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Bio-Wein: So geht naturnaher Weinbau

Für einen guten Wein braucht es gesunde Trauben voller Geschmack. Bio-Winzer:innen wie Christina Andrae setzen nicht auf Pestizide, sondern arbeiten mit der Natur.

Christina Andrae rollt eine Traube zwischen ihren Fingern und beißt vorsichtig hinein. „Die Beere ist reif, wenn ihre Haut dünn geworden ist, und die Kerne dunkel sind“, erklärt die Bio-Winzerin. Ein süßer Geschmack allein reicht ihr nicht. „Süße kommt von der Sonne und bringt Alkohol. Die Reife kommt mit der Zeit und liefert die Aromen.“ Passt der Reifegrad in einem Weinberg, beginnt die Winzerin mit der Lese, inzwischen meist schon Mitte September, „zwei Wochen früher als vor 30 Jahren, das macht der Klimawandel“, sagt sie.

 „Die Lese beginnt meist zwei Wochen früher als vor 30 Jahren, das macht der Klimawandel.“

Christina Andrae

Vor 30 Jahren tollte Christina Andrae noch als kleines Kind durch das elterliche Weingut in Ernst an der unteren Mosel. Nach einem Weinbaustudium an der Hochschule Geisenheim beschloss sie 2017, die Familientradition fortzuführen – allerdings mit einem neuen Bio-Weingut. Dafür übernimmt sie jedes Jahr ein, zwei Weinberge ihres Vaters und stellt sie auf Bio um – quasi eine Hofübergabe auf Raten. 2,8 Hektar sind es inzwischen, die sie biologisch bewirtschaftet. „Arbeiten mit der Natur, das ist für mich der Bio-Gedanke“, erklärt die Winzerin. „Ich betrachte jeden Weinberg einzeln, schaue, welche Probleme ich habe, und versuche, sie mit der Natur zu lösen.“

Was der Klimawandel mit dem Weinbau macht

Ein Problem ist die zunehmende Hitze, besonders in den Steillagen. Das dunkle Schiefergestein der nach Süden ausgerichteten Moselterrassen heizt sich extrem auf. Bei lang anhaltender Hitze bekommen die Trauben Sonnenbrand und schmecken dann bitter. Um die steilen Weinberge zu kühlen, setzt Christina Andrae auf Walderdbeeren und das kleine Habichtskraut. Beides sind Pionierpflanzen, die gut mit steinigen, trockenen Böden zurechtkommen und Hitze vertragen.
Das Habichtskraut hat sogar einen eingebauten Sonnenschutz. Es dreht bei Hitze die silbrig-weiße Unterseite seiner Blätter nach oben und reflektiert damit die Wärme. „Es hat einige Jahre gedauert, bis meine steilsten Terrassenhänge flächendeckend damit bewachsen waren, aber jetzt sind sie an Hitzetagen zwei bis drei Grad kälter als die Umgebung“, berichtet die Winzerin. „Und weil die beiden Pflanzen wenig Wasser brauchen, ist auch die Verdunstung geringer, als wenn die Flächen offen wären.“ Wobei die Trockenheit selbst nicht so problematisch ist.
 

Im Schnitt regnet es an der Mosel noch genug, und die Reben bilden meterlange Wurzeln aus, mit denen sie tief im Boden Wasserreserven erschließen. Kritisch ist es bei den Jungpflanzen, die erst in die Tiefe wachsen müssen. Hier hilft im Notfall nur Bewässern, was ohne die notwendige Infrastruktur und in Hanglagen sehr aufwendig ist. Große Weinbaubetriebe in flachem Gelände haben es da einfacher.

Bio-Weinbau: Marienkäfer helfen gegen Schadinsekten bei Bio-Wein

Helfen muss die Natur auch, um Reben und Trauben vor Schadinsekten zu schützen. Im konventionellen Weinberg erledigen das synthetische Insektizide. Zwar erlauben die Bio-Standards einige natürliche Insektengifte, etwa Präparate des Neembaums, aber Christina Andrae verzichtet bewusst darauf und fördert stattdessen natürliche Gegenspieler wie Marienkäfer und Florfliegen, deren Larven saugende Insekten wie Blattläuse fressen. Als Lebensraum dienen diesen Nützlingen in den weniger steilen Lagen begrünte Fahrgassen zwischen den Reben sowie zusätzliche Rückzugsflächen am Rand der Anlagen.

„Ich bin vor Jahren auf eine Mischung aus regionalen Pflanzen und Kräutern gestoßen, die sich sehr bewährt hat, gut mit Trockenheit zurechtkommt und auch nicht durch Wiesengras verdrängt wird“, erzählt die Winzerin. Gegen den Traubenwickler, einen Schmetterling, dessen Raupen die Knospen und später die Weintrauben anknabbern, helfen Pheromonfallen. 

Pheromonfallen sind so hilfreich, dass auch konventionelle Winzer sie einsetzen.

Das sind kleine Behälter, die den Lockstoff freisetzen, mit dem Traubenwicklerweibchen die Männchen zur Paarung locken. Das viele Pheromon verwirrt die Männchen, sie finden keine Weibchen, und die Fortpflanzung fällt aus. Diese schonende Technik ist so erfolgreich, dass auch konventionelle Winzerinnen und Winzer sie einsetzen.

Ökologischer Weinbau: Mit Backpulver und Kupfer gegen Mehltau

Schwierig ist es für Bio-Winzer:innen, Pilzkrankheiten wie echten und falschen Mehltau ohne die synthetischen Pestizide zu bekämpfen, die ihre konventionellen Kollegen einsetzen. Als natürliche Wirkstoffe gibt es Backpulver, wenn die Pflanzen schon infiziert sind, und Kupfer, das vor Infektionen durch Pilzsporen schützt. Allerdings ist das Metall in großen Mengen schädlich für Bodenlebewesen, etwa Regenwürmer. Deshalb ist sein Einsatz beschränkt, in der EU-Öko-Verordnung auf vier Kilogramm je Hektar und Jahr, bei den Bio-Verbänden auf drei.

Es könnte noch weniger Kupfer sein, wenn die Bio-Betriebe Kaliumphosphonat einsetzen dürften. Das war bis 2013 als Pflanzenstärkungsmittel erlaubt, wurde von der EU dann als Pestizid eingeordnet und fiel damit für den Öko-Landbau aus. Dabei schützt das Salz die Reben gut vor falschem Mehltau. Nun könnte es für den Öko-Landbau wieder erlaubt werden. „Ich freue mich schon drauf, denn die älteren Kollegen sagen alle, dass es viel gebracht hat, um den Kupfereinsatz zu reduzieren“, sagt Christina Andrae. Ganz ohne Kupfer wird es jedoch auch in Zukunft nicht gehen.

Interview: „Kupfer ist ein wichtiges Fungizid, das sich kaum ersetzen lässt“

Interview

Ein Mann mit Brille und kurzem grauem Bart schaut in die Kamera

Prof. Dr. habil. Stefan Kühne forscht am Julius Kühn-Institut des Bundes, unter anderem zum Pflanzenschutz im Öko-Landbau.

Seit 25 Jahren arbeiten Menschen aus Wissenschaft und Praxis daran, Kupfer als Wirkstoff zu ersetzen. Warum ist das so schwer?
Kupfer wird in die Zellen der Pilzsporen aufgenommen und führt in hohen Konzentrationen zu einem Multifunktionsversagen. Es wirkt also unspezifisch, weshalb kaum Resistenzen entstehen. Und es wirkt so breit und zuverlässig wie kein anderer Naturstoff. Deshalb wird es auch im konventionellen Anbau im Rahmen des Resistenzmanagements häufig als letzte Spritzung angewendet. Kupfer ist also ein wichtiges Fungizid, das sich kaum ersetzen lässt.

Welche Erfolge hatte dann die bisherige Forschung?
Ein Erfolg ist, dass die Anwendung im Öko-Landbau nicht mehr pauschal, sondern nach Bedarf erfolgt. Wir können sehr gut am Verbrauch der Kupfermittel und aus den jährlichen Berichten der Verbände sehen, dass in trockenen Jahren weniger Kupfer angewendet wird als in sehr feuchten Jahren. Wir forschen an Mitteln, die sich gemeinsam oder im Wechsel mit Kupfer einsetzen lassen und so die Kupfermengen minimieren. Die Entwicklung eines solchen Mittels dauert zehn bis 15 Jahre und kostet viel Geld.

Schaden die drei bis vier Kilogramm je Hektar, die im Ökolandbau erlaubt sind, dem Regenwurm?
Das Problem der hohen Kupfergehalte in Weinbergsböden kommt aus Zeiten, in denen man jährlich bis zu 60 Kilogramm je Hektar angewandt hat. Doch auch drei Kilogramm pro Hektar und Jahr reichern sich an, da es mehr ist, als Pflanzen natürlich aufnehmen können. Die Gefahren des Kupfers für den Regenwurm werden gepuffert durch eine gute Humusversorgung der Böden. Zudem wird Kupfer mit zunehmendem Alter immer fester in Ton-Humus-Komplexen gebunden.

Piwi-Weine – pilzwiderstandsfähige Rebsorten im Fokus

Um Kupfer weiter zu reduzieren, setzt die Bio-Winzerin auf neue Rebsorten, die Pilzen widerstehen: sogenannte Piwis. Einige alte Weinberge, die sie von ihrem Vater übernahm, hat sie neu damit bepflanzt. Mit Laurot und Satin Noir für rote Trauben und Sauvignac für weiße. „Da brauche ich 80 Prozent weniger Pflanzenschutz“, ist ihre Erfahrung. Zudem zeigen neueste Forschungen, dass die Piwis auch mit Hitze besser zurechtkommen. Doch die neuen Sorten müssen bekannt gemacht werden. Dazu hat sie sich mit Weinbaubetrieben an der Mosel, bio und konventionell, als „Vision Mosel“ zusammengetan.

 „Eine gesunde Traube bringt alles mit, was es für einen guten Wein braucht.“

Christina Andrae

Vom Bio-Weinberg in den Weinkeller

Wenn Reifegrad und Aroma passen, erntet Christina Andrae die Trauben, keltert sie und vergärt den Most. Im Weinkeller arbeitet sie minimalistisch. „Eine gesunde Traube bringt alles mit, was es für einen guten Wein braucht, deshalb ist die Arbeit im Weinberg so wichtig“, sagt die Winzerin. Bei ihrem Basissortiment setzt sie Reinhefe zu, um ein möglichst stabiles Aroma zu bekommen, bei den Spitzenweinen arbeitet sie mit den natürlich vorhandenen Hefen. „Mein wichtigstes Handwerksmittel im Keller ist die Temperatur“, erklärt Andrae. „Je nachdem, ob ich sie runtersetze und die Gärung damit verlangsame oder ob ich schnell durchgäre, entwickelt sich der Wein anders.“ 

Nach der Gärung dürfen Bio-Winzer:innen ihren Wein klären, also Trübstoffe entfernen. Wer dabei auf tierische Hilfsmittel wie Gelatine verzichtet, kann ihn als vegan kennzeichnen. Erlaubt ist auch der Zusatz von Tanninen oder Eichenholzstücken, um das Aroma zu verbessern. Christina Andrae verzichtet auf solche Zusätze. Wie alle Bio-Winzer:innen braucht sie jedoch etwas Schwefel, um ihre Weine haltbar zu machen. Weniger als konventionell erlaubt, aber doch unverzichtbar. Denn es wäre schade, wenn ein guter Tropfen, in dem so viel Arbeit steckt, umkippt und nach Essig schmeckt.

Verschiedene Weine stehen in Flaschen neben Töpfen und Gemüse in der Küche

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Bio-Wein in Zahlen

In Deutschland arbeiten laut Statistischem Bundesamt und Agrarmarkt Informations-Gesellschaft rund 1000 von insgesamt 14 150 Weinbaubetrieben biologisch. Darunter sind viele große Betriebe aus Rheinhessen und der Pfalz. Deshalb liegt der Bio-Rebflächenanteil in Deutschland mit 15 300 von 102 500 Hektar Gesamtrebfläche bei stolzen 15 Prozent. Mehrwegflaschen für Wein sind selten, die Mehrwegquote liegt bei fünf Prozent. Ein guter Teil davon entfällt auf Bio-Weine.

Häufige Fragen zu Bio-Wein

Was ist Bio-Wein genau?

Bio-Wein wird nach den Richtlinien der EU-Bio-Verordnung hergestellt. Dabei sind chemisch-synthetische Spritz- und Düngemittel verboten. Stattdessen setzen Bio-Winzer:innen auf natürliche Methoden und Hilfsmittel. Dazu gehört auch Kupfer zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten, jedoch in geregelten Maximalmengen. Der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen ist in der Biowein-Herstellung verboten. 

Woran erkenne ich Bio-Wein im Handel?

Bio-Wein trägt das grüne EU-Bio-Siegel oder zusätzliche Zeichen von Anbauverbänden wie Bioland oder Demeter. Diese Label garantieren eine ökologische Bewirtschaftung.

Was sind Piwi-Rebsorten?

Piwi-Rebsorten sind pilzwiderstandsfähige Neuzüchtungen. Sie benötigen bis zu 80 % weniger Pflanzenschutz und gelten als Hoffnung für den klimafreundlichen Weinbau.

Ist Bio-Wein automatisch vegan?

Nein. Viele Bio-Weine sind vegan, aber nicht alle. Entscheidend ist, ob im Herstellungsprozess tierische Hilfsmittel wie Gelatine verwendet wurden. Ein Vegan-Label gibt hier Klarheit.

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