch ganz selbstverständlich, heute ist es kurios. Die meisten werfen eben lieber Reste weg und kaufen Lebensmittel einfach nach, weil sie so billig geworden sind.

Sie selbst haben gesehen, welche Mengen ein Bäcker täglich entsorgen muss. Sind überhaupt wir Verbraucher die großen Lebensmittelverschwender?
Haushalte sind schon für etwa 40 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel verantwortlich. Wenn man aber danach geht, welcher Müll tatsächlich vermeidbar gewesen wäre, ist am Anfang der Lieferkette der größte Hebel. Es handelt sich bei den Resten eben selten um Abgelaufenes, sondern die Lebensmittel sind nicht perfekt geformt, haben leichte Transportschäden oder sind schlichtweg in der falschen Gebindegröße. Man geht davon aus, dass im Handel etwa 90 Prozent der Entsorgung eigentlich unnötig ist.

Ist es dann überhaupt sinnvoll, wenn ich nun immer brav Brotsalat mache und Kuchen aus fleckigen Bananen backe?
Wir finden schon. Natürlich ist es unsinnig, dass gerade in Deutschland die Verantwortung für die Verschwendung vor allem bei den Verbrauchern abgeladen wird. Länder wie Italien oder Frankreich beweisen längst, dass man die Supermärkte auch gesetzlich vom Wegwerfen abhalten kann. Aber wir glauben schon, dass privates Engagement und die kleinen Veränderungen im Alltag eine ausstrahlende Wirkung haben.

Wie könnte die aussehen?
Zum Beispiel, wenn mehr Menschen im Supermarkt nachfragen: ‚Hey, was macht ihr mit euren Resten?‘ oder wenn sie am Bauernmarkt gezielt die mehrbeinigen Karotten mitnehmen. Wir beobachten, dass der Handel sich seit einigen Jahren stärker für das Thema interessiert, schlichtweg, weil ein gewisses gesellschaftliches Momentum da ist.

Als Verbraucher sind wir eigentlich makellose, frische Lebensmittel gewohnt. Stoßen Sie öfter auf Berührungsängste, wenn Sie mit Ihrem Resteessen ankommen?
Selten aber doch. Etwa einer von 50 Kunden an unserem Foodtruck fragt besonders kritisch nach. Aber das ist auch okay: Wenn man denjenigen überzeugt, überzeugt man alle. Manchmal gibt es bei den Menschen auch die Angst, dass wir Sachen aus der Tonne holen und verkochen. Das ist bei uns nicht der Fall, wir bewahren ja die Lebensmittel davor, überhaupt erst in der Tonne zu landen.

Es gibt allerdings auch Dumpsterer, die tatsächlich in die Tonne hinter dem Supermarkt tauchen, um Lebensmittel zu retten.
Ja und mit gutem Grund: Denn das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) sagt ja nicht, dass ein Lebensmittel schlecht geworden ist. Die allermeisten Dinge kann man noch lange nach diesem Datum sehr gut essen. Zum Glück gibt es auch da gesellschaftlich langsam ein Umdenken und politisch wird schon diskutiert, wenigstens für Trockenware das MHD abzuschaffen. Wir alle müssen uns wieder mehr auf unsere Sinne verlassen und selbst prüfen: Ist dieses Lebensmittel noch essbar?

Jan Anthes ist Berater und Vortragsredner beim Zukunftsinstitut, einem Unternehmen für Trendforschung. Gemeinsam mit Katharina Schulenburg, einer Doktorandin für Biochemie, engagiert er sich mit dem Verein Shout Out Loud gegen Lebensmittelverschwendung. Aufgrund der Erfahrungen mit ihren Schnippeldiskos und dem Foodtruck, beschlossen die beiden, ein informatives und praktisches Buch über Resteküche zu veröffentlichen. Interessierte Leser können es unter https://www.oekom-crowd.de/projekte/restekueche/ vorbestellen und so das Erscheinen unterstützen.

Interview: Rebecca Sandbichler

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