Interview

Bio-Imker: „Ich suche das Gespräch mit konventionellen Bauern“

Gunter Beyer ist Bio-Imker aus Leidenschaft. Im Interview erzählt er, wie er mit seinen Bienen den Blüten hinterher reist und wie schwierig es ist, den Honig frei von Pestiziden zu halten.

Was zeichnet die Imkerei Gunterbunt aus?

Zunächst einmal sind wir eine Bioland-Imkerei. Das ist für mich das Allerwichtigste. Für mich war von Anfang an entscheidend, dass ich unter kontrollierten biologischen Richtlinien arbeite. Und: Wir sind eine Wander-Imkerei. Das heißt, für unsere acht bis neun verschiedenen Sorten Honig wandern wir mit unseren rund 600 Bienenvölkern den Blüten hinterher. Das fängt etwa im Mai an, mit den Obstblüten und dem Raps, danach kommt die Akazie, dann die Himbeere, die Kornblume, die Linde und manchmal auch die Tanne. Das heißt, in einem Abstand von zwei bis drei Wochen packen wir unsere Bienenvölker über Nacht ein, laden sie auf einen Lkw und fahren um die 100 bis 300 Kilometer weit zur nächsten Blütentracht.

Was sind die wichtigsten Kriterien der Bioland-Imkerei?

Zentral sind der eigene Wachskreislauf, dass keine Chemikalien im Bienenstock eingesetzt werden dürfen und die Rückverfolgbarkeit des Honigs bis aufs einzelne Feld.

Was bedeutet eigener Wachskreislauf?

Für die Honig-Qualität spielt das Wachs der Bienen eine entscheidende Rolle. Im Unterschied zur konventionellen Imkerei darf Wachs aus dem Brutraum, in dem die Königin ihre Eier ablegt und die Brut aufwächst, nicht mit Wachs aus dem Honigraum vermischt werden. Der Honigraum dient rein der Honigablage. Beide Räume sind im Bio-Anbau streng voneinander getrennt. Durch die Brut und Brutreste verunreinigtes Wachs darf bei uns nicht als Wachsplatten im Honigraum zum Einsatz kommen. Somit bleibt der Honig rein.

„Ich musste schon mal zwei Tonnen Honig auf der Sondermülldeponie entsorgen.“

Gunter Beyer, Bio-Imker

Wie bekämpft ihr die für Bienen gefährliche Varroa-Milbe, wenn ihr keine Chemikalien einsetzt?

Vorgabe bei Bioland ist, dass ausschließlich mit organischen Säuren oder ätherischen Ölen dagegen vorgegangen werden darf, aber erst am Ende der Saison, wenn kein Honig mehr da ist. Behandelt wird nur der Brutraum. Der Honig bleibt somit ein klares, reines Naturprodukt. Im Unterschied dazu darf der konventionelle Imker gegen Milben auch Chemo-Therapeutika einsetzen und das Wachs aus Honigraum und Brutraum vermischen.

Wie beeinflusst der Pestizideinsatz der konventionellen Landwirtschaft deine tägliche Arbeit?

Meine tägliche Arbeit nicht so sehr, aber es gibt einen Zeitraum, da stehen mir deswegen die Haare zu Berge. Das ist das Frühjahr, wenn die Obstblüten aufgehen. Hier in Witzenhausen gibt es noch sehr viele Kirschen, die intensiv bearbeitet werden und intensiv heißt: spritzen, spritzen, spritzen. Auch Rapsfelder gibt es hier überall, nur leider Bio-Raps so gut wie keinen. Einen Frühjahrs-Rapsblüten-Honig zu erzeugen, der so gut wie keine Pestizide in sich hat, ist ein äußerst kompliziertes Thema. Denn eine Biene fliegt bis zu drei Kilometer weit, da ist es schwierig, dass sie allein zu ungespritzten Flächen fliegt. Einen Bienenstand aufzumachen in unseren Breitengraden, von dem aus die Bienen nicht auf konventionelle Rapsäcker fliegen, ist so gut wie unmöglich.

Macht sich Glyphosat doch nicht vom Acker?

Grünes Licht aus Parma: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat keine Bedenken gegen eine Wiederzulassung des Herbizids Glyphosat. Nun müssen die EU-Mitgliedstaaten über eine weitere Genehmigung abstimmen, denn die derzeitige EU-Zulassung für das Herbizid läuft Mitte Dezember aus. Die Stellungnahme der EFSA dient ihnen dafür als Grundlage. Dem Nachrichtenportal Euraktiv zufolge könnte die Abstimmung bereits im September erfolgen. Das Portal beruft sich in einem Bericht auf ein geleaktes EU-Dokument, das eine Verlängerung der Zulassung nahelege.

Glyphosat sorgt schon seit Jahren für Diskussionen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte das Herbizid 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ ein, und es gibt Studien, die das Ackergift mit verschiedenen Gesundheits- und Umweltproblemen in Verbindung bringen. Die EFSA kam in ihrer Bewertung jedoch zu dem Schluss, dass es „keine kritischen Problembereiche“ hinsichtlich der Risiken gebe. Allerdings räumte sie Datenlücken und einige noch nicht abschließend geklärte Fragen ein.

Umweltorganisationen kritisieren die Bewertung der EFSA. „Die EFSA ignoriert in ihrer Empfehlung unabhängige Studien, die die Folgen von Glyphosat für Gesundheit und Umwelt belegen“, sagt das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL). Deutschland müsse auf EU-Ebene für ein Glyphosat-Verbot stimmen, so das Bündnis weiter. Für Greenpeace steht eine Verlängerung von Glyphosat in direktem Widerspruch zum EU-Ziel, den Einsatz von Pestiziden zu halbieren.

Welche Regeln gibt es zu Pestiziden im Honig bzw. zum Ausbringen von Pestiziden?

Die Honigverordnung schreibt für Bio- als auch für konventionelle Imker ähnliche Grenzwerte für Pestizidrückstände im Honig fest. Das wird bei allen Betrieben vom Veterinäramt stichprobenartig jährlich überprüft, bei uns Bio-Betrieben kommt noch eine weitere jährlich Überprüfung von unabhängigen Bio-Kontrollverbänden dazu. Außerdem gibt es die Spritzverordnung, die vorschreibt, dass Pestizide nur nach dem Bienenflug, also am Abend oder sehr früh morgens ausgebracht werden dürfen. Hält sich ein Bauer nicht daran und spritzt tagsüber bei wärmeren Temperaturen, bei voller Blütenöffnung und damit zur Hauptsammelzeit der Bienen, kann man davon ausgehen, dass sich das 100- bis 1000-fache von dem, was an Grenzwerten zugelassen ist, später im Honig findet. Dieser Honig ist nicht mehr zu verwenden und muss teuer entsorgt werden.

Wie schützt du einen Honig vor Pestiziden?

Ich suche vor allem mit den konventionellen Bauern das Gespräch, um mit ihnen gemeinsam Lösungen zu finden, wie der Pestizideintrag gestoppt, verringert oder verschoben werden kann. Und dann erarbeite ich gemeinsam mit ihnen Ansätze, um die Pestizidbelastung zu verringern: Zum Beispiel arbeite ich mit einem großen landwirtschaftlichen Betrieb zusammen, der sich nach meiner Beratung ein „Dropleg“-Spritzensystem zugelegt hat. Dieses System bringt die Pestizide nicht von oben auf die Blüten, sondern von unten an die Blattachsen. So kommen keine Pestizide in die Blüte, nicht in den Nektar und somit auch nicht in den Honig. Mit einem anderen Bauern habe ich Versuche gemacht, auf die letzte Blütenspritzung beim Raps zu verzichten. Im Gegenzug haben wir um die Rapsfelder Bienenvölker zur Bestäubung verteilt. Letztendlich hat er dadurch sogar mehr Ertrag gehabt.

Leider klappt das mit den Absprachen auch nicht immer. Ich musste schon mal zwei Tonnen Honig auf der Sondermülldeponie entsorgen. Da war einfach zu viel Pestizid drin, obwohl ich mit dem Bauern gesprochen hatte, obwohl ich ihm sogar Geld für seine Mitarbeiter:innen gegeben hatte, damit sie abends spritzen, was die Spritz-Verordnung ohnehin vorgibt. Die Entsorgung und die fehlenden Einnahmen haben Kosten in Höhe von 16000 Euro verursacht.

Schlussendlich gehe ich selbst immer auf Nummer sicher und lasse den Frühjahrs- bzw. Rapsblüten-Honig auf meine Kosten analysieren, bevor er in den Verkauf geht. Für durchschnittlich 15 Tonnen Rapsblütenhonig-Ernte verursachen diese Pestizid-Rückstandsanalysen rund 2000 Euro Kosten pro Jahr. Der Honig wird dadurch pro Kilogramm zehn bis elf Cent teurer.

Bio-Honig: Das macht den Unterschied

Ist Honig gesund? Warum wird Honig fest? Was ist Waldhonig? Was ist an Bio-Honig Bio? Wir haben die Antworten für euch.

Was passiert, wenn zu viel Pestizide in deinem Honig sind?

Der Honig muss dann auf meine Kosten aus dem Verkauf entfernt und entsorgt werden. Eine Handhabung gegen den Verursacher ist nur möglich, wenn ich einem Bauern nachweisen kann, dass er diesen Schaden fahrlässig verursacht hat. Wenn er zum Beispiel am helllichten Tag Glyphosat auf Blühflächen ausgebracht hat und dies dokumentiert werden konnte. Aber das ist ein sehr, sehr schwieriger, kostspieliger und langwieriger Prozess.

Glyphosat stoppen! Jetzt unterschreiben!

Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, Greenpeace und weitere Organisationen haben die Petition „Glyphosat-Verbot jetzt!“ gestartet. Diese kann noch bis Mitte September unterschrieben werden.

Was brauchst du – auch politisch – damit deine Art der Imkerei einfacher wird?

Ich bin Bauer vom Herzen. Bauer wird man, weil man es unbedingt machen will. Eigentlich wollen alle Landwirte gesunde Nahrung herstellen und ich habe auch für die konventionellen Landwirte Verständnis. Mir macht Mut, dass man sich inzwischen aufeinander zubewegt, auch wenn das nur langsam passiert.
Man muss kommunizieren und man muss voneinander lernen und das passiert – wenn auch langsam. Da könnte die Politik noch sehr viel mehr unterstützen. Regelmäßige Fortbildungen für Landwirte zum Bereich Insekten-, Klima- und Bodenschutz wären auch total wichtig. Und an manchen Stellen braucht es natürlich auch das Aussprechen konsequenter Verbote und auch stärkere Kontrollen.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft.

Zur Person

Gunter Beyer hat bereits seit 30 Jahren Bienen, zwischendurch hielt er Ziegen, Hühner und Pferde, hat Ackerlandwirtschaft betrieben und Käse selbst hergestellt. Seit zehn Jahren verschreibt sich Gunter Beyer ausschließlich der Bio-Imkerei. Seine Imkerei Gunterbunt sitzt im hessischen Witzenhausen südlich von Göttingen.

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