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Bio-Fisch: Fischzucht geht auch öko

Unser Hunger nach Lachs, Hering und Co. gefährdet die Bestände der Meere. Die Lösung: Bio-Aquakultur. Wir erklären die Vorteile und stellen den Ökohelden unter den Speisefischen vor.

Ob frisch oder tiefgefroren, filetiert oder konserviert: Fisch ist lecker, proteinreich und steckt voller gesunder Omega-3-Fettsäuren. Kein Wunder also, dass der Fischkonsum weltweit kontinuierlich ansteigt – in Deutschland zuletzt auf rund 14 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Doch unser Fischhunger kann längst nicht mehr nur mit Wildfang gedeckt werden. Immer größere Schiffe, riesige Netze und auf Massenproduktion ausgelegte Fangmethoden haben bereits viele Wildfischbestände an ihre Grenzen gebracht – darunter beliebte Speisefische wie Lachs, Seelachs, Aal und Thunfisch. Die Alternative: Fisch aus Aquakultur.

Die Flossen von vier verschiedenen Fischen

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Nachhaltig Fisch essen: Darf es noch Fisch sein?

Die Meere sind fast leer gefischt, konventionelle Aquakultur ist überfüllte Tiermast. Kann man Fisch noch guten Gewissens essen? Wir geben Tipps fürs nachhaltige Fischen mit dem Einkaufsnetz.

Warum Bio-Fisch aus Aquakultur am besten ist

Schon im antiken Rom wurden Fische und Krustentiere in sogenannten Vivarien gehalten und anschließend verspeist. Richtig etabliert hat sich die kommerzielle Zucht in Fischfarmen jedoch erst seit den 1990er-Jahren. Während die Wildfangmengen rückläufig sind, wird heute fast die Hälfte aller Speisefische und Meeresfrüchte in Teichen, Becken oder Netzgehegen im Meer produziert. Und bis 2030 könnten bereits zwei Drittel unserer Fische aus Aquakultur stammen – obwohl diese oft verheerende Auswirkungen auf unsere Umwelt und die Tiere hat. Zuchtfisch mit dem Siegel des ASC (Aquaculture Stewardship Council) ist zwar etwas nachhaltiger als Fisch ganz ohne Zertifizierung. Doch nur Bio-Aquakulturen stellen eine wirklich umweltfreundliche Alternative zu Wildfang dar.

Gut für die Fische

Ob in Netzen im Meer oder in Teichen an Land: In Aquakulturen leben Fische auf begrenztem Raum. Hier sorgt die EU-Öko-Verordnung für möglichst artgerechte Bedingungen. Sie schreibt maximale Besatzdichten je nach Fischart und Haltungsform vor. Zum Beispiel Lachs: In konventionellen Meergehegen sind pro Kubikmeter bis zu 40 Kilogramm Lachs erlaubt, bei Bio sind es maximal zehn. Bio-Fische können sich also stressfreier und ausgiebiger bewegen. Und das schmeckt man auch, denn ihr Fleisch ist dadurch fettärmer, aromatischer und fester.

Fisch-Labels: eine Übersicht

Diese Labels stehen für nachhaltigen Fischfang.

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Fisch-Labels: eine Übersicht

Gut für die Umwelt

Weniger Tiere pro Kubikmeter Wasser bedeutet auch, dass die Gewässer weniger mit Ausscheidungen oder Futterresten belastet werden. Das ist wichtig, denn deren Zersetzung kann die Sauerstoffkonzentration im Wasser senken. So stellt die Bio-Fischhaltung sicher, dass umliegende Ökosysteme im Gleichgewicht bleiben. Auch optisch macht Bio den Unterschied: Während vor allem Forellen in konventionellen Anlagen oft in kargen Betonrinnen gehalten werden, müssen ökologische Teichanlagen zu mindestens zehn Prozent aus natürlicher Vegetation bestehen.

Putzerfische statt Insektizide

Ein weiterer Pluspunkt: Weil sie mehr Platz haben sind Bio-Fische weniger anfällig für Krankheiten und Parasiten – zum Beispiel für Lachsläuse. Konventionelle Lachsfarmen bekämpfen diesen haut-, schleim- und blutsaugenden Schädling mit Insektiziden. Diese gehen nicht nur den Läusen, sondern auch anderen Wasserorganismen an den Kragen. In Bio-Fischfarmen kommen hingegen mitunter Putzerfische zum Einsatz, die Lachsen und Forellen die Quälgeister vom Leib fressen.

Weniger Medikamente

Eine vorbeugende Gabe von Antibiotika gegen Krankheiten ist bei Bio-Fischen derweil genauso verboten wie der Einsatz von Wachstumshormonen.

Antibiotika in der Massentierhaltung

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Nachhaltigkeit: Entscheidend ist das Futter

Ein Knackpunkt der Aquakultur ist die Fütterung der Fische. Denn um gut zu wachsen, brauchen Raubfische wie Lachse oder Forellen tierisches Protein. Ihrem Futter wird deshalb Fischmehl und Fischöl beigemischt – und dessen Herkunft ist entscheidend. Werden wilde Fischbestände zur Fütterung von Aquakulturen dezimiert, hat das mit Nachhaltigkeit wenig zu tun. Pro Lachs braucht man dann etwa die doppelte Menge Wildfisch, bei Thunfisch sogar die zwanzigfache Menge.

Auch das Futter für Bio-Lachse besteht zu 60 Prozent aus Fisch, allerdings muss dieser zumindest aus nachhaltiger Fischerei stammen. Der Bio-Verband Naturland verpflichtet seine Betriebe dazu, Fischmehl und -öl nur aus Abfallprodukten der Speisefischverarbeitung zu verwenden. „So wird sichergestellt, dass die Zucht die Überfischung der Meere nicht zusätzlich ankurbelt“, sagt Kristina Rodecker. Sie ist Produktmanagerin bei Ökofrost. Unter der Marke Biopolar vertreibt das Unternehmen Naturland-zertifizierten Lachs aus Irland.

Natürlich Orange

Bio-Lachs bekommt seine typisch rötliche Farbe nicht wie in der konventionellen Zucht üblich durch chemische Farbstoffe, sondern über mit Algen und Hefen angereichertes Futter.

Die pflanzlichen Futterbestandteile wie Getreide und Soja müssen ökologisch erzeugt werden. „Damit sind sie auch garantiert pestizid- und gentechnik-frei“, so Rodecker. Für die Zukunft hoffen sie und ihre Kollegen auf die Zulassung von Insekten für die Bio-Fischfütterung. Sie könnten eine gute, alternative Protein-Quelle zu Fischmehl und Soja sein. Fischöl hingegen könnte künftig durch Algenöl ersetzt werden. Je vegetarischer sich unsere Speisefische ernähren, desto besser ihre Ökobilanz.

Aquaponik: Nachhaltig, aber nicht bio

In der Landwirtschaft sind Mist und Jauche aus der Tierhaltung wichtiger Nährstofflieferant für die Pflanzen auf den Feldern. Auch die Ausscheidungen von Fischen können Pflanzen ernähren – in sogenannten Aquaponik-Anlagen.

In diesen geschlossenen Kreislaufanlagen wird nährstoffreiches Wasser aus der Fischhaltung kontinuierlich aufbereitet und wiederverwertet. Es umspült dann die Wurzeln von Pflanzen wie Tomate oder Paprika, bevor es wieder zu den Fischen fließt. Ein nachhaltiger Ansatz, der Platz, lange Transportwege und Düngemittel sparen und damit negative Umweltauswirkungen reduzieren kann.

In der Bio-Landwirtschaft ist Aquaponik bisher nicht erlaubt. Denn die EU-Öko-Verordnung verbietet geschlossene Kreislaufanlagen in Aquakulturen und schreibt vor, dass Pflanzen ihre Nährstoffe über den Boden aufnehmen müssen.

Warum Karpfen der Öko unter den Fischen ist

Der Öko unter den Speisefischen ist deshalb zweifellos der Karpfen. Jonathan Schleyken, der bei Naturland für Fischerei und Aquakultur verantwortlich ist, erklärt dessen Vorzüge: „Der Allesfresser ernährt sich von Pflanzen, Algen und Kleinstlebewesen. Er braucht kaum zusätzliches Futter, ist äußerst resilient und fühlt sich auch in trüben Gewässern wohl.“ Neben Naturland haben die Verbände Bioland und Biokreis Richtlinien für die Zucht dieses Ökohelden verabschiedet, doch es gibt kaum zertifizierte Betriebe. Die Karpfen-Nachfrage ist jenseits der Gastronomie gering; eine breite Vermarktung bisher nicht wirtschaftlich.

Vergleichbare Allesfresser wie Pangasius und Tilapia sind zwar ähnlich friedliebend und anspruchslos wie der Karpfen. Allerdings mögen sie es gerne warm und kommen daher meist aus dem fernen Ausland, wo nicht nur Umwelt-, sondern auch Sozialstandards oft vernachlässigt werden. Weil die EU-Bio-Zertifizierung keine sozialen Aspekte prüft, lohnt sich bei Fisch aus dem außereuropäischen Ausland auf jeden Fall der Griff zum Naturland-Produkt. Denn der Verband hat eigene Standards zur sozialen Verantwortung – für die gesamte Wertschöpfungskette, von der Zucht bis auf den Teller.

Diese Fische gibt es auch bio-zertifiziert

Bio-Fisch ist ein Nischenprodukt. Laut dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau gibt es weltweit nur etwa 250 zertifizierte Aquakultur-Betriebe. Bei Wildfisch ist eine Zertifizierung nicht möglich, da in freier Wildbahn die Lebensbedingungen und die Fütterung nicht beeinflusst werden können. Folgende Fischarten gibt es am ehesten in Bio-Qualität:

Lachs ist der beliebteste Bio-Fisch. Es gibt ihn als Fischfilets sowie geräuchert und gebeizt. Norwegischer Bio-Lachs kommt aus Netzgehegen in Fjorden. In Irland schwimmt Bio-Lachs in Aquakultur an der Westküste, wo kaltes Wasser und starke Gezeiten die Tiere besonders fit halten.

Bio-Forellen und -Saiblinge gibt es aus gut durchströmten, sauerstoffreichen Süßwasser-Anlagen z.B. in Deutschland oder Österreich. Sie werden üblicherweise als ganzer Fisch verkauft.

Bio-Doraden und -Wolfsbarsche werden in Europa in Netzgehegen im Mittelmeer produziert, z.B. in Griechenland.

Karpfen stellen an die Qualität von Wasser und Futter keine hohen Ansprüche, was sie zu einem besonders nachhaltigen Fisch macht. In Deutschland – vor allem in Bayern – und in Österreich gibt es einige Bio-Karpfenbetriebe, die ihre Tiere jedoch überwiegend direkt vermarkten.

Tilapia ist ähnlich anspruchslos wie Karpfen, braucht jedoch mindestens eine Wassertemperatur von 18 °C. Den ursprünglich aus Afrika stammenden Tilapia gibt es daher überwiegend aus Aquakulturen in warmen Ländern – in Bio beispielsweise aus Israel.

Auch Garnelen und Muscheln gibt es in Bio-Qualität. Bio-Miesmuscheln stammen etwa aus Deutschland und den Niederlanden, Bio-Garnelen aus naturnahen Teichen in Südamerika und Asien. Hier haben Garnelen etwa zehnmal so viel Platz wie Garnelen in konventionellen Betrieben.

Mehr zum Thema Fisch

Der WWF-Fischratgeber informiert, welchen Fisch aus welchen Regionen und Haltungsformen man guten Gewissens essen kann – und welchen nicht. Den Ratgeber gibt es als Web-Version oder PDF sowie als App für iOS und Android.

Der Bio-Anbauverband Naturland informiert auf seiner
Webseite über ökologische Aquakultur und nachhaltigen Fischfang.

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