Bio-Bauer Heinrich Hannen sucht Land. Die Nachfrage nach seinem Bio-Gemüse steigt, der Sohn will in den Betrieb einsteigen, Bio könnte wachsen – hier in der Rheinebene zwischen Düsseldorf und Mönchengladbach. Doch dafür bräuchte der Lammertzhof mehr Äcker. „25 Jahre lang habe ich erfolglos versucht, Land zu pachten“, erzählt Hannen. Gründe dafür sieht er mehrere: „Die Landwirte treffen sich alle im Jagdverband und da werden die Grundstücksgeschäfte ausgehandelt.“ Als Nicht-Jäger war er außen vor und als einziger Bio-Landwirt in der Gegend sowieso ein Exot.
Zwar hätten viele konventionelle Kollegen in den letzten Jahren aufgehört, sie wollten ihre Flächen aber nicht an einen Bio-Bauern oder -Bäuerinnen verpachten. „Da gibt es immer noch eine große Angst, dass die Flächen verunkrauten und Nährstoffe entzogen werden, weil der Bio-Bauer nicht ‚ordentlich‘ spritzt und düngt“, berichtet Hannen. Die Bauern befürchteten, dass die Äcker an Wert verlieren. Dabei sei es umgekehrt: „Bio-Bauern steigern die Fruchtbarkeit des Bodens und damit den Wert des Grundstücks.“
Wem gehören die Pachtflächen?
In Deutschland sind rund 60 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Pachtland. Wem gehören all diese Äcker und Wiesen, wenn nicht den Bauern? Wer verpachtet sie und bestimmt damit, was auf diesen Flächen passiert: Maismonokultur für Biogasanlagen oder vielfältiger Bio-Anbau? Das meiste Pachtland gehört laut einer Auswertung des staatlichen Thünen-Instituts „nichtlandwirtschaftlichen natürlichen Personen“. Oft meint dieser Begriff ehemalige Landwirte, die ihren Betrieb aufgegeben, aber das Land behalten haben. Immer öfter sind es aber auch Erben, die nicht viel Bezug zur Landwirtschaft haben und sich überlegen, was sie mit Opas Acker machen. Weitere Pachtland-Besitzer sind Kirchen, Bund und Kommunen.
Verpachten mit Bio-Anspruch: Hier bekommen Verpächter Beratung
Karoline Brandt hat häufig Menschen am Telefon, die Grünland oder Äcker geerbt haben und sich nun überlegen, was sie damit machen. Sie ist Projektmanagerin beim Projekt Fairpachten der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe und berät Menschen und Institutionen, die landwirtschaftliche Grundstücke wie Äcker und Wiesen verpachten und sich mehr Natur und Umweltschutz wünschen. „Das sind meist Menschen, die motiviert sind, die Verantwortung für ihr Land übernehmen und nun wissen wollen, was sie tun können“, sagt Brandt. Oft sei Insektenschutz ein wichtiger Beweggrund. „Wir klären erst einmal ab, was sich die Menschen wünschen, was sie erreichen wollen und machen dann konkrete Vorschläge“, erklärt Brandt, wie sie und ihre Kollegen beraten.
Standardlösungen gibt es nicht, weil jeder Fall anders ist: Mal liegt die Wiese direkt hinterm Haus, mal weit weg. Manche Flächen sind schon lange verpachtet und der Eigentümer will erreichen, dass der Pächter mehr für den Artenschutz tut. Bei anderen Flächen ist ein Neustart angesagt. Wichtig ist auch, wie der Acker liegt: Ist er Teil eines größeren Schlages? Sind Biotopstrukturen in der Nähe, die man vernetzen könnte? All diese Fragen klären die Fairpachten-Experten mit den Eigentümern.
Will jemand seine Flächen künftig biologisch bewirtschaftet haben, empfiehlt Karoline Brandt, zuerst mit dem bisherigen Pächter über mögliche Umstellungspläne zu reden. „Ich hatte einen Fall, bei dem hat sich der Landwirt bereit erklärt, die gepachteten Flächen biologisch zu bewirtschaften, um das auszuprobieren und später vielleicht den ganzen Betrieb umzustellen.“ Will man als Eigentümer den Pächter wechseln, ist die Restlaufzeit des Vertrages wichtig. Nicht immer endet ein Pachtvertrag zu einem festgelegten Datum. Oft wurde ein abgelaufener Vertrag stillschweigend und einvernehmlich verlängert. Oder es besteht nur eine mündliche Abmachung zwischen dem Pächter und dem verstorbenen Opa. „Auch das ist ein gültiger Vertrag“, sagt Brandt und für den gilt wie für abgelaufene Verträge: „Die Kündigungsfrist beträgt zwei Jahre zum Jahresende.“
An wen verpachten die Kirchen?
Ein wichtiger Grundeigentümer mit rund 500.000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen sind die Kirchen. Sie fühlen sich dem Erhalt der Schöpfung verpflichtet und sehen sich da in der Pflicht. Deshalb sollen bei einer Verpachtung die Auswahlkriterien, „eine nachhaltige, einschließlich ökologische Landwirtschaft fördern“, wie es in einer Schrift zur Artenvielfalt der katholischen Bischöfe vom letzten Jahr heißt. Dort steht aber auch, „dass die kirchliche Praxis vor Ort leider häufig noch eine andere ist“. Das gilt für die katholische Kirche ebenso wie für die evangelische und hat mehrere Gründe: Verpachtet werden die Flächen nicht zentral, sondern von Hunderten einzelner Kirchengemeinden, Klöstern oder kirchlichen Stiftungen. Wer letztendlich den Zuschlag bekommt, entscheiden die Menschen vor Ort. Und dabei spielen nicht nur die Vorgaben einer Schrift zur Artenvielfalt, sondern individuelle Gegebenheiten vor Ort eine Rolle. Wer wissen möchte, an wen seine Kirche das Land vergibt und ob Umweltschutz bei der Vergabe eine Rolle spielt, der fragt am besten direkt im Pfarramt nach. Denn offizielle Zahlen darüber, wie viele Flächen die Kirchen zum Beispiel an Bio-Landwirtinnen und -Landwirte verpachten, sind nicht vorhanden.
Dass Umweltschutz in Zusammenhang mit Pachtflächen in Kirchengemeinden ein Thema ist, merkt auch Karoline Brandt. Bei ihr melden sich engagierte Mitglieder von Kirchengemeinden, die Rat zum Thema suchen und diesen dann in ihr Gremium einbringen. Manchmal kommt es dann zu einer intensiveren Zusammenarbeit. „Wir beraten zu Maßnahmen, die in den Pachtvertrag geschrieben werden. Wir beraten nicht zur Frage oder zu Kriterien, wer eine Pachtfläche kriegen soll“, stellt Karoline Brandt klar. Grundsätzlich sei es für ein Gremium, das immer wieder landwirtschaftliche Grundstücke verpachtet, sinnvoll, für beide Themen – Wer soll das Pachtland bekommen? Und welche ökologischen Maßnahmen sollen auf den Äckern und Wiesen umgesetzt werden? – klare Vorgaben zu erarbeiten.
An wen verpachtet der Bund?
Kommunen, Bundesländer und der Bund besitzen zusammen rund 1,2 Millionen Hektar landwirtschaftliche Flächen, schätzt Andreas Tietz vom Thünen-Institut. Auch hier ist die Vergabe auf Hunderte Stellen und Gremien verteilt. Und auch hier existieren keine offiziellen Zahlen darüber, wie viele der Flächen an Bio-Landwirtinnen und -Landwirte vergeben werden. Eine wichtige Institution im Osten ist die BVVG, die Bodenverwaltungs- und -verwertungs GmbH des Bundes. Sie betreut die beim Bund verbliebenen Flächen ehemaliger volkseigener Betriebe der DDR. 2021 hat die BVVG 17.000 Hektar Land mit 1300 Pachtverträgen neu verpachtet und weitere 8500 Hektar verkauft. Weil dabei oft konventionelle Großbetriebe zum Zuge kamen, erntete die BVVG viel Kritik und überarbeitet derzeit ihre Politik. Sie hat alle Verkäufe eingestellt, bei laufenden und neuen Pachtausschreibungen darf nur noch an Bio-Betriebe vergeben werden.
Investoren statt Bauern
- Rund 80.000 Hektar landwirtschaftliche Flächen wechseln jedes Jahr den Besitzer; viele davon liegen im Osten und gehören mittlerweile Industriellen.
- So haben sich die Aldi-Nord-Erben bei zwei großen Betrieben in Sachsen-Anhalt und Thüringen eingekauft. Der Versicherungskonzern Munich Re besitzt ebenso Tausende Hektar Land im Osten wie der Pharma- und Zementunternehmer Merckle, der Abfallentsorger Rethmann, der Heiztechnik-Hersteller Viessmann, die Immobiliengruppe Zech oder der Möbelfabrikant Steinhoff.
- Bereits 2017 gehörte laut einer Studie des Thünen-Instituts ein gutes Drittel der ostdeutschen Agrarunternehmen Ortsfremden.
- Reiko Wöllert, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fordert: „Bund und Länder müssen viel mehr tun, um Bäuerinnen und Bauern den Zugang zu Land zu erleichtern und den Kauf von Land durch außerlandwirtschaftliche Großinvestoren zu stoppen.“
Warum Pachtflächen immer teurer werden
Heinrich Hannen konnte vor einigen Jahren schließlich doch zwei Kollegen überzeugen, insgesamt zehn Hektar Land an ihn zu verpachten, sodass er jetzt 45 Hektar bewirtschaftet. Doch das reicht noch nicht. „Wir suchen weiter im Umkreis von sechs Kilometern um unsere Hofstelle“, sagt Hannen – und beobachtet den Markt noch aus einem anderen Grund mit Sorge. „Derzeit werden Pachtpreise von bis zu 1300 Euro für den Hektar aufgerufen, das lässt sich mit Bio nicht erwirtschaften“, schildert der Landwirt die Situation. Deshalb gebe es in der Umgebung mehr Pferdepensionen als Landwirtinnen und Landwirte, die Lebensmittel erzeugen.
Würde er Land kaufen wollen, müsste Heinrich Hannen 110.000 Euro bis 130.000 Euro für einen Hektar zahlen. „Der Druck auf die Flächen durch Bauland, Gewerbegebiete und Kiesgruben ist hier groß.“ Mit solchen Pachtpreisen beziehungsweise Verkaufspreisen für landwirtschaftliche Flächen liegt die städtisch geprägte Region rund um den Lammertzhof bundesweit mit an der Spitze. Im Schnitt zahlten Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland für Ackerland 2020 laut Statistischem Bundesamt 375 Euro Pacht pro Hektar und Jahr, bei Neuverpachtungen waren es 481 Euro. Besonders hoch waren die Pachtpreise in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, deutlich niedriger in Hessen und Brandenburg. Gemeinsam ist allen, dass die Pachtpreise rasant gestiegen sind: plus 63 Prozent in zehn Jahren. Gleiches gilt für den Wert der Böden, der sich in dieser Zeit verdoppelt und in manchen Landkreisen sogar verdreifacht hat.
Bio in Zahlen
- Jeder 7. Hof wurde 2021 in Deutschland ökologisch bewirtschaftet. Das sind knapp 36.000 Höfe.
- Bio-Höfe bearbeiteten 10,8 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche und damit knapp 1,8 Millionen Hektar Land.
- 30 Prozent Bio-Landbau bis 2030 – das ist das Ziel der Bundesregierung.
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) 2022
Auf seiner Suche nach weiteren Pachtflächen hofft Bio-Bauer Hannen auf angemessene Preise. Den Entschluss der BVVG des Bundes nur noch an Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern zu verpachten, findet er gut. Das würde er sich auch für die Stadt Kaarst wünschen, zu der der Lammertzhof gehört. Seit letztem Jahr sitzt er dort im Stadtrat und drängt die Kolleginnen und Kollegen im zuständigen Ausschuss dazu, klare Kriterien für Verpachtungen zu verabschieden und dabei Bio-Landwirte zu bevorzugen. Er selber als Stadtrat würde dieses städtische Land nicht pachten. „Das hätte ein Gschmäckle“, sagt er. „Diese Flächen soll dann der nächste Bio-Landwirt hier in der Stadt bekommen.“
Organisationen, die dabei helfen, an Bio-Bauern zu verpachten
- pestizidfrei-verpachten.de
- flaechenplattform.de (nur Brandenburg)
Organisationen, die Äcker und Wiesen für Bio kaufen
Weitere Organisationen
- biohoefe-stiftung.de Übernimmt Bio-Höfe ohne Nachfolger
- aktion-kulturland.de Verbindet Bio-Höfe und Artenschutz
- fairpachten.org Berät zu Naturschutzmaßnahmen im Pachtvertrag
- kommbio.de 327 Kommunen wollen Artenvielfalt fördern
Interview: „Wir kaufen Land und verpachten es an Bio-Bauern“
Jasper Holler ist Sprecher der BioBoden eG. Die Genossenschaft hat bisher 4200 Hektar Land gekauft, das sie ausschließlich an Bio-Landwirte der Anbauverbände verpachtet.
Was macht die BioBoden-Genossenschaft genau?
Wir kaufen mit den Einlagen unserer derzeit 6300 Mitglieder landwirtschaftliche Flächen oder ganze Höfe und stellen diese Bio-Landwirten langfristig als Pachtland zur Verfügung. Wir entziehen also Land dem Markt und sichern es dauerhaft für die Erzeugung von Bio-Lebensmitteln.
Und dabei kann jeder mitmachen?
Ja. Die Mindesteinlage beträgt 1000 Euro und je mehr Menschen bei uns Genossen werden, desto mehr Fläche können wir sichern. Der Bedarf dafür ist da.
Wie kommen die Flächen zu den Bäuerinnen und Bauern?
Wir werden auf Anfrage aktiv. Landwirte kommen auf uns zu, etwa wenn ihre bisherigen Verpächter das Land anders verpachten oder sogar verkaufen wollen. Oft droht dabei dem Betrieb Lebensgefahr, etwa wenn ein Drittel des bewirtschafteten Landes wegfällt.
Dann zückt die BioBoden EG den Geldbeutel und kauft das Land?
Hilfreich ist es, wenn der Eigentümer der Flächen eigentlich an den Bauern verkaufen will, der es sich aber nicht leisten kann. Dann springen wir ein. Wir richten uns beim Preis danach, was regional für Flächen, die dem Anbau von Nahrung dienen, üblich ist. Wir wollen nicht die Preise nach oben treiben. Denn es ist klar, dass ein Landwirt, der Mais für Biogasanlagen anbaut, mehr zahlen kann.
Bekommen Ihre Genossinnen und Genossen eine Rendite?
Derzeit nicht, wir haben es aber nicht ausgeschlossen. Doch unser Ziel ist es, die Menschen in Beziehung zur Landwirtschaft und zum Boden als unsere Lebensgrundlage zu bringen.
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