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So entsteht das perfekte Müsli

Von der Idee bis ins Regal: Schrot&Korn-Redakteur Manfred Loosen war ganz nah dran und begleitete den Bio-Pionier Allos ein Jahr lang bei der Entwicklung seiner neuen Kinder-Müslis.

Da ist sie! Frisch vom Band: Rötliche Packung, darauf zwei im Comic-Stil gezeichnete Kinder, der Junge hat eine Lupe in der Hand: Stolz hält Julia Gärtner vom Bio-Pionier Allos die allererste Packung des neuen Kinder-Müslis in ihren Händen. „Entdecker Müsli Frucht“ steht darauf. Endlich!

Mehr als 15 Monate haben Julia Gärtner und ihre Kollegen an dem neuen Müsli getüftelt. Nun ist es endlich fertig, verpackt und steht ab März in den Bio-Läden. Parallel wurde noch ein zweites Kinder-Müsli entwickelt: das „Entdecker Müsli Schoko“.

Schrot&Korn durfte Julia Gärtner, die bei Allos unter anderem für die Entwicklung von neuen Produkten zuständig ist, mehr als ein Jahr über die Schulter gucken und die Entwicklung der Müslis Schritt für Schritt verfolgen. Am Ende dieser langen Reise ist Julia Gärtner sichtlich erleichtert. Denn obwohl Allos mehr als 150 Produkte im Sortiment hat und jedes Jahr bis zu 30 neue auf den Markt bringt, war durch die Corona-Pandemie dieses Mal nicht klar, ob alles glatt laufen wird – und die fertigen Müslis pünktlich zur Fachmesse BioFach im Februar der Öffentlichkeit vorgestellt werden können. Und tatsächlich gab es die ein oder andere Hürde zu überwinden ...

Ziel: ein Müsli mit viel Vollkorn und wenig Zucker

Der Prozess beginnt im Herbst 2019, also vor fast eineinhalb Jahren. Damals treffen sich viele Fachleute von Allos, um über ein neues Produkt zu beraten. Schnell ist klar: „Ein gutes Müsli für Kinder fehlt noch in unserer Produktpalette!“ Wie aber muss so ein Müsli sein? „Gesund“, klar – also möglichst viel volles Korn und nicht so viel Zucker. Und: Es muss Kindern natürlich schmecken. „Also lassen wir vielleicht besser die Rosinen weg“, ist ein Vorschlag, „denn viele Kinder mögen die nicht so gerne“. Schnell war auch die Idee geboren, nicht nur ein neues Müsli zu planen, sondern zwei: eins auf Fruchtbasis und eins mit Schokolade.

„Wir müssen aber auch an die Eltern denken“, sagt eine andere Kollegin. „Die Kinder legen das Müsli in den Einkaufswagen, aber die Eltern zahlen es an der Kasse!“ Alle sind sich einig, dass die Eltern mit der Zutatenliste überzeugt werden. „Viel Vollkorn, wenig Zucker: Das gefällt allen Eltern!“

Der Auftrag, den Julia Gärtner an die Produktentwicklung formuliert, ist also klar: „Bitte entwickelt zwei leckere und gesunde Müslis für Kinder.“ Das hört sich einfach an. Aber es muss viel bedacht – und Fachleute einiger Abteilungen einbezogen – werden: Die Zutaten müssen nicht nur den hohen Qualitätsansprüchen von Allos genügen; es ist auch wichtig, dass alle Bestandteile der Müslis dauerhaft verlässlich zu bekommen sind. Da muss also mit Lieferanten gesprochen und es müssen Vereinbarungen getroffen werden.

Außerdem werden Ökotrophologen gebeten, die perfekte Zusammensetzung für Kinder zu berechnen, Verpackungsexperten werden befragt, was bedacht werden muss, damit das fertige Produkt auch problemlos in Beutel geschweißt und in die Bio-Läden transportiert werden kann.

Dann ist Kai Huntemann an der Reihe: Er ist eigentlich gelernter Konditormeister, arbeitet aber schon viele Jahre in der Produktentwicklung bei Allos. Wochenlang kümmert er sich nun nicht nur darum, die nötigen Zutaten in ausreichender Menge und Qualität zu bekommen. Er stellt viele verschiedene Mischungen von Kindermüslis her. Die Digitalwaage in der Versuchsküche läuft heiß: mal zwanzig Gramm mehr Haferflocken fein, mal zehn Gramm mehr Dinkelvollkorn, dann wieder etwas weniger Haferflocken grob, dafür aber Kakao-Sterne dazu. Zig Mischungen stellt Huntemann so her – und dokumentiert alle penibel. Denn wenn dann irgendwann die endgültige Entscheidung getroffen wird „Das ist unser neues Kindermüsli!“, dann ist wichtig, dass der Produktentwickler genau weiß, was da drin ist. Denn diese Mischung, genau diese, muss dann in großer Menge hergestellt werden.

Allos sucht den perfekten Knusper

Dann gibt es noch ein kleines Problem mit den „Extrudaten“ … Extru … was? „Extrudate, so nennen Experten die aufgepufften Zutaten in Müslis“, erklärt Sabine Obenaus, bei Allos für die „Produkt-Implementierung“ zuständig; sie stellt also sicher, dass neue Produkte während des gesamten Prozesses von der Idee bis zum Bio-Laden keine Probleme machen. „In unseren neuen Müslis sind das die Kakao- und die Sauerkirsch-Sterne, die für ein knuspriges Müsli sorgen“, erzählt Sabine Obenaus. Und das Extrudat „Kakao-Sterne“ ist zunächst zu groß. Da die Maschinen beim Verpacken des Müslis aber keine Probleme bekommen sollen und es in der Müslischale auch auf die ideale Mischung ankommt, gibt es den Auftrag an den Allos-Einkauf, kleinere Bio-Schokosterne zu finden. Das ist gar nicht so einfach. Deshalb wird kurzerhand ein Hersteller beauftragt, für dieses Allos-Müsli kleine Schokosterne zu produzieren.

Im Frühjahr und Sommer folgen mehrere Verkostungsaktionen. Denn die verschiedenen Mischungen müssen ja jetzt verglichen, verworfen, als „gut“ befunden werden. Leckeres Müsli essen ist plötzlich nicht mehr unbedingt nur noch ein Spaß: Es ist Arbeit. Immer wieder neue Schälchen, ab und zu Brot zur Beruhigung der Geschmacksnerven ...

Wegen der Corona-Pandemie sind derzeit keine großen Probierrunden möglich. Das behindert und verzögert den weiteren Entwicklungsprozess für die Kinder-Müslis: Normalerweise treffen sich zehn, fünfzehn oder sogar 20 Mitarbeiter von Allos, um die verschiedenen Mischungen zu probieren.

Aber wir sind im April des Jahres 2020. Abstand wird gerade groß geschrieben. Jetzt sitzen also immer nur vier Personen – mit Abstand – an einem Tisch, um die beste Sorte herauszufinden. Und viele Verkostungen finden im Homeoffice und via Skype statt. Das alles dauert viel länger als normalerweise. Beim Probieren nutzen die Tester, diesmal sind natürlich auch Kinder von Mitarbeitern dabei, alle Sinne: Sie riechen am Inhalt der Schüsselchen, sehen sich die Masse – mal mit Kuhmilch, mal mit pflanzlichen Drinks – genau an, probieren, fühlen die Konsistenz des Müslis im Mund. Dann geben sie ihre Meinung ab: „fruchtig“, „leicht sauer“, „getreidig“, „zu wenig fruchtig“, „sehr schokoladig“, ist da zu hören, und „schön cremig, wenn man es etwas einweichen lässt“ oder „vom Bissgefühl etwas zu hart“. Alle diese Ergebnisse aus werden ganz genau dokumentiert und die Bewertungsbögen exakt ausgewertet.

Bei der Verpackung wird's kniffelig

Während die einen bei Allos nach den perfekten Zutaten, bestem Geschmack und der idealen Mischung suchen, überlegen andere bei dem Bio-Unternehmen, wie man die Müslis am besten verpacken könnte. Dafür ist unter anderem die Frau zuständig, die bei Allos „die Verpackungskünstlerin“ genannt wird. Carina Scheer ist seit fast 20 Jahren hier angestellt. Zunächst hat sie eine kaufmännische Ausbildung gemacht und sich dann nach und nach immer mehr ins Thema „Verpackung“ reingefuchst.

„Das ist eine knifflige Materie“, sagt sie, „die Verpackung muss das Produkt perfekt schützen, die Qualität sicherstellen. Sie muss aber auch so umweltfreundlich wie möglich sein.“ Deshalb hat sie im Zuge eines Projektes zusammen mit dem Lieferanten eine neue Folie erarbeitet, die zu 48 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen besteht.

Und was soll auf die Folie gedruckt werden? Wie soll die Verpackung für die Kinder-Müslis aussehen? Dafür haben die Grafiker erste Entwürfe erstellt. Wegen Corona – wir sind im Juli 2020 – werden auf dem Hof in Drebber für die Präsentation der Entwürfe ein Tisch und Stühle extra im Freien aufgebaut. Hier bespricht Julia Gärtner mit Carina Scheer die Ideen. Die Vorschläge kommen gut an.

Im Spätsommer stehen die endgültigen Mischungen für die beiden Kinder-Müslis fest; da werden die AllosÖkotrophologen wieder aktiv. Die Vorgabe vom Anfang, „wenig Zucker“, wurde erreicht. Aber nun folgt die genaue Analyse: „nur 6,4 und 8,9 Prozent Zucker“, lautet die Nachricht aus dem Labor für Julia Gärtner. Auch mit allen anderen Nährwerten der neuen Kinder-Müslis waren die Ernährungswissenschaftler zufrieden.

Röstaromen begleiten die vollautomatische Musli-Produktion

Mittlerweile – es ist Dezember 2020 – stehen die Kinder-Müslis kurz vor der Herstellung in großer Menge. In der Produktionshalle in Drebber in Niedersachsen können 450 bis 500 Kilogramm Müsli auf einmal gemischt werden. Zuvor läuft ein Fließband durch den etwa 50 Meter langen Raum. Vollautomatisch werden die verschiedenen Zutaten – vom Computer grammgenau berechnet – auf das Fließband geschüttet, bis am Ende des Fließbandes alles in eine große Mischmaschine kommt, die die einzelnen Zutaten vermengt.

Das fertige Produkt, also zum Beispiel eine halbe Tonne Müsli, wird in sogenannten Bigbags in den ersten Stock transportiert. Dort kommt die Ware in eine Art großen Trichter, der das Müsli portionsweise wieder ins Erdgeschoss fließen lässt. Maschinen verpacken das Produkt hier dann vollautomatisch in Beutel – und die werden von Hand in Kartons verpackt. Gabelstapler bringen die Kartons dann auf Paletten ins angrenzende Hochregallager.

Übrigens: Der unvergleichlich tolle Geruch, der in dieser Produktionshalle sofort in die Nase steigt, stammt von der gleich neben der „Mischstraße“ verlaufenden „Röststraße“. Hier werden zum Teil große Mengen von Flocken, bei unserem Schoko-Müsli die Hafervollkornflocken – mit anderen Zutaten gemischt und von einer Maschine auf ein Fließband gelegt. Das Band führt die Ware langsam durch einen Ofen, der die Masse zehn bis 15 Minuten bei bis zu 160 Grad Celsius röstet. Nach dem Abkühlen kommen auch diese knackig gerösteten Leckereien in Bigbags, bis sie mit anderen Zutaten – zum Beispiel zu Müsli – gemischt und verpackt werden.

Und dann der große Augenblick: Julia Gärtner, die mit ihrem Team fast eineinhalb Jahre die Entwicklung der neuen Müslis vorangetrieben hat, hält das erste „Entdecker Müsli“ in ihren Händen. Trotz Corona-Krise ist das Produkt pünktlich fertig geworden. Es kann auf der BioFach 2021 präsentiert werden – obwohl: Die größte Bio-Messe der Welt fiel in diesem Jahr als Präsenz-Messe in Nürnberg aus. Die neuen Kinder-Müslis wurden aber online vorgestellt.

Die Allos Hof-Manufaktur im Kurzportrait: Eine Traditionsfirma in der Moderne

Walter Lang hat die Firma Allos im Jahr 1974 gegründet – auf einem Bauernhof in Drebber, einem Ortsteil von Diepholz in Niedersachsen. Bis heute ist der Hof auf den Allos-Verpackungen zu sehen. Mittlerweile gehört die Allos Hof-Manufaktur zu Ecotone. Diesen Namen führt der ehemalige Wessanen-Konzern seit ein paar Monaten. Die Firma beschäftigt in Drebber und Freiburg rund 150 Mitarbeiter, die meisten arbeiten in der Produktion. Sie können bis zu 400 Tonnen Ware in einem Monat herstellen. An den Standorten in Bremen und Augsburg arbeiten weitere rund 100 Mitarbeiter, vor allem in der Verwaltung. Die Allos Hof-Manufaktur verbindet die Tradition eines Bio-Pioniers mit einem modernen, zukunftsorientierten Bio-Unternehmen. Verantwortlich ist dafür seit fast fünf Jahren Geschäftsführer Eike Mehlhop (Foto): „Wir stellen Lebensmittel her, die beste Bio-Qualität haben und auf natürlichen Zutaten basieren.“ Der 37-Jährige hat Marketing studiert und ist seit fast zwölf Jahren im Unternehmen. Besonders stolz ist er auf die B Corp-Zertifizierung der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation „B Lab“. Sie prüft für das Siegel Unternehmen nach strengen Kriterien in Sachen Transparenz, Verantwortung und Nachhaltigkeit.

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