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Simon Tress und sein CO2-Menü

Unsere Ernährung belastet das Klima. Doch das lässt sich ändern. Bio-Spitzenkoch Simon Tress macht’s vor. Mit seinem CO2-Menü. Wir verraten, was sich dahinter verbirgt.

Simon Tress ist von Haus aus Visionär. In seinem Fine-Dining-Restaurant „1950“ im schwäbischen Hayingen-Ehestetten beweist der Bio-Koch, dass Klimaschutz und Kulinarik Hand in Hand gehen können. Kreativ und klimafreundlich bereitet er seine Köstlichkeiten und serviert sie inklusive CO2-Bilanz.

Klimaschutz im Restaurant

Das Menü im „1950“ besteht aus fünf vegetarischen Gängen. Bei drei davon kann optional Fleisch „als Beilage“ dazu bestellt werden. Was auf Simon Tress’ Tellern landet, lässt sich prozentgenau auf der Speisekarte nachlesen, nebst der verursachten CO2-Emissionen je Gericht. Memory-Kärtchen informieren vor jedem Gang, welche Zutaten von welchem Landwirt stammen und wie weit der jeweilige Betrieb vom „1950“ entfernt ist. Das Rapsöl hat mit 24,8 Kilometern die weiteste Anfahrt, die Möhren stammen vom eigenen Demeter-Acker gleich um die Ecke, die Kräuter aus dem Garten vor dem Restaurant: Regionaler geht’s nicht.

Die Idee für sein CO2-Menü hatte Tress schon vor zehn Jahren. Er wollte mit dem eigenen Tun etwas zum Klimaschutz beitragen. Doch damals sei die Zeit noch nicht reif für ein CO2-Menü gewesen. „Inzwischen sind immer mehr Menschen für das Thema empfänglich und bereit, eigene Gewohnheiten zu hinterfragen“, erzählt Tress.

CO2-Fußabdruck – was ist das?

  • Der CO2-Fußabdruck zeigt, wie sich unser Lebensstil und Konsumverhalten durch den Ausstoß von Treibhausgasen auf das Klima auswirken. Er kann für Personen, Haushalte, Länder, Firmen, Produkte und Speisen berechnet werden.
  • Um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu halten, müssten wir unsere Emissionen auf unter eine Tonne CO2 reduzieren – aktuell produzieren wir laut Umweltbundesamt (UBA) in Deutschland im Schnitt 11,6 Tonnen pro Jahr und Person, knapp zwei Tonnen davon allein durch unsere Ernährung.
  • Im internationalen Vergleich stoßen wir 62 Prozent mehr CO2 aus als der weltweite Durchschnitt.
  • Politische Instrumente für mehr Klimaschutz auf dem Teller werden immer wieder abgeblockt. Möglich wären ein verpflichtendes Klimalabel auf Lebensmitteln oder höhere Steuern für tierische Lebensmittel.

So werden die CO2-Emissionen von Lebensmitteln berechnet

Die CO2-Bilanz seiner Gerichte berechnet der Koch mithilfe des Schweizer Unternehmens Eaternity: „Auf deren Online-Portal gebe ich meine Rezeptideen ein, dort werden die Emissionen ermittelt und ich kann ausprobieren, wie ich durch das Austauschen der ein oder anderen Zutat noch klimafreundlicher kochen kann“, erklärt Tress. Solche Rechner gibt es übrigens nicht nur für Gastronomen, sondern auch für Privatpersonen.

Das Berechnungsmodell des CO2-Menüs im „1950“ ist wissenschaftlich fundiert und betrachtet die gesamte Lieferkette – vom Bauernhof bis auf den Teller. Es gibt inzwischen diverse solcher Modelle. Verwirrend ist, dass die Ergebnisse oft voneinander abweichen. Allerdings gibt es dafür eine Erklärung. Entscheidend ist, was alles in die Berechnung mit eingeht: Wird ausschließlich CO2 berücksichtigt oder auch andere Klimagase wie Methan und Lachgas? Wurde im In- oder Ausland produziert? Bio oder konventionell? Freiland oder Gewächshaus? Erfolgte der Transport per Lkw, Schiff oder Flugzeug? Wie wurde verpackt und gelagert? Ist die Ware frisch oder tiefgekühlt? Und wie kommen die Lebensmittel zu uns nach Hause? In einem Punkt kommen dabei alle Modelle zu demselben Ergebnis: Tierische Produkte sind echte Klimakiller.

Deshalb sind Fleisch, Milch & Co. ein Problem fürs Klima

Laut Eaternity sind mehr als 60 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Sachen Ernährung auf tierische Lebensmittel zurückzuführen. Für Futter, Haltung, Transport, Verarbeitung und Lagerung verbrauchen wir viel Energie und Ressourcen, bis Fleisch und Co. endlich auf unseren Tellern landen. Würden wir uns den „tierischen Umweg“ zur Kalorienaufnahme sparen und uns ausschließlich pflanzlich ernähren, könnten wir alle mit deutlich weniger Emissionen satt werden.

Auch auf Tress’ CO2-Menü wird das Problemthema Fleisch deutlich: Wer vegetarisch speist, kommt inklusive Käseteller auf 1742 Gramm CO2. Mit den „Beilagen“ von Schwein und Hirsch steigt die Bilanz auf 4610 Gramm. Und wer auch auf das Rind nicht verzichten möchte, muss den Beigeschmack von zusätzlich knapp 8000 Gramm CO2 hinnehmen. Bei den Gästen zeigen die Angaben Wirkung: „Die Wenigsten entscheiden sich für alle Fleischbeilagen. Und einige teilen sie sich – was ich ausdrücklich anbiete“, erklärt Tress.

Ist Bio besser fürs Klima?

Keine Kompromisse macht Simon Tress bei der Bio-Qualität seiner Zutaten. Bis auf das Salz wird alles nach strengen Bioland- oder Demeter-Richtlinien hergestellt. Dabei sind einige Experten der Meinung, dass Bio sogar schlechter fürs Klima ist als konventionell, weil mehr Fläche für gleiche Erträge gebraucht wird.

„Hier zeigt sich, dass der alleinige Blick auf die CO2-Emissionen nicht die ganze ökologische Wahrheit sagt“, erklärt dazu Dr. Guido Reinhardt vom IFEU-Institut für Energie- und Umweltforschung. „Die etwas höheren Emissionen werden durch den deutlich geringeren Pestizideinsatz, nachhaltigere Bodenbewirtschaftung und Erhöhung der Artenvielfalt viel mehr als wieder wettgemacht.“

Klimafreundlich essen – Tipps für zu Hause

Wenn wir häufiger auf tierische Lebensmittel verzichten und mehr frische, regionale und saisonale Produkte in unseren Einkaufskörben landen, haben wir schon viel gewonnen – beziehungsweise gespart.

Doch auch die Zubereitung spielt bei der CO2-Bilanz eine Rolle: Simon Tress kocht nach dem Root-to-leaf- und Nose-to-tail-Prinzip, das heißt er verarbeitet Pflanzen und Tiere möglichst vollständig. Denn jedes Nahrungsmittel, das in der Tonne landet, hat das Klima unnötig belastet. Sein Tipp: „Wenn Sie das nächste Mal einen Kohlrabi vor sich liegen haben, stellen Sie sich der Herausforderung: Wie kann ich hier das Maximum rausholen? Chips aus der Schale, ein Pesto aus den Blättern, einmachen, fermentieren – da ist vieles möglich, schmeckt lecker und tut uns und dem Klima gut.“

Mehr zum Thema

  • Der CO2-Rechner des Umweltbundesamts ermittelt den CO2-Fußabdruck einer Person – inklusive Essen, Wohnung, Strom und Mobilitätsverhalten.
  • Buchtipp: „Klimaschutz fängt auf dem Teller an“ von Sophia Fahrland. Komplett Media, 2020, 170 Seiten, 16 Euro.
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