Essen

Bio-Fisch

Fisch gilt als gesundes Nahrungsmittel und ist für viele, die kein Fleisch mehr essen möchten, eine Alternative. Dem stehen Aquakultur mit Massentierhaltung und umstrittenes Fischfutter als kritische Punkte gegenüber.

Fisch gilt als gesundes Nahrungsmittel und ist für viele, die kein Fleisch mehr essen möchten, eine Alternative. Dem stehen Aquakultur mit Massentierhaltung und umstrittenes Fischfutter als kritische Punkte gegenüber. Grund genug für die ökologischen Anbauverbände, eigene Konzepte zu entwickeln. Doch bei der Um-setzung gibt es Fischspezifische Probleme.

Wer frischen Fisch kauft, geht zumeist davon aus, daß das eiweißreiche Nahrungsmittel naturbelassen und unverfälscht ist. So kommt mancher Naturkostkunde ins Grübeln, wenn er im Laden Bio-Forellenfilet oder Bio-Lachs im Kühlregal entdeckt. Wer sich näher mit der Thematik beschäftigt, stößt allerdings schnell auf die Gründe, die für eine Zertifizierung sprechen.

Mißstände in der konventionellen Aquakultur

Viele erliegen dem Irrtum, der im konventionellen Handel angebotene Fisch stamme aus wildlebenden Beständen in Seen, Bächen oder Meeren. Das ist aber oft nicht richtig. Da in den freien Gewässern viele Speisefische durch radikale Überfischung knapp werden, kommen heute beliebte Sorten wie Lachs, Forelle, Karpfen, Schleie, Zander, Hecht, Wels, Heilbutt, Kabeljau, Steinbutt, Dorade oder Aal immer häufiger aus der Aquakultur. Und die entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als mindestens genauso problematisch wie die konventionelle Massentierhaltung an Land. Die Fische dümpeln in engen Behältnissen dicht an dicht, oft dazu noch in ihren eigenen Exkrementen. Sie werden mit Kraftfuttercocktails so schnell wie möglich auf ihr Schlachtgewicht gebracht.

Von den Auswüchsen dieser Zucht berichtete 1994 der Spiegel: So hat in Südostasien die Fischmast mittlerweile industrielle Maßstäbe erreicht. Über sechs Millionen Tonnen Karpfenfische wurden hier 1991 gehalten und geschlachtet. Gut im Geschäft sind besonders Küstenländer. Zu den Hauptfischproduzenten gehören China, Thailand, Taiwan, Indonesien, Vietnam, Bangladesch und Indien. Norwegen leistet seinen Beitrag mit etwa 700 Lachsfarmen, die jährlich etwa 150.000 Tonnen des begehrten Fischfleischs erzeugen. Die Aquafarm-Ernte lag 1991 weltweit bei etwa 16 Millionen Tonnen Fisch, die Prognosen für ein weiteres Wachstum sind günstig. Gezüchtet wird neben gängigen Sorten wie Lachs und Forelle auch Exotisches wie Stör, Dorsch oder Bonito.

Die Masttierhaltung wirkt sich auf die Tiergesundheit aus: Die Fische sind in dem geschlossenen System krankheitsanfällig, Erreger können sich blitzschnell ausbreiten und den ganzen Bestand vernichten. Die hohe Besatzdichte führt zu Streß und damit ebenfalls zu erhöhter Anfälligkeit. Das Futter wird deshalb prophylaktisch mit Antibiotika angereichert. Zum Teil gibt es bereits Impfungen, die die anfälligen Tiere vor bestimmten Krankheiten schützen sollen. Wachstumshormone, Mastbeschleuniger, synthetische Vitamine, Farbstoffe und Mittel gegen Parasiten gehören ebenso zu den gängigen Futtermittelzusätzen und Medikamenten. Schnelle Mast und Mangel an Bewegung zeigen sich schließlich an der geschmacklichen Qualität. Das eigentlich zarte Fleisch wird ölig oder tranig und wabbelig.

Nicht nur die Fische selbst, auch die Umwelt leidet. Große Mengen oftmals ungeklärter Abwässer fließen in Küstenregionen und Flüsse ab, und es kommt es zu einer überreichen Nitrat- und Phosphatdüngung mit den bekannten Nebeneffekten.

Fische haben keine Stimme

Fische haben keine Lobby. Sie sind weder niedlich, kuschelig oder zutraulich noch wecken sie Beschützerinstinkte. Über ihre Leidensfähigkeit, ihre Lebensweise und ihre Bedürfnisse wissen die wenigsten Bescheid. Noch diskutieren Experten zwar darüber, wie schmerzempfindlich Fische sind - wohl fühlen sich die Tiere unter den Bedingungen auf den Aquafarmen aber keineswegs.

Tierschützer machen deshalb auf das stille Leiden aufmerksam. So fand im Herbst letzten Jahres eine Demonstration der Aktion Konsequenter Tierschutz gegen tierquälerische Techniken und das Töten in der Fischwirtschaft statt. Die Forderung der Tierschützer: Den stummen Fischen soll endlich eine Stimme verliehen werden.

Gründe genug für den ökologischen Landbau, sich der Wassertiere anzunehmen. Noch ist Bio-Fisch für die Anbauverbände ein neues Thema. So gibt es beispielsweise von der AGÖL, der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau, noch keine Bio-Fisch-Reglements. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis das nachgeholt wird, denn, so vermeldet die AGÖL, "die Anfragen nach Bio-Fisch häufen sich". Bioland, Demeter und Naturland zum Beispiel haben den Handlungsbedarf erkannt. Die Verbände haben verbindliche Richtlinien für die Karpfen-Teichzucht erlassen. Der rein pflanzlich lebende Fisch bereitet weder bei Haltung noch in punkto Futter Kopfzerbrechen.

Anders die Raubfische: Die beliebten Salmoniden Forellen und Lachs sind ausgesprochene Fleischfresser. Ihre Verdauung und Stoffwechsellage sind auf eiweißreiche und kohlenhydratarme Nahrung abgestimmt. Sie brauchen auch in der Teich- und Meerwirtschaft das hochwertige Eiweiß der Artgenossen und werden über Fischmehl beziehungsweise Fischöl im Futter damit versorgt.

Zuchtversuche an der Uni Bonn mit Forellen zeigten zwar, daß eine Fütterung ohne Fischmehl bestehend aus Getreide-Kleberkomponenten, zugesetzten Aminosäuren Lysin und Methionin, pflanzlichen Fetten, Stärke, Mineralstoffen und einem Minimalanteil Fischöl möglich ist, diese Fütterung kommt für die Anbauverbände jedoch aus zwei Gründen nicht in Frage. Zum einen sind die beiden kristallinen Aminosäuren synthetisch hergestellt und deshalb im Bio-Bereich nicht zugelassen. Zum anderen ist das spezielle Futtermittel relativ teuer und deshalb für den gewerblichen Bereich nicht zu tragen.

Nach aktuellem Wissensstand gibt es noch keine Alternative zu Fischmehl und -öl im Futter. Ob daneben eine rein vegetarische Lösung grundsätzlich sinnvoll ist, darf angezweifelt werden - die auf Fleischernährung gepolten Flossentiere würden es freiwillig nicht tun.

Eine deutsche Bio-Zertifizierung für Salmoniden gibt es wegen des Fischmehl- -beziehungsweise Fischöl-Zusatzes bislang noch nicht. Die Verbände zögern - schließlich gehört das generelle Tierkörpermehl-Verbot im Viehfutter zu den festen Richtlinien-Grundsätzen. Es zeichnet sich jedoch ab, daß in diesem speziellen Fall Fischmehl von den Verbänden zugelassen werden wird."

Naturland betreut Lachs-Pilotprojekt

Recht weit gediehen sind die Richtlinienbestrebungen für Salmoniden beim Anbauverband Naturland. Die Münchner betreuen gemeinsam mit Meeresbiologen der Clare Island Seafarm seit gut einem Jahr ein Pilotprojekt zur Entwicklung anerkannt ökologischer Lachserzeugung. Zehn Kilometer vor der irischen Westküste wachsen die Lachse in Hochseegehegen unter natürlichen Bedingungen auf. Die Erfahrungen aus diesem Projekt sollen in den Richtlinienkatalog für die Bio-Fisch-Erzeugung einfließen.

Wichtige Kriterien sind unter anderem Wasserqualität, Abwässer, Fütterung, Gesundheit, Zucht, Herkunft und Handel mit lebenden Fischen. Ähnlich wie bei der Tierzucht und Mast an Land, werden im Richtlinienentwurf Fragen der artgerechten Haltung und Fütterung sowie ökologische Zusammenhänge berücksichtigt werden.

Die Futterration der Clare-Island-Lachse enthält einen bestimmten Anteil an Fischmehl. Auf dieser kritischen Futterkomponente liegt das Hauptaugenmerk von Naturland. Für Mildred Steidle vom Verband ist völlig klar, daß Bio-Lachs nur unter bestimmten Voraussetzungen mit Fischmehl beziehungsweise Fischöl gefüttert werden darf: Der Anteil in der Ration wird begrenzt sein. Außerdem muß die Herkunft des Fischmehls sowie das Herstellungsverfahren überprüft werden. Es muß ausgeschlossen sein, daß für die Herstellung des Fischmehls oder -öls eine Ausbeutung und damit langfristig eine Zerstörung der marinen Ressourcen in Kauf genommen wird (siehe Kasten).

Daß sich der Verband trotz des Futterproblems auf die Salmonidenproduktion eingelassen hat, sei im ökologischen Zusammenhang zu sehen, erklärt Mildred Steidle. Die konventionelle Fischzucht habe nun mal negative Auswirkungen auf den Regelkreis Umwelt - Tier - Mensch. Eine ökologische Aquakultur mit der Zielsetzung, ein gesundes Lebensmittel unter ökologisch verträglichen Bedingungen zu erzeugen, sei deshalb sinnvoll. Und da es keine Futter-Alternative zum Fischmehl gibt, versuche Naturland das Beste aus der Situation machen. Der Anbauverband nimmt diesen Punkt besonders ernst und vergewissert sich bei den Fischmehlzulieferern direkt vor Ort von der Herkunft.

Bio-Fisch im Naturkosthandel - wo kommt er her?

Zu den Pionieren in Sachen Bio-Fisch zählt die Firma Isana. Die Süddeutschen haben sich als erstes Unternehmen an das Thema herangewagt und sind in Europa die einzigen, die Bio-Fisch vermarkten. Sie führen in ihrem Programm zum Beispiel Norwegischen Fjord-Lachs, Forellen-Filet aus Italien und den noch nicht zertifizierten Clare-Island-Lachs aus dem Naturland-Pilotprojekt, der bei Isana unter dem Namen Aran-Lachs vermarktet wird. Den italienischen Fisch zertifiziert die Kontrollorganisation AgriEcoBio, den norwegischen Lachs die Debio. Die Richtlinien für deren Bio-Fisch-Haltung und Erzeugung entsprechen den Grundsätzen der artgerechten Tierhaltung an Land und somit auch dem geplanten Salmoniden-Richtlinienentwurf von Naturland.

Die fürs Futter notwendige Fischmehlration erlauben Debio wie AgriEcoBio, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So dürfen die norwegischen Bio-Lachszüchter nur Fischmehl füttern, das ausschließlich aus Abfällen von wildlebenden Speisefischen aus den sauberen Regionen des Atlantiks stammt. Die italienischen Öko-Forellenzüchter lösen das Problem besonders elegant: Sie verarbeiten die nicht eßbaren Reste der bei ihnen geschlachteten Forellen zu Mehl und verfüttern dieses wiederum als Eiweißkomponente an die Nachzucht. Somit stammt also auch das Fischmehl aus kontrolliert-biologischer Erzeugung.

In diesem Zusammenhang ist dem Importeur Isana jedoch ein Lapsus unterlaufen. Im Kundenprospekt und auf der Verkaufspackung ist zu den carnivor (fleischfressend) lebenden Forellen die vielversprechende Aussage zu lesen: "Auf die sonst übliche Fütterung von Tiermehl bei Süßwasserfischen wird gänzlich verzichtet."

Ein Anruf klärt die Sache jedoch schnell. Bereitwillig gibt Thomas Hörl von Isana die Futterzusammensetzung inclusive Fischmehl bekannt. Auf die Tatsache angesprochen, daß Fischmehl ein Tiermehl ist und somit die Verkaufsaussage schlichtweg falsch, entgegnet Hörl spontan völlig erstaunt: "Fische sind doch keine Tiere!" Er habe bisher mit dem Begriff Tiermehl ausschließlich Mehle von Landtieren wie Rindern in Zusammenhang gebracht. Daß die Wasserbewohner dennoch zum Tierreich gehören, sei ihm jetzt klar. Ab sofort will er die Deklaration ändern.

Aus Wildfisch: Konserven oder Frischfisch

Fischkonserven aus Wildbeständen hat zum Beispiel Fontaine im Programm. Der Naturkosthersteller versichert, daß die Atlantik-Fische garantiert nicht aus der Treibnetz-Fischerei stammen. Die Zutaten, mit denen die verschiedenen Fische mariniert oder eingelegt sind, wie die Öle oder das Gemüse stammen aus kontrolliert-biologischem Anbau.

Frischen und geräucherten Fisch bietet der demeter-Versand Futura Feinkost an. Die Süß- und Salzwasserfische stammen nicht aus der Zucht und müssen vorbestellt werden.

Astrid Wahrenberg
Veröffentlicht am

Kommentare

Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.

Das könnte interessant sein

Unsere Empfehlung

Ähnliche Beiträge