Der Mittvierziger steht etwas verwirrt am Frühstücksbuffet der Jugendherberge Bayreuth: „Wo steht denn die Salami?“, fragt er Küchenchef Thomas Günther, der gerade Brötchen nachlegt. Günther lächelt – diese Frage hört er jeden Dienstag ein paar Mal. Denn dienstags bietet die Jugendherberge weder Fleisch noch Wurst an. „Die Platte mit dem Aufschnitt gibt’s erst morgen wieder“, erklärt der Küchenchef dem Gast. Der nickt, schaut sich um und greift beim Käse zu. Die Auswahl ist groß. Neben Brötchen und Brot gibt es Marmelade, Honig, Quark mit frischen Kräutern, Frischkäse und drei vegane Aufstriche, frische Früchte, Müsli, Milch, Soja- und Haferdrink, Saft, Wasser, Tee und natürlich Kaffee. Das meiste davon wird in Bayreuth seit einem halben Jahr in Bio-Qualität angeboten.
Die Jugendherberge ist eine von fünf in Bayern, die 2021 das „Projekt Bio“ durchgeführt haben. Ein halbes Jahr lang wurde ausprobiert, ob es von den Lieferketten und der Logistik her funktioniert, große Teile des Essens in Bio-Qualität anzubieten. Natürlich wurde auch geschaut, wie viel teurer das Essen durch Bio wird und wie es bei den Gästen ankommt.
Das sind die Bio-Tipps des Küchenchefs
„Bei uns war die Umstellung kein großer Akt“, erzählt Thomas Günther: „Derselbe Gemüsehändler wie früher liefert uns jetzt halt alles Obst und Gemüse in Bio-Qualität.“ Das sei zwar etwas teurer, aber wenn man geschickt haushalte, zum Beispiel vieles selber mache, komme man mit einer geringen Budgeterhöhung hin. Die Unterschiede seien aber gar nicht so groß: „Einige wenige Produkte waren als Bio-Ware sogar preiswerter als die konventionelle Alternative!“, erzählt Günther. Kakaopulver zum Beispiel. Auch deshalb wird in der Bayreuther Jugendherberge mehr in Bio angeboten als ursprünglich geplant. Neben Kakao ist auch der Kaffee fair und bio. Der Tee natürlich auch.
Damit die Kosten im Rahmen bleiben, wird in Günthers Küche noch viel selbst gemacht. Gemeinsam mit seinem Team stellt er nicht nur die Marmeladen, Kräuterquarks und veganen Brotaufstriche fürs Frühstückbuffet her, sondern auch Bratlinge und Gemüse-Currys.
„Wichtig beim Umstellen auf Bio ist das Engagement der Mitarbeiter. Es müssen einfach alle davon überzeugt sein und es wirklich wollen, dann klappt es auch!“, sagt Thomas Günther. Bei Tiefkühlware und Konserven hat es anfangs ein paar Probleme gegeben, diese in Bio-Qualität zu bekommen. Doch Günther und sein Team haben alle Probleme gelöst. Thomas Günther ist aber auch ein Überzeugungstäter. Sein mit zwei Haargummis gebändigter Kinnbart zittert ein bisschen, als er erzählt, dass sich beim Essen einfach etwas ändern muss: „Anders geht es einfach nicht. Wenn wir das Klima schützen wollen, dann müssen wir weniger Fleisch essen. Und wenn, dann hochwertiges, am besten aus Öko-Haltung!“ Er selbst hat, als gestandener Franke, jahrzehntelang relativ viel Fleisch gegessen. Bis er realisiert habe, wie schädlich zu viel Fleisch nicht nur für den eigenen Körper, sondern auch für die Umwelt ist. Jetzt isst er vegetarisch und bio – und hat nicht das Gefühl, auf etwas verzichten zu müssen.
Bio in der Jugendherberge: Das sagen die Gäste
Bei den Gästen kommt die Küche der Jugendherberge Bayreuth gut an. Jan Haut, der mit seiner Familie ein paar Tage Urlaub in der Wagnerstadt macht, ist begeistert: „Das Frühstücksbuffet kann auch in einem Hotel nicht besser sein!“, sagt er. Dass fast alles aus Bio-Anbau stammt, hat er vor dem Besuch auf der Homepage gelesen und findet das gut. „Aber das war jetzt nicht der Grund, warum wir hier übernachten“, gibt seine Frau Nadine Koch zu. Die Qualität des Essens sei aber toll und könnte durchaus ein Grund sein, in nächster Zeit nochmal wiederzukommen, lacht sie. Ihren Kindern Ida und Emil hat es auch geschmeckt, doch sie begeistert vor allem das große Sportangebot: Fußball, Basketball, Volleyball, Tischtennis und sogar einen Parcours für Finger-Skateboards.
Bayerische Jugendherbergen wollen Bio weiter ausbauen
Die bayerischen Jugendherbergen haben sich schon vor fünf Jahren aufgemacht, nachhaltiger zu werden. Erste Schritte waren die Umstellung der Energieversorgung auf 100 Prozent Öko-Strom und die Einführung eines fleisch- und wurstfreien Tages pro Woche. In einigen Jugendherbergen – zum Beispiel in Bayreuth – gibt es an jeder Dusche ein kleines Display, auf dem angegeben wird, wie viel Wasser man verbraucht. Neben der Literzahl pro Duschvorgang ist auf dem Display auch ein Eisbär auf einer Eisscholle zu sehen – und die Eisfläche wird immer kleiner, je länger man duscht …
Der Weg der Jugendherbergen zu mehr Nachhaltigkeit sei nicht umkehrbar, erklärt Winfried Nesensohn, Vorstand des Landesverbandes Bayern des Deutschen Jugendherbergswerks. Und deshalb werde es nach dem halben Jahr Bio-Versuch auch weitergehen. Immer mehr der gut 50 bayerischen Häuser sollen mehr Bio-Lebensmittel anbieten und bald werde man auch beim Fleisch diesen Weg gehen. 2023 soll es ein Pilotprojekt dazu geben. „Wir können und wollen in Sachen Bio etwas bewegen bei Konsumentinnen, Konsumenten, Produzentinnen und Produzenten!“, sagt Nesensohn.
Bio-Verpflegung: gute Zahlen, schlechte Zahlen
- Die Hälfte der Zutaten im Mittagessen von Berliner Grundschulen ist Bio. Auch in Münchener Kitas stammen mindestens 50 Prozent der verwendeten Lebensmittel aus Bio-Anbau.
- In Kopenhagen gibt es in allen öffentlichen Kantinen schon 90 Prozent Bio und Österreichs Regierungsprogramm sieht eine Bio-Quote in öffentlichen Kantinen von 55 Prozent bis 2030 vor.
- Die deutsche Bundesregierung hinkt hinterher. So beträgt der Bio-Anteil in den Kantinen des Bundeslandwirtschaftsministeriums gerade einmal zehn Prozent. Das ist zu wenig, findet der Bio-Dachverband BÖLW. Der Bund solle eine Pionierrolle für mehr Bio in der Gemeinschaftsverpflegung einnehmen. Würden alle Kantinen des Bundes nur auf 50 Prozent Bio umgestellt und die Zutaten dafür größtenteils bei heimischen Bauern gekauft, hätte die Bundesregierung einen großen Schritt in Richtung des eigenen Ziels „20 Prozent Bio-Fläche bis 2030“ und damit Richtung Nachhaltigkeit getan.
Bisher ist der Landesverband Bayern Vorreiter in Sachen Bio. „Es gibt aber erste positive Signale, dass unsere Initiative auch von anderen Landesverbänden aufgegriffen werden soll. Insofern befinden wir uns gerade in einer Art Pionierphase“, so Nesensohn. Es ist ein Prozess mit viel Potenzial für Bio. Allein in den bayerischen Jugendherbergen haben 2019, also vor Corona, mehr als eine Million Menschen übernachtet und gegessen. Deutschlandweit gibt es 450 Jugendherbergen – mit etwa zehn Millionen Übernachtungen pro Jahr.
Warum Bio in der Außer-Haus-Verpflegung so wichtig ist
Überhaupt könnte die sogenannte Außer-Haus-Verpflegung (AHV) – also Essen, das beispielsweise in Kantinen, Restaurants und Hotels angeboten wird – ein wichtiger Hebel für mehr Bio in Deutschland sein. Denn die AHV ist ein großer Absatzmarkt für Lebensmittel. Knapp 81 Milliarden Euro wurden dort 2018 umgesetzt. Aus ökologischem Anbau stammen allerdings nur 1,3 Prozent der eingesetzten Lebensmittel. Das ergeben Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Jedes Prozent mehr würde den Absatzmarkt deutlich vergrößern und Landwirtinnen und Landwirten, die auf Bio umstellen möchten, mehr Sicherheit geben.
Die Jugendherbergen in Bayern sind den Schritt gegangen – für sich und ihre Gäste, für die Umwelt und die Bio-Bauern. Wenn das Beispiel Schule macht, gibt es nicht nur gesündere Lebensmittel in Kantinen, Mensen & Co. Mehr Bio bedeutet auch mehr Artenschutz, weniger Pestizide und weniger Nitrat im Grundwasser, keine Gentechnik, mehr Klimaschutz ... Einige Bundes-, Landes- und kommunale Verwaltungen haben sich in den vergangenen Jahren bereits einen höheren Bio-Anteil für die Zukunft vorgenommen. Da geht aber sicher noch mehr.
Mehr Bio für Deutschland
- Es gibt einige Initiativen und Kommunen, die den Anteil von „Bio“ in der Außer-Haus-Verpflegung (AHV) erhöhen wollen:
- Dieses Ziel hat z.B. das Netzwerk deutscher Bio-Städte. Derzeit machen 19 Städte in Deutschland bei der Aktion mit. Mehr dazu in unserem Artikel „Was ist eine Bio-Stadt“.
- Die Initiative BioBitte unterstützt politische Entscheider, Fachreferate sowie Leiterinnen und Leiter von AHV auf ihrem Weg zu mehr Bio in öffentlichen Küchen mit Hintergrundinformationen, Handlungshilfen und Netzwerk-Veranstaltungen.
- Öko-Modellregionen in Bayern, Hessen und Niedersachsen sowie Bio-Musterregionen in Baden-Württemberg versuchen Bio aus der Region voranzubringen. Die Modellregionen werden vom jeweiligen Bundesland gefördert.
Kommentare
Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.