Wenn Brötchen schön aufgehen und Brotlaibe nicht zerlaufen — dann liegt das an einer Eiweißverbindung, die manche Menschen meiden müssen wie der Teufel das Weihwasser: Gluten. Wer beim Backen darauf verzichtet, braucht eine gehörige Portion Erfahrung und ein aufwändiges Sicherungssystem. Trotzdem lassen sich auch ohne den "Kleber" schmackhafte Produkte herstellen.
"Glutenin" und "Gliadin" heißen die beiden Glutenbestandteile, die jede Menge Wasser binden können - bis zum Dreifachen ihres eigenen Gewichts. Sie sorgen dafür, dass sich der Teig elastisch formen lässt und beim Backen feine Poren bildet. "Kleber" nennen die Bäcker dieses Eiweiß, das in den größten Mengen und in der besten Qualität im Weizen enthalten ist. Der gilt deshalb als das beste Backgetreide. Aber auch in Dinkel, Roggen, Hafer, Grünkern und Gerste findet sich die Eiweißverbindung.
Menschen, die an der allergischen Gluten-Unverträglichkeit Zöliakie leiden (auch Sprue genannt), müssen die genannten Getreidesorten radikal von ihrem Speiseplan verbannen. Weil selbst kleinste Mengen des Bestandteiles Gliadin bei ihnen massive Krankheitsschübe auslösen können, sind kontrollierte glutenfreie Lebensmittel für sie lebenswichtig (siehe Artikel Seite 8). Doch Produkte ohne Gluten herzustellen, ist gar nicht so einfach. Denn alleine mit dem Ausweichen auf andere Getreidesorten ist es nicht getan.
Der Codex Alimentarius, das weltweit gültige Regelwerk für Lebensmittel, schlägt zum Schutz von Zöliakie-Patienten einen Grenzwert von höchstens 20 ppm Glutenspuren für glutenfreie Lebensmittel vor. Ppm heißt parts per million. Und 20 ppm bedeutet, dass in einem Kilo Reis — der von Natur aus glutenfrei ist — nur 20 Tausendstel Gramm Gluten zu finden sein dürfen. Da genügen schon einige aus Versehen mit abgepackte Weizenkörner - und der Wert ist überschritten.
Diese Erfahrung musste vor zwei Jahren ein Hersteller von glutenfreien Bio-Brotaufstrichen machen. Im Aufstrich und in dem als Zutat verwendeten Reis hatte die Lebensmittelkontrolle Gluten gefunden. Die Folge: Viele Bio-Hersteller verzichten inzwischen auf die Bezeichnung glutenfrei und auf das Logo mit der durchgestrichenen Ähre, obwohl die betreffenden Produkte nur glutenfreie Zutaten enthalten. Der organisatorische Aufwand zur Vermeidung von Verunreinigungen und die notwendigen Analysen sind für sie zu aufwendig. Anders aber ist der Anspruch, glutenfrei zu produzieren, gegenüber den Verbrauchern nicht zu gewährleisten. Deshalb lassen sich die Hersteller glutenfreier Bio-Backwaren an einer Hand abzählen.
Ein umfangreiches Vollsortiment bietet die Naturkornmühle Werz im schwäbischen Heidenheim. Seit 12 Jahren backt Vollkorn-Pionier Karl-Otto Werz glutenfrei - mit erheblichem Aufwand. Denn der Lieferant, der ja keineswegs nur Spezialisten für glutenfreie Ware versorgt, hat von Gesetz her einen größeren Spielraum als der Verarbeiter. "Ein Prozent Verunreinigung mit Fremdgetreide ist beim Reis erlaubt, beim Mais sind es sogar zwei Prozent. Bei der Hirse aus den USA finden sich immer wieder mal Gerstenkörner", beschreibt Karl-Otto Werz das Problem. Die Folge: Er lässt alle Lieferungen nochmals reinigen. Zudem gibt es für die Lagerung von Reis, Mais, Hirse und Buchweizen eigene Räume. Vermahlen und verarbeitet wird das glutenfreie Getreide ebenfalls in getrennten Anlagen. Nicht einmal die Backbleche dürfen mit den Weizen- und Dinkelprodukten in Berührung kommen, die Werz ebenfalls herstellt. Auf die üblichen Analysen alleine will sich der Bäckermeister nicht verlassen. Sie sind ihm zu ungenau.
Getrennte Logistik: Viel Aufwand, aber guter Schutz vor Verunreinigungen
Beim Backen ersetzen die Verdickungsmittel Guarkernmehl oder Johannisbrotkernmehl die klebende Wirkung von Gluten. Es ginge auch mit Eiern, sagt Karl-Otto Werz. Doch darauf verzichtet er aus Prinzip, ebenso wie auf Milch und Eier, denn alle Produkte sollen cholesterin- und lactosefrei sein. Als Süßungsmittel kommen ausschließlich Honig und durch Fermentation aus Bio-Reis hergestellter Reissirup zum Einsatz. Die Hefe wird konventionell auf Melasse gezüchtet. Die derzeit verfügbare Bio-Hefe hat den Nachteil, dass sie auf Weizen gezüchtet wird und deshalb Gluten enthalten könnte. Erfahrung und viel Entwicklungsarbeit sind für Karl-Otto Werz das Wichtigste, um mit reinem Vollkornmehl und eingeschränkter Rohstoffpalette ansprechende Produkte zu backen. Großen Wert legt der Firmenchef darauf, dass glutenfreie Backwaren keine spezielle Diät nur für Kranke sind. "Das sind in erster Linie vollwertige Produkte, die gut schmecken." Bestätigt wird das durch den Ehrenpreis, mit dem die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) schon vielfach Brote und Gebäck der Naturkornmühle ausgezeichnet hat.
Auch die Spezial-Diät-Bäckerei Poensgen bietet glutenfreie Backwaren an, produziert aber in erster Linie für den konventionellen Markt. Darüber hinaus gibt es ein Sortiment an Broten und Mehlmischungen in Bio-Qualität, die als "Biokost glutenfrei" in Naturkostläden erhältlich sind.
Zöliakie-Fälle in der eigenen Familie brachten Fritz Poensgen dazu, so lange zu experimentieren, bis sich mit dem traditionellen Sauerteigverfahren glutenfreie Brote herstellen ließen, "die auch nach Brot schmecken."
Rosengarten heißt die Biomarke der Firma Naturkost Hubmann. Sie umfasst glutenfreie Brote, Mehle sowie einige Backwaren und Müslis. Neben der Auswahl der Rohstoffe stellt die Zertifizierung des Unternehmens nach der Qualitätsnorm DIN ISO 9001 und die Überwachung durch eine Lebensmittelchemikerin die Glutenfreiheit sicher.
In der Vollwertbäckerei Schnitzer gibt es genaue Ablaufvorschriften, um zu verhindern, dass es beim Backen glutenfreier Produkte zu Verunreinigungen kommt. Da eine eigene Backstraße mit dem kleinen Sortiment an Broten und Weihnachtsgebäck nicht ausgelastet wäre, analysiert man zur Kontrolle regelmäßig Rohstoffe und Endprodukte.
Knabberspaß aus glutenfreien Zutaten bieten auch Reiswaffeln und —snacks. Von den diversen Herstellern ist nur die Firma Byodo bereit, dieses Sortiment als glutenfrei auszuloben und den entsprechenden Analyse-Aufwand auf sich zu nehmen. Der Hersteller, mit dem der Markenartikler zusammenarbeitet, verwendet eigene Maschinen für die Produkte und kauft den Reis bei einem Händler ein, der nicht mit glutenhaltigem Getreide hantiert.
Nicht zu finden ist bei den Bio-Waren die im konventionellen Bereich eingesetzte glutenfrei gemachte Weizenstärke. Das Risiko, aus Versehen glutenhaltige Stärke einzusetzen, ist den Herstellern zu groß.
Frische Brote finden sich in der Produktpalette nicht. Da die spezialisierten Unternehmen meist bundesweit über den Großhandel liefern, wäre ein frisches Brot alt und hart, bis es beim Verbraucher ankäme. Die angebotenen Brote sind deshalb in Folie verpackt und pasteurisiert. So halten sie drei Monate. Als Vorrat und für längere Reisen bieten Werz und Rosengarten auch zehn Monate haltbares Dosenbrot an.
Frische glutenfreie Backwaren gibt es bei einigen regionalen Vollkornbäckereien. Für Zöliakie-Patienten empfiehlt es sich nachzufragen, wie dort die ausgelobte Glutenfreiheit abgesichert wird.
Glutenfreie Backwaren im Naturkosthandel
Anbieter
Sortiment
Zutaten/Verarbeitung
Byodo
Reiswaffeln und -snacks: 11 Sorten Waffeln und 3 Sorten Snacks, jeweils auch mit Joghurt- oder Schokoüberzug
Minderleinsmühle, Marke Rosengarten
Brote: 3 Sorten à 750 g, darunter Weißbrot. Die gleichen Brote gibt es auch zu 400 g abgepackt in Dosen.
Reismehl* (z.T. gesäuert), Wasser, Maisstärke*, Vollmilchpulver*, Hefe, Guarkernmehl, Meersalz, Gewürze*. Zum Teil Sojamehl*, Sonenblumenkerne*, pflanzl. Öl*, Maissirup getrocknet*.
Gebäck: 3 Sorten Dauergebäck (200g), dazu einen Nuß-Marzipan Kuchen (600 g) und Mandelhörnchen
Maismehl*, Rohrohrzucker*, Butter*, Maisstärke*, Eier* in allen Dauerbackwaren, z. T. Zitronen*, Haselnüsse*, Schokolade*, Kakaopulver*, Maissirup getrocknet*. Im Kuchen zudem Marzipan*, Mandeln*, Vollmilchpulver*, Guarkernmehl, Natron, Weinstein
Sonstiges: 2 Backmischungen, Paniermehl, Reisnudeln, 3 Sorten Müsli.
Maisstärke*, Reismehl* (z.T. gesäuert), Sojamehl*, Guarkernmehl in allen Mehlen, z.T. Milchpulver*, Meersalz, Gewürze*, Sonnenblumenkerne*, Hefe.
Müslis mit Cornflakes* (Mais*, Vollrohrzucker*, Meersalz, Maismehl*) und je nach Sorte mit Trockenfrüchte (Sultaninen*, Äpfel*, Pflaumen*, Erdbeeren*, Himbeeren), Reisflocken geröstet, Sonnenblumenkerne*, Bananenchips*, Schokolade* oder Reiscrispis*, Überzugsmittel gummi arabicum.
Naturkorn-mühle Werz
Brote: 4-Korn-Brot als Laib (550g), Baguette (250g), Knäckebrot und Brötchen, Honig-Mandelbrot (250g), dazu Obsttorten- und Pizzaböden. 5 Sorten Brot gibt es auch zu je 250 g in Dosen.
Mais*, Reis*, Hirse*, Buchweizen*, Wasser, Palmöl*, Guarkernmehl, Hefe, Meersalz. Zum Teil Sesam* und Weinstein-Backpulver, Honig* beim Tortenboden.
4-Korn-Kekse und -Zungen: 15 Sorten, meist 150 g, Geschmacksrichtungen Mandel, Schoko, Carob, Müsli. Rübli-Häschen und Carob-Bär speziell für Kinder.
Mais*, Reis*, Hirse*, Buchweizen*, Wasser, Palmöl*, Guarkernmehl. Gesüßt mit Reis-Sirup* oder Honig*. Je nach Sorte: Aprikosen*, Carob*, Feigen*, Gewürze, Kakao*, Karotten*, Kokosflocken*, Mandeln*, Pflaumen*.
Feingebäck: 8 Sorten als Zungen, Riegel, Stangen oder Kuchen, aus jeweils einer Getreideart.
Je nach Sorte: Vollreismehl*, Reiskleie, Hirseschrot* oder Buchweizenschrot*. Reis-Sirup*, Apfel-Sirup* oder Bienenhonig* zum Süßen. Carob*, Guarkernmehl, Kakao*, Kokosflocken*, Mandeln*, Palmöl*, Wasser, Weinstein-Backpulver sind weitere mögliche Zutaten.
Gebäck mit Salz: 4 Sorten Cräcker mit Sesam, Sesam-Stangen und 4-Korn-Zwieback
Je nach Sorte: Mais*, Reis*, Hirse*, Buchweizen* und Sesam*. Dazu Guarkernmehl, Palmöl*, Hefe, Meersalz, Wasser, Weinstein-Backpulver.
Sonstiges: 8 Sorten Nudeln, Mehle, Flocken und Körner, Mehlmischungen für Pfannkuchen, Waffeln, Bratlinge und Brot, Müsli und Pops
Je nach Produkt: Mais*, Reis*, Hirse* oder Buchweizen*. Mögliche weitere Zutaten: Guarkernmehl, Hefe, Johannisbrotkernmehl, Meersalz, Wasser, Weinstein-Backpulver.
Spezial-Diät-Bäckerei Poensgen
Brote: 5 Sorten Brot à 250 g, dazu Leinsaatschnitten, Baguette und Brötchen
Sonstiges: 6 Fertigmehlmischungen zum Brot backen à 500 g
Jeweils Maisstärke*, Guarkernmehl, Soja-Lecithin, Mager- oder Vollmilchpulver*, Backtriebmittel Glucono-Delta-Lakton, Meersalz. Einzelne Sorten enthalten zudem Sojamehl*, Sojaschrot*, .Maismehl*, Leinsamen*, Vollrohrzucker*, Apfelfaser* oder Natron.
Schnitzer
Brote: 7 Sorten à 250 g, darunter welche mit Amaranth oder Lupinen
Buchweizen-Natur-Sauerteig*, Meersalz und Wasser als Basis aller Brote, dazu je nach Sorte, Amaranth-*, Reis*- oder Maisvollkornmehl*, Hirse-,* Lupinen-* oder Sojaschrot*, Leinsaat*, Sesam*, Sonnenblumenkerne*. Alle Brote enthalten Apfelfaser* und Honig*.
Weihnachtsgebäck: 3 verschiedene Lebkuchen, drei Sorten Plätzchen und ein Bio-Knusperhaus
Für die Lebkuchen: Mandeln*, Honig*, Ei-Eiweiß, Buchweizenvollkornmehl*, Orangeat*, , Zitronat*, Oblaten* (aus Kartoffel- und Maisstärke) Lebkuchengewürz*, Hirschhornsalz, Glasur aus Rohrzucker, Vollmilch-,* oder Zartbitterkuvertüre*. Das Gebäck ist aus Buchweizenvollkornmehl. Je nach Sorte kommen Honig*, Rohrzucker*, Honigmarzipan*, Wasser, Hirschhornsalz, Koriander*, Zimt*, Nelken*, Anis*, Ei-Eiweiß* und Haselnüsse zum Einsatz. Birnen*, Aprikosen*, Zitronat, Pflaumen* und Äpfel finden sich in den Fruchttalern, Aprikosen* und Zitrone* in den Marillenherzen.
Sonstiges: 3 Sorten Nudeln
Jeweils aus Maisvollkornmehl*, Wasser und Kartoffelstärke*, eine Sorte mit Tomaten*- und Spinatpulver*.
* aus ökologischem Anbau
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