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Tofu selbstgemacht

Schon mal Tofu selber gemacht? - Ich: ja. Und das, obwohl ich ein überzeugter Fleischkonsument bin, der den diversen Sojaprodukten bislang äußerst skeptisch gegenüberstand.

Schon mal Tofu selber gemacht? - Ich: ja. Und das, obwohl ich ein überzeugter Fleischkonsument bin, der den diversen Sojaprodukten bislang äußerst skeptisch gegenüberstand. Auch das Argument, dass Soja so erschreckend gesund sein soll, weil es wahnsinnig viel lebenswichtige Eiweißstoffe in quasi idealem Mengenverhältnis enthält, hat mich bisher nicht zum Genuss verleiten können.

Dass ich meine Einstellung geändert habe, hat meine Freundin bewirkt. "Rate mal, was ich hier habe?", hat sie mich gefragt, und mir glückstrahlend einen Bogen Papier in die Hand gedrückt. Ich muss vorweg stellen, dass meine Freundin felsenfest davon überzeugt ist, dass in nächster Zukunft unser aller Leben eine wesentliche Verschlechterung erfahren, dass der Wohlstand sich verabschieden und der Kampf ums nackte Überleben ausbrechen wird: Also ahnte ich schon was. "Du brauchst nur Sojabohnen und Wasser", hat sie mir, sicher meines ungläubigen Blickes wegen, versichert und gleich noch eine Tüte aus ihrer Handtasche gekramt. Drinnen waren, wie ich vermutet habe, Sojabohnen, ein Kilogramm. "Aus dem Bioladen", wie sie betonte.
"Ja, und! Was willst du jetzt damit?", wollte ich wissen.

"ICH?", hat sie gefragt, als hätte sie mich nicht verstanden. "Ich dachte, das sei etwas für DICH!" Und dann hat sie mich unvermittelt mit der Tüte Bohnen und dem Zettel, auf dem steht, wie man sie "melkt", allein gelassen. Natürlich rief ich ihr hinterher, dass es so ja wohl nicht ginge. Allerdings rief ich nur halblaut - beziehungsweise leise - da ich, um bei der Wahrheit zu bleiben, neugierig war, ob denn tatsächlich aus den klappertrockenen Bohnen so etwas wie Milch herauskommen würde. Nun, sie kam; als ob ich in der Wüste auf ein Ölfeld gestoßen wäre…

Begonnen habe ich laut Vorschrift: Also zuerst die rohen Bohnen im Durchschlag kalt abgebraust, dann in einen Topf gegeben und zur Entbitterung mit Leitungswasser versetzt, bis sie gut bedeckt waren. Nach einer Viertelstunde habe ich das Wasser weggegossen. Sodann habe ich meine gelben Perlchen wieder in den großen Topf (5 l Fassungsvermögen!) getan und erneut mit kaltem Leitungswasser versetzt.

Die Bohnen sollen für wenigstens zwölf Stunden darin eingeweicht werden und müssen wieder mit Wasser bedeckt sein. Während dieser Zeit verdoppeln oder verdreifachen sie ihr Volumen. Da mir dies zu Beginn der Aktion schon irgendwie klar war, ließ ich das Wasser "gut" überstehen, um die Quellzeit optimal auszunutzen. Am nachfolgenden Tag habe ich die eingeweichten Bohnen zusammen mit dem Einweichwasser portionsweise in der Küchenmaschine zerkleinert. Zu meiner Verwunderung verwandelte sich der ockerfarbene Bohnenbrei in eine köstlich duftende, weiße Masse, die einen sagenhaften schlagsahneähnlichen Schaum bildete. Wie in der Anleitung angegeben, habe ich dann etwas Wasser in einem großen Topf zum Kochen gebracht, und das Bohnenpüree beigefügt, das nun bei mäßiger Hitze zehn Minuten lang unter ständigem Rühren kochen musste. Während dieser Zeit änderte sich nicht nur der Geschmack, der zuvor stark an Bohnen erinnert hatte, sondern, um auch hier wieder bei der Wahrheit zu bleiben, meine Einstellung. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass aus einem verwässerten Bohnenbrei eine mild aromatische Milch werden könnte, die mir tatsächlich schmeckt. Dem nicht genug. Diese Milch konnte sogar noch ein beachtliches Eigenleben entwickeln, das dem der ganz normalen herkömmlichen vulgären tierischen Milch entspricht. Nicht, dass sie mir nur angebrannt ist, nein, innerhalb von nur ein paar unaufmerksamen Augenblicken, schäumte die Milch stürmisch über den Rand des Topfes hinweg. Das Resultat war, man glaube mir, eine Riesensauerei, die meine Geduld beim Putzen auf die Probe stellte. Den fertig gekochten Brei habe ich in einen, mit einem Baumwolltuch ausgelegten Durchschlag gegeben, und auf einen sauberen Eimer gestellt. Nachdem meine drei Portionen gekocht und durchgesiebt und schließlich auch von Hand ausgepresst waren, war mein Eimer beinah randvoll mit Sojamilch. Ein Kilo Sojabohnen, dies als Warnung, ergibt sage und schreibe etwa zehn Liter Milch.

Diese für den Hausgebrauch immense Menge bewog mich dazu, Tofu selbst herzustellen. Dazu muss ein Gerinnungsmittel her, zum Beispiel Zitronensaft oder Essig. Auf ein Liter Sojamilch kommt ein Teelöffel davon. Aber zuerst musste ich die Sojamilch abermals erhitzen und kurz vor dem Siedepunkt vom Herd nehmen. Nachdem ich den Zitronensaft unter die heiße Milch gerührt hatte, begann sie innerhalb weniger Minuten auszuflocken bis schließlich eine wässrige Molke über dem sich absetzenden Eiweiß stand. In einen gelochten Margarinebecher habe ich ein Stück Baumwolltuch gelegt und die Masse vorsichtig hineingegossen. Den Deckel hatte ich etwas beschnitten, so dass er nun zum Pressen benutzt werden konnte. Mit einem Marmeladenglas (gefüllt mit etwas Wasser) habe ich ihn schließlich beschwert und den Tofu zum Abtropfen auf einen Rost in der Spüle gestellt. Nach etwa einer Stunde hab ich ihn im Eiswasserbad ein bisschen abgeschreckt.

Was soll ich sagen? Mein Tofu war farblich zwar etwas gräulicher als der aus dem Geschäft, war vielleicht auch nicht ganz so schnittfest, aber er wies für meine Geschmacksensoren ein gutes Aroma auf, das sich beim anschließenden Braten (ich hatte den Tofu geschnitten und in würziger Marinade eingelegt) vollends entfaltete.

Natürlich werde ich es mir nicht nehmen lassen, meine Freundin bald zu besuchen, im Gepäck: Sojamilch und Tofu. Obwohl ich von dem buchstäblich aus meinem Schweiße geborene Selbstgemachte nur ungern etwas abgebe. "Sollte deine Katastrophe", werde ich ihr sagen, "doch irgendwann einmal eintreten, werde ich mich sicher meiner handwerklichen Fähigkeiten besinnen und mit dir gemeinsam Bohnen melken. Nur geteiltes Leid ist halbes Leid…"

Heide Haßkerl

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