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Backen ohne Zusatzstoffe

Regionales Öko-Getreide, viel Vollkorn, handwerkliche Tradition und ein Minimum an Zusatzstoffen: Das zeichnet die meisten Bio-Bäcker aus. Manche geben sich jedoch mit weniger zufrieden. // Leo Frühschütz

Ein Alpenspitz ist ein „rustikales Brötchen mit herzhaftem, alpenländischem Charakter“. Das konventionelle Kleingebäck enthält Weizenmehl, Hefe, Wasser und eine Backmischung. Diese liefert in 25-Kilogramm-Säcken ein niederländischer Backmittelkonzern. Sie enthält neben Mehl, Schrot und Leinsamen noch Guarkernmehl, Kalziumphosphat, Mono- und Diacetylweinsäureester, Zitronensäure, Ascorbinsäure und Enzyme. Die Zusatzstoffe sorgen dafür, dass der Teig sich gut kneten lässt, schön aufgeht und eine knusprige Kruste bekommt.

Bio-Bäcker, die einem Öko-Verband angehören, schaffen das ohne obige Zusatzstoffe. Sie beweisen handwerkliches Können. Denn die in konventioneller Ware üblichen Zusatzstoffe gleichen Schwankungen in der Mehlqualität aus, die Teige lassen sich leichter verarbeiten, der Backerfolg ist garantiert. Doch mit traditionellem Handwerk und natürlichen Produkten hat das nicht viel zu tun. Bio-Brot und -Brötchen dagegen bestehen tatsächlich nur aus Mehl, Wasser, Gewürzen, Kernen oder Saaten und einem Triebmittel: Hefe, Backferment oder Natursauerteig. Bei der Hefe setzen die Bäcker immer häufiger eine spezielle Bio-Hefe ein, die auf Öko-Getreide gezüchtet wird. Doch auch konventionelle Backhefe ist zugelassen.

Sauerteig statt Kunstsauer

Backferment besteht aus Honig, Getreide und Mehl von Hülsenfrüchten. Es ist eine Erfindung der Bio-Bäcker und eignet sich gut für Menschen, die keine Hefe essen dürfen. Sauerteig setzen die Bio-Bäcker im eigenen Betrieb an. Nicht in den Teig kommt sogenannter Kunstsauer. Das ist eine Mischung synthetisch hergestellter Säuren, die in einigen konventionellen Bäckereien den traditionellen Sauerteig ersetzt hat und den Bäckern Zeit spart. Kleingebäck, Spezialitäten und Tiefgekühltes zum Aufbacken sind handwerklich besonders anspruchsvoll. Auch dabei kommen die Bio-Bäcker mit wenigen Zutaten aus.

Bio-Backkunst ohne künstliche Zusatzstoffe

Bio-Bäcker verwenden für Kleingebäck, Spezialitäten und Tiefgekühltes zum Aufbacken Malz als Nährstoff für die Hefe. Lupinenmehl bindet das Wasser und macht den Teig elastischer. Um die Backeigenschaften zu verbessern, dürfen das Klebereiweiß Gluten oder isolierte Stärke zugegeben werden. Eine häufige Zutat ist Acerolakirschsaft-Pulver. Es verbessert als natürlicher Vitamin-C-Lieferant die Teigstruktur. Als Triebmittel für Kleingebäck setzen Bio-Bäcker Zutaten ein, die schon in Omas Kochbuch standen: Weinstein, Pottasche und Hirschhornsalz.

Rund 1 300 Bio-Bäcker gibt es in Deutschland. Etwa ein Fünftel sind 100-prozentige Bio-Betriebe. Sie gehören fast immer einem Anbauverband an und beliefern mit ihren Broten und Backwaren oft auch Bioläden. Viele dieser Betriebe beziehen ihr Getreide von regionalen Bio-Bauern und mahlen ihr Vollkornmehl selbst. Die meisten Bio-Bäcker arbeiten traditionell-handwerklich, ihr Sortiment ist zum Teil in Bio-Qualität. Viele von ihnen sind ebenfalls Verbandspartner. Zahlenmäßig gering, aber mengenmäßig bedeutsam, sind Bäckereien, die nur nach EU-Bio-Standards produzieren. Anders als die Anbauverbände Bioland, Demeter, Naturland, Biokreis und Gäa erlaubt die EU-Öko-Verordnung den Bio-Bäckern den Einsatz von synthetischem Vitamin C (Ascorbinsäure), gentechnikfrei hergestellten Enzymen und Kalziumphosphat als Triebmittel. Das führt dazu, dass Bäcker, die nur nach EU-Bio-Standards produzieren, deutlich billiger sein können als Verbandsbäcker. Ihre Produkte finden sich deshalb häufig abgepackt im konventionellen Lebensmittelhandel. Auch jene Bäcker, die nur mit einem kleinen Sortiment vom Bio-Boom profitieren wollen, begnügen sich meist mit EU-Bio. Dafür ist nicht unbedingt viel Know-how notwendig. Stattdessen kauft man neben der konventionellen Mischung für die Alpenspitz-Brötchen beim gleichen Anbieter einen Sack „Bio Basis Korn“, die Grundmischung für Bio-Mehrkornbrote und -Brötchen, inklusive Enzymen.

Helfer aus der Retorte

Enzyme gleichen in konventionellen Backwaren die wechselnde Mehlqualität aus. Das muss nicht deklariert werden. Ohne Wissen des Kunden lockern Amylasen den Teig und lassen ihn aufgehen. Proteinasen machen ihn elastischer und die Kruste beim Backen schön braun. Hergestellt werden die Enzyme meist durch genmanipulierte Mikroorganismen.

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