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Bloß nicht sauer werden!

Eine „säurebildende“ Ernährung macht krank: für Alternativmediziner ein Fakt. Die Wissenschaft bleibt skeptisch. // Helga Boschitz

Eine „säurebildende“ Ernährung macht krank: für Alternativmediziner ein Fakt. Die Wissenschaft bleibt skeptisch. // Helga Boschitz

Für Naturheilkundler, ganzheitlich orientierte Ärzte und viele Ernährungswissenschaftler steht fest: Wer sich so ernährt, übersäuert seinen Körper. „Zu sauer“ wird demnach unser Organismus, wenn wir zu viele säurebildende Lebensmittel wie Fleisch- und Milchprodukte, Koffein und Alkohol konsumieren und es der Körper deshalb nicht mehr schafft, den so entstandenen Säureüberschuss in den Körperflüssigkeiten sowie in und zwischen den Körperzellen zu neutralisieren. Mögliche Folgen: Müdigkeit, Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen bis hin zu Gicht, Rheuma und Allergien.

Lebenswichtige Balance

Im menschlichen Organismus laufen ständig chemische Prozesse ab, die alle lebenswichtigen Vorgänge steuern. Ganz wesentlich ist dabei, dass der Säuregrad (pH-Wert) des Blutes möglichst stabil bleibt. Ist das Säure-Basen-Verhältnis im Inneren gestört, gerät das Gleichgewicht der Körpersäfte und damit die Gesundheit in Gefahr.

Der Körper ist darauf eingerichtet, ein solches Ungleichgewicht zu regulieren: mit Hilfe von körpereigenen Schutzvorrichtungen, den sogenannten „Puffersystemen“. Zu ihnen gehören Säure abfangende Stoffe in Blut und Zellen sowie mehrere Organe. Wesentliche Rollen spielen dabei Lunge und Nieren. Über die Lunge werden Säuren als Kohlendioxid „ausgeatmet“ (gefördert durch Bewegung an der frischen Luft), die Nieren sorgen mit ihrer Arbeit für eine besonders effektive Säureausscheidung – vorausgesetzt, wir nehmen ausreichend Flüssigkeit zu uns.

Wissenschaftlich geprägte Schulmediziner betonen, dass die körpereigenen Puffersysteme ausreichten, um den Körper zu schützen. Sie zweifeln die Diagnose „unterschwellige Übersäuerung“ grundsätzlich an. Dagegen sehen viele Vertreter der Alternativmedizin einen ernährungsbedingten ständigen Säureüberschuss im Körper als Grundübel unserer westlichen Welt, das nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche belastet. Der Allgemeinarzt und Naturheilkundler Michael Worlitschek etwa hält nur bei Neugeborenen nach einem unproblematischen Schwangerschaftsverlauf den Säure-Basen-Haushalt für ideal ausbalanciert. „Für die meisten Menschen ist der Zustand einer unterschwelligen Übersäuerung bereits Alltag“, sagt der erfahrene Mediziner und Buchautor.

Wissen aus Erfahrung

Auch Sabine Wacker, Heilpraktikerin und Autorin mehrer Sachbücher, sieht ihre Haltung zum Säure-Basen-Haushalt in ihrer täglichen Praxis bestätigt. „Seit fast 20 Jahren erlebe ich es immer wieder, dass Patienten sich schon eine Woche nach Umstellung ihrer Ernährung bedeutend besser fühlen“, berichtet die überzeugte Verfechterin des Basenfas-tens, die dazu ihre eigene „Wacker-Methode“ entwickelt hat.

Eindeutig diagnostizierbar ist eine ernährungsbedingte latente Übersäuerung nicht – und ebenso wenig lässt sich streng wissenschaftlich beweisen, dass die typische Ernährung der westlichen Welt manche Zivilisationskrankheiten zumindest begünstigt. Dass sich die Schulmedizin mit der Akzeptanz der Säure-Basen-Theorie nach wie vor so schwertut, liegt wohl genau daran. Ein weiterer Grund für die Skepsis der Wissenschaftler ist vermutlich, dass viele Analysen menschlicher Stoffwechselvorgänge unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten zulassen.

Zusammenhänge unklar

Ein Beispiel: Nach Kaffeegenuss ist der Säureanteil im Urin erhöht, weshalb Kaffee meist als Säurebildner eingestuft wird. Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass das Koffein die Produktion von Magensäure ankurbelt. In diesem Fall entsteht der Säurepuffer Bicarbonat, der vom Blut aus hilft, Säure zu Nieren und Lunge zu transportieren, was bedeutet, dass Koffein auch als Säurepuffer fungieren könnte. Der saure Urin würde dann eben nicht eine „Übersäuerung“ anzeigen, sondern vielmehr darauf hinweisen, dass die Säureausscheidung gut funktioniert. „Die Mechanismen einer Übersäuerung sind noch nicht zufriedenstellend geklärt“, sagt der Ernährungswissenschaftler und stellvertretende Leiter der UGB (Unabhängige Gesundheitsberatung)-Akademie Hans-Helmut Martin. Gleichzeitig, so Martin weiter, verdichteten sich jedoch die Hinweise auf Zusammenhänge zwischen zu viel Säure im Körper und bestimmten Krankheiten: Bei neueren Empfehlungen für Osteoporosepatienten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung werde inzwischen der Begriff „mäßige Azidose (Übersäuerung)“ erwähnt. Das könne darauf hindeuten, dass selbst die streng wissenschaftlich orientierte DGE beginne, die bisher nur von Alternativmedizinern festgestellte Diagnose „latente Übersäuerung“ anzuerkennen.

DGE und UGB vertreten gleichermaßen die Ansicht, dass eine sogenannte „basenüberschüssige“ Kost (s. Kasten o.) gesundheitliche Vorzüge hinsichtlich Nährstoffversorgung und Bekömmlichkeit liefert. Doch während die DGE in offiziellen Statements den hohen Stellenwert des Säure-Basen-Haushalts in alternativen Ernährungsformen als „wissenschaftlich nicht begründet“ bewertet, steht die UGB diesem Thema grundsätzlich aufgeschlossener gegenüber: „Es gibt durchaus Beobachtungen, die darauf hinweisen, dass basenorientierte Kost bei bestimmten gesundheitlichen Störungen hilft“, sagt Hans-Helmut Martin.

Auch die Psyche spielt mit

Wer für ein optimales Säure-Basen-Gleichgewicht im eigenen Körper sorgen will, hat viele Möglichkeiten. Für Sabine Wacker, die Entwicklerin des Basenfas-tens nach der Wacker-Methode, ist eine ausgewogene und möglichst naturbelassene Kost das A und O: „Regional, saisonal und reif sollten die Lebensmittel sein“, sagt sie, betont aber auch die Wichtigkeit positiver Lebensumstände, die auch mal Ausreißer erlaube: „Wenn ich in fröhlicher Runde einen Schweinebraten esse und dazu ein paar Gläschen Wein genieße, schade ich mir damit weniger, als wenn ich schlecht gelaunt Gemüse mit Kräutertee verzehre.“ Ihr Kollege Michael Worlitschek sieht das ebenso, er empfiehlt zudem eine maßvolle Nahrungsergänzung durch Basenpräparate – im Gegensatz zu Wacker, die dies bei einem leicht übersäuerten Menschen für unnötig hält.

Solche Zusatzprodukte, die meist als Pulver oder Tabletten erhältlich sind, können bei der Umstellung auf basische Ernährung ebenso unterstützend wirken wie Schüssler-Salze. Michael Eisenmann von der Firma Senagold, die Basenpräparate vertreibt, empfiehlt, auf Inhaltsstoffe natürlichen Ursprungs zu achten, da diese auch bei dauerhafter Einnahme keine schädlichen Nebenwirkungen hätten.

Letztlich bleibt festzuhalten, was menschliche Erfahrung zeigt – und kein Wissenschaftler abstreiten wird: Wer sich „basisch“ ernährt, sich viel bewegt und eine positive Lebensführung pflegt, wird selten sauer.

Weiterführende Literatur zum Thema im Internet: www.schrotundkorn.de

Was macht sauer, was wirkt basisch?

Basenbildner aus der Natur: Obst, Gemüse, Salat und Kräuter
Wer sich möglichst basisch ernähren will, kommt an natürlichen Lebensmitteln nicht vorbei. Je reifer, frischer und unbehandelter, desto besser, also am besten saisonales, regionales Obst und Gemüse wählen. Reichlich Wasser und Kräutertees unterstützen den Körper beim Säureabbau. Außerdem wirken viel Bewegung an der frischen Luft, positive Lebensumstände und seelische Ausgeglichenheit basisch!

Diese Säurebildner nur in Maßen genießen – oder ganz vermeiden!
Fast alles, was in der westlichen Welt reichlich verzehrt wird, wird zu den Säurebildnern gezählt: Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte, Weißmehlprodukte, Teigwaren und Reis, ebenso Süßigkeiten, Kaffee, schwarzer Tee und Alkohol. Wenn der Speiseplan überwiegend diese Produkte enthält, es an körperlicher Bewegung mangelt und dazu noch Stress die Seele belastet, ist das Säure-Basen-Gleichgewicht gefährdet.

Bücher

Michael Worlitschek
Original Säure-Basen-Haushalt

Informationen zum Säure-Basen-Haushalt mit Entsäuerungs-Programm
Karl F. Haug Fachbuchverlag 2000, 12,95 Euro (Amazon-Preis)

Säure-Basen-Einkaufsführer

Grundlegende Informationen zum Säure-Basen-Gleichgewicht mit Lebensmittel-Tabellen
Karl F. Haug Fachbuchverlag 2009, 112 Seiten, 9,95 Euro (Amazon-Preis)

Eva-Maria Kraske
Säure-Basen-Balance

Übersäuerung erkennen und ausgleichen, entschlacken, entgiften, abnehmen. Mit 8-Tage-Kur für Körper und Seele
Graefe & Unzer Verlag 2009, 128 Seiten, 12,99 Euro (Amazon-Preis)

Burkhard Sieper, Michael Eisenmann
Fit in die Kiste. Die Basismethode

Viele Gesundheitstipps und Informationen zum Säure-Basen-Haushalt
Ganzheitsverlag 2011, 240 Seiten, zu beziehen über www.ganzheitsverlag.de
14,50 Euro zzgl. Versandkosten

Sabine Wacker

Von Sabine Wacker gibt es eine Vielzahl von informativen Büchern zum Thema Säure-Basen-Balance und Basenfasten. Hier eine Auswahl:

Basenfasten! Die Wacker-Methode

Die „Basenfasten-Bibel“ beleuchtet alle Aspekte des Säure-Basen-Gleichgewichts und des Basenfastens. Mit vielen Rezepten.
Trias Verlag 2011, 288 Seiten, 24,99 Euro (Amazon-Preis)

Basenfasten. Das große Kochbuch

Gesund abnehmen, entschlacken und satt werden. Mit dem neu entwickelten 3-Schritte-Programm und über 170 Rezepten von Sabine Wacker. Trias Verlag 2010, 140 Seiten, 17,95 Euro (Amazon-Preis)

Natürlich entgiften mit Schüßler-Salzen, Basenfasten & Co

Methoden zur Entsäuerung und Entgiftung des Körpers. Mit Checklisten und Antlitzanalyse und individuell gestaltbaren Programmen für den Alltag.
Haug Verlag 2009, 152 Seiten, 14,95 Euro (Amazon-Preis

mit Dr.med. Andreas Wacker:

Basenfasten - das Gesundheitserlebnis: Genussvoll entsäuern, entschlacken und abnehmen - mit der Wacker-Methode®

Basenfasten für den Alltag mit vielen Informationen und Rezepten Goldmann Verlag 2009, 256 Seiten, 7,95 Euro (Amazon-Preis)

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