Kolumne

Essen aus Luft

Eine gute Nachricht weckt in unserem Kolumnisten Fred Grimm Hoffnung für die Menschheit – und für seine überflüssigen Pfunde.

Ich weiß nicht, wie Sie durch den Winter gekommen sind, aber falls sich Ihre Kleidung gerade anfühlt, als würde sie mit jeder Wäsche mehr einlaufen, sind Sie nicht allein. Der Stern hob bereits vergangenen Sommer eine große Geschichte über die „Corona-Wampe“ auf den Titel, doch die überzähligen Pfunde, die man damals womöglich dank der Tipps des Magazins verloren hat, sind längst wieder da. In Kilo. Der Winter war hart, das Essen nah, das Fitnessstudio zu. Die Fashionindustrie hat inzwischen reagiert. Was man mal „Jogginghose“ nannte oder – wer hat sich eigentlich diesen nasenpeinigenden Namen ausgedacht? – „Sweatshirt“, heißt heute „Loungewear“. Und das klingt dann doch wesentlich eleganter; nach schweren Ledersesseln, Kaminknistern und geistreichen Getränken.

Während wir also in unserer Loungewear so dasitzen und Kuhlen in unsere Sofas drücken, flattert aus dem amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes eine Meldung herbei, die sich so glücksverheißend anfühlt wie der nahe Frühling und das ferne Ende der Krise zusammen: Buchstäblich aus der Luft habe ein kleines Start-up das klimaschädliche CO2 herauslösen und mithilfe von Wasser und mineralischen Nährstoffen in Protein umwandeln können. Also das Gas, das den Planeten aufheizt, in ein Pulver verwandelt, das man essen kann. Die Grundidee für das Verfahren stammt von der Weltraumbehörde Nasa, wo man in den Sechzigerjahren darüber nachdachte, wie man in der Abgeschlossenheit eines Raumschiffs Nahrung produzieren könnte.

Und schon schwebe ich in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der wir die Klimakrise einfach alle gemeinsam wegfuttern und alle übrigen Menschheitsprobleme gleich mit.

Fred Grimm

Wenn die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 tatsächlich auf zehn Milliarden Menschen anwachsen sollte, werden 262 Millionen Tonnen Protein zusätzlich benötigt, hat die UN errechnet. Ein Bedarf, der sich ganz gewiss nicht mit der heute üblichen Art, Landwirtschaft zu betreiben, decken lässt. Die Ressourcen der Erde sind so endlich wie die an Bord eines Raumschiffs. Da erscheint die Idee des „Essens aus der Luft“ so einfach wie genial, auch wenn „Air Protein“ noch keinen Zeitpunkt nennen kann, an dem aus dem Verfahren ein Produkt und aus dem Produkt ein Beitrag zur Massenverpflegung wird.

Die vergangenen Monate haben vielen Menschen weltweit einen Eindruck davon vermittelt, wie es sich auf einer langen Reise durchs Weltall anfühlen mag: Ein­gepfercht auf engstem Raum, vor sich die immer gleichen Gesichter, isoliert vom Rest der Welt. Ein Grund mehr, zu träumen und sämtliche Hindernisse, die „Air Protein“ noch im Wege stehen – der Energieaufwand bei der Herstellung, die Verarbeitung des Proteins in etwas, das man auch wirklich essen WILL – mal auszublenden.

Und schon schwebe ich in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der wir die Klimakrise einfach alle gemeinsam wegfuttern und alle übrigen Menschheitsprobleme gleich mit. Und das Beste ist: Zunehmen werden wir davon nicht mehr – ist ja alles aus Luft.

Fred Grimm

Der Hamburger Fred Grimm schreibt seit 2009 auf der letzten Seite von Schrot&Korn seine Kolumne über gute grüne Vorsätze – und das, was dazwischenkommt. Als Kolumnist sucht er nach dem Schönen im Schlimmen und den besten Wegen hin zu einer besseren Welt. Er freut sich über die rege Resonanz der Leser und darüber, dass er als Stadtmensch auf ein Auto verzichten kann.

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